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· Fachbeitrag · Neue Spielwiesen der Außenprüfer

Virtuelle Währung im Privatvermögen im Fokus der Finanzverwaltung

| Sachbearbeiter und Prüfer der Finanzämter werden von den übergeordneten Behörden sensibilisiert, bei Bearbeitung der Steuererklärungen oder bei Außenprüfungen nach Einnahmen im Privatvermögen aus virtuellen Währungen Ausschau zu halten. Der folgende Beitrag soll Sie als Steuerberater für diese steuerlich komplizierte Thematik sensibilisieren. |

 

  • Definition des Begriffs virtuelle Währung

Unter virtueller Währung versteht man die digitale Darstellung eines Werts, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und der auf elektronischem Weg übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann.

 

Virtuelle Währungen, nach denen Sachbearbeiter und Prüfer im Privatvermögen ihres Mandanten Ausschau halten sollen, sind insbesondere

  • Bitcoin,
  • Ethereum,
  • Bitcoin Cash,
  • Ripple,
  • Dash,
  • Litecoin,
  • Monero,
  • IOTA und
  • NEO.

 

Grundsätze zur Besteuerung von Einnahmen aus virtueller Währung

Erzielt ein Mandant aus dem Verkauf virtueller Währung einen Gewinn oder einen Verlust, ist dieser im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts steuerlich zu erfassen, wenn der Zeitraum zwischen Erwerb und Verkauf nicht mehr als ein Jahr betragen hat (§ 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

 

Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellt virtuelle Währung ein „anderes Wirtschaftsgut“ i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG dar. Diese Auffassung wurde durch den Beschluss des FG Berlin-Brandenburg (20.6.19, 13 V 13100/19) bestätigt. Die Richter qualifizierten virtuelle Währung als immaterielles Wirtschaftsgut und somit als „anderes Wirtschaftsgut“ im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts.

 

PRAXISTIPP | Folgende Besonderheiten sind bei Einnahmen aus virtueller Währung eines Mandanten steuerlich zu beachten:

 

  • 1. Die Einkommensteuerpflicht muss nicht durch einen Verkauf der Währung ausgelöst werden. Es genügt bereits, wenn mit der virtuellen Währung Waren oder Dienstleistungen bezahlt werden. Dieser Tausch gilt bereits als Verkauf von Bitcoins & Co.

 

  • 2. Die Veräußerungsfrist kann sich von einem Jahr auf zehn Jahre verlängern, wenn die virtuelle Währung beispielsweise durch sogenanntes Lending (siehe dazu nachfolgende Informationen) als Einkunftsquelle genutzt wird.
 

Kauf und Verkauf virtueller Währung

Damit das Finanzamt Gewinne aus dem Verkauf virtueller Währung im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts besteuern kann, bedarf es eines Anschaffungs- und Veräußerungsvorgangs. Unter Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb der virtuellen Währung durch Kauf oder Tausch von einem Dritten zu verstehen. Ein Anschaffungsgeschäft gegen Entgelt ist danach erfüllt, wenn

  • die virtuelle Währung im Tausch gegen EUR, Ware oder Dienstleistungen angeschafft wird oder
  • Ihr Mandant virtuelle Währung im Tausch gegen eine andere virtuelle Währung erhält oder
  • die virtuelle Währung im Wege des Minings erlangt wurde. Mining ist ein Prozess der Bereitstellung von Rechenkapazitäten, wobei im Gegenzug virtuelle Währung erzielt wird.

 

  • Beispiel

Ein Mandant bekommt für einen Gegenstand vom Käufer virtuelle Währung i. H. v. 5.000 EUR und verkauft diese innerhalb der Jahresfrist für 6.500 EUR. Folge: Der Tausch des Gegenstands gegen virtuelle Währung stellt ein Anschaffungsgeschäft dar. Da der Verkauf innerhalb der Jahresfrist erfolgte, muss der Mandant 1.500 EUR als privates Veräußerungsgeschäft versteuern.

 

Korrespondierend zu diesen Grundsätzen zur Anschaffung liegt ein Veräußerungsgeschäft vor, wenn virtuelle Währung entgeltlich auf einen Dritten übertragen wird. Danach geht das Finanzamt in folgenden Fällen von einem Veräußerungsgeschäft aus:

 

  • Tausch und Rücktausch von virtueller Währung in EUR oder in eine andere virtuelle Währung
  • Tausch oder Rücktausch von virtueller Währung in eine Ware oder in eine Dienstleistung

 

  • Beispiel

Ein Mandant erwarb vor sieben Monaten virtuelle Währung für 8.000 EUR und erwirbt dafür Ware im Wert von 12.000 EUR. Folge: Der Tausch der virtuellen Währung gegen die Ware stellt ein Veräußerungsgeschäft dar. Der Mandant muss also im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. H. v. 4.000 EUR versteuern.

 

Sonderfälle zum Kauf und Verkauf virtueller Währung

In der Praxis finden sich zahlreiche Möglichkeiten, an virtuelle Währung zu kommen und diese weiterzugeben. Entscheidend dafür, ob das Finanzamt Gewinne besteuern darf, ist stets die Prüfung des Vorliegens eines Anschaffungsgeschäfts und eines Veräußerungsgeschäfts. Hier einige steuerliche Besonderheiten dazu.

 

  • Einlösung von Utility Token
  • Token sind digitale Werte. Sie können Ansprüche oder Rechte verkörpern, deren Funktionen variieren. Utility Token vermitteln dem Inhaber bestimmte Nutzungsrechte (z. B. Zugriff auf ein noch zu schaffendes Netzwerk) oder einen Anspruch darauf, den Token gegen eine bestimmte Ware oder Dienstleistung einzutauschen.

 

  • Werden solche Utility Token eingelöst, ist das einkommensteuerlich unbeachtlich. Es fehlt hier an einem Veräußerungsgeschäft, weil es an einer entgeltlichen Übertragung virtueller Werte auf einen Dritten fehlt (BFH 6.2.18, IX R 33/17).

 

  • PRAXISTIPP | Werden Utility Token dagegen veräußert oder werden sie als Zahlungsmittel verwendet (sog. Hybride-Token) und beträgt der Zeitraum zwischen Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft weniger als ein Jahr, liegt ein einkommensteuerlich relevantes privates Veräußerungsgeschäft i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.

     
  • Kostenlose Verteilung virtueller Währung oder Token
  • Beim sogenannten „Airdrop“ wird eine virtuelle Währung oder Token im Rahmen von Marketingleistungen scheinbar kostenlos verteilt. Im Gegenzug wird erwartet, dass sich die Kunden für die Teilnahme am Airdrop registrieren und Daten von sich preisgeben.

 

  • Hängt die Zuteilung der virtuellen Währung davon ab, dass der Mandant Daten von sich preisgibt, die wesentlich über die Informationen hinausgehen, die für die schlichte technische Zuteilung erforderlich sind, unterstellt das Finanzamt in der Datenüberlassung eine Leistung des Mandanten i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG, für die er als Gegenleistung virtuelle Währung oder Token erhält. Führt die Zuteilung zu Einkünften aus sonstiger Leistung liegt ein Anschaffungsgeschäft vor.

 

  • Zerstörung oder Verlust der virtuellen Währung
  • Werden virtuelle Währungen oder Token zerstört, gehen sie wegen Datenverlusts verloren oder werden gestohlen, verneint das Finanzamt Verluste aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und lässt die Verluste nicht zur Verrechnung mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften zu. Begründung: Es liegt kein Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG vor.

 

Ausdehnung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre

Die Veräußerungsfrist verlängert sich nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG von einem auf zehn Jahre, wenn die virtuelle Währung als Einkunftsquelle genutzt wird und zumindest in einem Kalenderjahr hieraus Einkünfte erzielt werden.

 

Eine Nutzung der virtuellen Währung dürfte in folgenden Fällen vom Finanzamt unterstellt werden:

 

  • Lending: Beim sogenannten Lending werden über das Verleihen von virtueller Währung zusätzlich Erträge in Form von virtueller Währung generiert.

 

  • Staking: Beim sogenannten Cold-Staking erhält der Teilnehmer einer Blockchain allein durch das Halten von virtueller Währung weitere virtuelle Währung gutgeschrieben. Voraussetzung ist, dass der Teilnehmer die virtuelle Währung für einen bestimmten Zeitraum nicht nutzt.

 

  • Beispiel

Ein Mandant erwirbt virtuelle Währung für 5.000 EUR und verleiht diese in Form des Lendings. Dafür erhält er weitere virtuelle Währung i. H. v. 5.000 EUR. 24 Monate nach dem Kauf der virtuellen Währung verkauft er diese für 10.000 EUR.

 

Folge: Hier liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, weil der Verkauf innerhalb der Zehnjahresfrist erfolgte.

 

Beachten Sie | Wird nicht die gesamte virtuelle Währung in Form des Lendings verliehen, sondern nur ein Teil davon, gilt für einen Teil der virtuellen Währung die Veräußerungsfrist von einem Jahr und für die verliehene Währung die Zehnjahresfrist. Verkauft der Mandant einen Teil der virtuellen Währung, gilt der Teil der virtuellen Währung als zuerst verkauft, bei dem die Veräußerungsfrist bereits abgelaufen ist.

 

FAZIT | Als Steuerberater muss man sich also sehr intensiv in die Thematik „virtuelle Währung“ mit ihren zahlreichen und verschiedenen Fachbegriffen einarbeiten, sollte das Finanzamt der Meinung sein, dass ein privates Veräußerungsgeschäft anzunehmen ist. Im Zweifel empfiehlt sich bei Streitigkeiten mit dem Finanzamt die Einschaltung der übergeordneten Finanzbehörde.

 
Quelle: Seite 742 | ID 46843635