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· Fachbeitrag · Nachlassverfahren

Wann besteht ein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 13 Abs. 2 FamFG?

von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a.D., Vallendar

| Das OLG Köln musste über ein Rechtsmittel gegen Verweigerung der Akteneinsicht nach Abschluss eines Nachlassverfahrens entscheiden (OLG Köln 5.10.20, 2 Wx 219/20). Ein Anwalt hatte die Akteneinsicht beantragt, da er in einem Honorarprozess gegen eine Mandantin von dieser mit dem Vorwurf eines Beratungsfehlers konfrontiert wurde. Aus den Akten erhoffte er sich Erkenntnisse, um dem Vorwurf entgegenzutreten. |

Sachverhalt

Der Antragsteller beantragte Akteneinsicht und hatte dazu vorgetragen, er habe ein rechtliches Interesse daran, weil ein Fall von Parteiverrat i. S. d. § 356 StGB vorliege. Der jetzige Rechtsbeistand der Mandantin, der diese im Honorarprozess gegen den Antragsteller vertritt, sei als Nachlasspfleger zunächst „Gegner“ der Mandantin gewesen. Nun vertrete er sie als Mandantin.

 

Im Wege der Verfügung hat die Rechtspflegerin des zuständigen Nachlassgerichts dem Antragsteller mitgeteilt, dass „ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Akteneinsicht nicht vorliege, sodass dem Gesuch nicht entsprochen werden“ könne. Gegen diese Verfügung hat der Antragsteller beim Nachlassgericht Beschwerde eingelegt. Dieses hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidungsgründe

Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht statthaft sei, sich aber dennoch zu weiteren (materiell-)rechtlichen Fragen geäußert.

 

  • 1. Die Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG ist grundsätzlich nur statthaft gegen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach dem FamFG. Eine Endentscheidung liegt vor, wenn sie ein auf Antrag oder ein von Amts wegen eingeleitetes Verfahren insgesamt erledigt oder seine Anhängigkeit hinsichtlich eines einer selbstständigen Erledigung zugänglichen Teils des Verfahrensgegenstands beendet.
  • 2. Ein rechtlicher Hinweis ist nicht mit der Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG anfechtbar, weil er das Verfahren nicht erledigt. Dies folgt auch daraus, dass das Nachlassgericht nicht die Form des Beschlusses nach § 38 FamFG gewählt hat.

(Abruf-Nr. 223282)

 

In einem „obiter dictum“ hat das OLG Köln in der Begründung zudem weitere Ausführungen gemacht und dargelegt, dass die Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg habe. Dem Antragsteller stehe kein Recht auf Akteneinsicht gem. § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG zu. Nach dieser Vorschrift könnten Personen, die ‒ wie hier ‒ nicht am Verfahren beteiligt sind, Einsicht in die Akten nur gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machten und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstünden. Für die Annahme eines berechtigten Interesses im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG genüge jedes vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art. Befinde sich der Antragsteller aber ‒ wie im zu entscheidenden Fall ‒ bereits im Besitz aller notwendigen Informationen und sei nicht ersichtlich, dass die Einsicht zu weiteren Erkenntnissen führen könnte, fehle insoweit das berechtigte Interesse.

Relevanz für die Praxis

§ 13 Abs. 2 FamFG regelt die Voraussetzungen, unter denen Einsicht in die Verfahrensakten gewährt werden kann. Für die Verfahren in Nachlasssachen findet sich in § 357 Abs. 1 FamFG eine Sondervorschrift für die Einsichtnahme in bereits eröffnete Verfügungen von Todes wegen, wobei hierfür im Gegensatz zu § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht nur ein berechtigtes, sondern ein rechtliches Interesse erforderlich ist. Ein solches rechtliches Interesse liegt dann vor, wenn es sich auf eine wirkliche oder vermeintliche Rechtsposition des Antragstellers bezieht und auf diese einwirkt bzw. einwirken kann.

 

Für das Vorliegen eines rechtlichen Interesses ist ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache erforderlich. Nicht ausreichend ist ein lediglich wirtschaftliches oder gesellschaftliches (wie z. B. historisches oder wissenschaftliches) Interesse (KG Rpfleger 78, 140). Das Einsichtsrecht nach § 357 Abs. 1 FamFG besteht nur für bereits eröffnete Verfügungen von Todes wegen, die Einsicht in die Eröffnungsniederschrift regelt§ 13 FamFG. Nach § 357 Abs. 1 FamFG besteht ein Rechtsanspruch auf Einsicht in eine Verfügung von Todes wegen auch durch Dritte, während nach § 13 Abs. 2 FamFG die Einsicht durch Dritte eine Ermessensentscheidung des Gerichtsvoraussetzt. Ein rechtliches Interesse i. S. d. § 357 Abs. 1 FamFG haben z. B.

  • die gesetzlichen Erben, selbst wenn sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind, und
  • die sonstigen Beteiligten, z. B.
    • Vermächtnisnehmer,
    • Testamentsvollstrecker,
    • Pflichtteilsberechtigte,
    • Nacherben, in widerrufenen Testamenten bedachte Personen
    • sowie im Einzelfall auch Nachlassgläubiger (BayObLG Rpfleger 97, 162), Nachlassverwalter und -pfleger sowie der Sozialhilfeträger.

 

  • Weitere spezielle Regelungen zu Einsichtsrechten in besondere Dokumente und Erklärungen in Nachlasssachen finden sich in den erbrechtlichen Regelungen des
    • § 1953 Abs. 3 S. 2 BGB (Wirkung der Ausschlagung),
    • § 1957 Abs. 2 S. 2 BGB (Wirkung der Anfechtung),
    • § 2010 BGB (Einsicht des Inventars),
    • § 2081 Abs. 2 S. 2 (Einsicht bei Anfechtung einer letztwilligen Verfügung),
    • § 2146 Abs. 2 BGB (Anzeige des Vorerben gegenüber Nachlassgläubigern),
    • § 2228 BGB (Erklärungen im Rahmen der Testamentsvollstreckung) und
    • § 2384 Abs. 2 BGB (Anzeige des Verkaufs der Erbschaft gegenüber Nachlassgläubigern).
Quelle: Seite 131 | ID 47006659