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· Fachbeitrag · Nachfolgegestaltung

15 goldene Regeln zum Unternehmertestament:Richtig gestalten h‒ Haftungsfallen meiden (Teil 1)

von RA Miles B. Bäßler, FA Erbrecht, St-B-K Steuerberatung & Rechtsberatung, Krefeld

| Je werthaltiger und komplexer strukturiert ein Nachlass ist, umso mehr Themen sind zu bedenken. Gehört ein Unternehmen dazu, müssen dasTagesgeschäft aufrechterhalten und die Handlungsfähigkeit sichergestellt werden. Und bei all dem gilt es noch, gefährliche Haftungsfallen im Blick zu haben. Dieser zweiteilige Beitrag zeigt in Form einer Checkliste auf Grundlage eines Fallbeispiels mögliche Problemfelder auf, an die man beisolchen Konstellationen denken muss. Hier gilt es, den Erblasser schon zu Lebzeiten zu sensibilisieren und an ein Unternehmertestament zu denken. |

1. Die Ausgangslage ist oft kompliziert

Nachlass ist all das, was der Verstorbene zum Todeszeitpunkt zivilrechtlich sein Eigentum bzw. Vermögen nannte. Neben Geld oder Aktien geht es regelmäßig um Immobilien, Gesellschaftsanteile, Betriebsausstattung oder Forderungen und Verbindlichkeiten jeglicher Art. Aspekte wie die Streitvermeidung innerhalb der Nachkommenschaft, eine möglichst schnelle Abwicklung des Erbfalls oder auch Steueroptimierung rücken in den Fokus.

 

MERKE | Es versteht sich von selbst, dass die Sache komplizierter ist, wenn im Nachlass auch Unternehmensvermögen vorhanden ist; beispielsweise eine vollständige Personen- oder Kapitalgesellschaft, oder Anteile hieran.

 

 

Beachten Sie | Es sollte keine Scheu bestehen, bei komplizierten Sachverhalten ggf. externe Berater hinzuzuziehen. Denn gerade bei Auslandsberührung sind Kenntnisse im Internationalen Privatrecht oder von Doppelbesteuerungsabkommen unverzichtbar. Berät man hier fehlerhaft, wird man sich mit den Erben oder einer Erbengemeinschaft streiten müssen.

2. Fallbeispiel

Das Unternehmerehepaar Ernst U. und Hertha U., Jahrgang 1943 und 1945, haben kurz nach ihrer Hochzeit 1965, als beide noch kinderlos waren, ein Testament erstellt. Es ist formwirksam errichtet worden und hat allein den Inhalt, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzen. Zu diesem Zeitpunkt waren beide nahezu vermögenslos. Sie leben seit jeher im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und haben keinen Ehevertrag.

 

1967, 1969 und 1972 wurden die Kinder Hans, Renate und Peter geboren. Peter hat keine abgeschlossene Ausbildung und lebt von staatlichen Leistungen. Hans ist vorverstorben und hinterlässt zwei Kinder, Jahrgang 2002 und 2004. Renate ist alleinstehend.

 

Mittlerweile ist Ernst alleiniger Gesellschafter einer GmbH & Co. KG. Ihm gehört die Komplementär-GmbH und er ist alleiniger Kommanditist der KG. Die GmbH wird mit 50.000 EUR bewertet, die KG mit 800.000 EUR. Ernst hatte sich seinerzeit von einem Freund, einem Jurastudenten, zum Gesellschaftsvertrag der KG beraten lassen. Er hat dort eine Nachfolgeklausel installiert. Danach werden seine Kinder als Erben Gesellschafter; aber nur dann, wenn sie mindestens 25 Jahre alt sind und eine abgeschlossene Berufsausbildung haben.

 

Ernst ist zudem Eigentümer eines Mehrfamilienhauses (Wert ca. 800.000 EUR). Hertha hat eine Finca in Spanien (Wert ca. 600.000 EUR) und Aktien im Wert von ca. 400.000 EUR. Das Familienheim (Wert 6 Mio. EUR) gehört beiden zu je 1/2. Sohn Peter hat, damit er sich eine Existenz aufbauen kann, vor ein paar Jahren ohne Anrechnungsbestimmung 100.000 EUR erhalten. Nun machen sich die Eheleute Gedanken, ob und wie sie ihre Nachfolge besser gestalten können.

 

Checkliste / 15 goldene Regeln zum Unternehmertestament

  • 1. Zu Beginn sollten immer drei Fragen beantwortet werden:
    • a) Was habe ich? ‒ Bestandsaufnahme
    • b) Wer soll was bekommen? ‒ Willensbildung
    • c) Wie kann ich meine Ziele rechtssicher erreichen? ‒ Umsetzung

 

  • Denn: Der Berater kann nur dann sinnvoll beraten, wenn er das Vermögen, den Willen und die rechtlichen und steuerlichen Möglichkeiten kennt.
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  • 2. Prüfen der gesetzlichen Erbfolge
  • Hier ist zu klären, ob die gesetzliche Erbfolge, die ohne abweichende Testamente greift, nicht schon dem Willen der Beteiligten entspricht. Nur wenn nicht, macht es überhaupt Sinn, eine gesonderte Regelung zu treffen.
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  • Beispielsfall: Hier sähe die gesetzliche Erbfolge, also diejenige, die ohne ein Testament oder einen Erbvertrag nach §§ 1923 ff. BGB vorläge, wie folgt aus: Der überlebende Ehegatte würde 1/2 erben, die drei Kinder gemeinsam die andere Hälfte, also je 1/6. Diese gesetzliche Erbfolge wird bei Pflichtteilsfragen relevant (Ableitung der Pflichtteilsquote).
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  • 3. Testament oder Erbvertrag vorhanden?
    • a) Testamente sind einseitige oder gemeinsam von Ehegatten bestimmte Regelungen, was im Todesfall geschehen soll. Testamente können handschriftlich i. S. d. § 2247 BGB oder notariell (§ 2231 BGB) erstellt werden.

 

    • b)
    • Erbverträge sind letztlich vertragliche Regelungen darüber, was beim Todesfall einer der Parteien geschehen soll. Häufig wird eine Erbeinsetzung mit einer Gegenleistung verbunden (Beispiel: Als Belohnung für Pflegeleistungen wird jemand als Erbe eingesetzt). Erbverträge sind immer notariell zu beurkunden (§ 2276 BGB).

 

  • Erbverträge und Testamente unterscheiden sich dadurch, dass Testamente regelmäßig frei widerrufbar und abänderbar sind (Ausnahmen s. unten), Erbverträge aber regelmäßig nicht.
  • Was genau ist dort geregelt? Was muss gegebenenfalls angepasst werden?Beispiel: Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein und provozieren somit Pflichtteilsrechte (s. Punkt 6).
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  • 4. Hat die getroffene Erbregelung Bindungswirkung? Wenn ja: Kann diese wieder aufgehoben werden?
  • Grundsätzlich gibt es keine Bindungswirkung von früheren Testamenten. Ausnahmen sind die meisten Ehegattentestamente und Erbverträge. Rückausnahmen liegen dann vor, wenn bei diesen wieder Abänderungsklauseln vorliegen. Bindende Ehegattentestamente und Erbverträge können aber wieder einvernehmlich zu Lebzeiten der Ehegatten bzw. der Erbvertragsparteien aufgehoben und abgeändert werden. Eine einseitige Änderung ist in der Regel nicht möglich.

 

  • Beispielsfall: Da im Ausgangsfall beide Ehegatten noch leben, können sie das Testament einvernehmlich abändern oder aufheben.
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  • 5. Keine Erbregelung vorhanden: Macht ein notarielles Testament Sinn?
  • Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn sich im Nachlass Grundvermögen, Auslandsvermögen oder Gesellschaftsanteile befinden. Denn:

 

  • Liegt nur ein formwirksames handschriftliches Testament vor, ist die Erbfolge damit zwar geregelt. Dann wird aber zur Umschreibung des Grundbuchs, des Handelsregisters und regelmäßig auch für Auslandsbezug im Nachlass ein Erbschein benötigt. Dieser kostet Zeit und ist doppelt so teuer wie die Notarkosten für ein Testament. Dies beruht auf der gesetzgeberischen Motivation, dass Personen im Vorfeld mit notariellen Testamenten vorsorgen und nicht Erbscheinsverfahren produzieren sollen. Zudem wird im Erbscheinsverfahren oft gestritten, sodass man hier unnötiges Konfliktpotenzial schafft (Anwaltskosten, weitere Zeitverzögerung etc.).

 

  • Beispielsfall: Hier wäre ein Erbscheinsverfahren erforderlich, um die Gesellschaften oder auch die inländischen Grundstücke auf die jeweiligen Erben umzuschreiben.
  • 6. Pflichtteilsrechte vorhanden?
  • Pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte und die Kinder, in bestimmten Konstellationen die Eltern, niemals aber Geschwister. Sind allerdings Kinder vorverstorben, sind deren Kinder ebenfalls pflichtteilsberechtigt.

 

  • Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch auf Geld in Höhe des Wertes des hälftigen gesetzlichen Erbteils. Er setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte enterbt worden ist. Da der Pflichtteilsanspruch sofort fällig gestellt werden kann und in bar geschuldet wird, hat das in der Praxis oft Liquiditätsprobleme zur Folge.
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  • Beispielsfall: Da hier der überlebende Ehegatte erbt, sind für den Fall des Todes des ersten Ehegatten alle drei Kinder enterbt. Diese haben also Pflichtteilsrechte. Auch die Kinder des vorverstorbenen Sohns Hans haben Pflichtteilsrechte in gleicher Höhe. Die Kinder wären, da die Eheleute in Zugewinngemeinschaft leben, nach der fiktiven gesetzlichen Erbfolge (die dann greifen würde, wenn kein Testament vorläge) Erben zu je 1/6. Der Pflichtteilsanspruch betrüge damit 1/12 für Peter und Renate, und für die Kinder von Hans je 1/24.
  • 7. Wenn Pflichtteilsrechte vorhanden sind: Abhilfe-Strategien prüfen!
    • a)
    • Pflichtteilsverzicht, § 2346 BGB
  • Ein solcher ist in der Praxis regelmäßig nur gegen eine angemessene Abfindung durchsetzbar und notariell beurkundungsbedürftig.

 

    • b) Schenkung unter Anrechnung auf den Pflichtteil, §§ 2315, 2316 BGB
  • Wenn bereits Schenkungen erfolgt sind: Sind diese unter einer Anrechnungsbestimmung zum Zeitpunkt der Schenkung erfolgt, sodass also das Geschenkte auf den Wert des Pflichtteils später angerechnet werden kann? Wenn nicht, spielt die Zuwendung keine Rolle für den Pflichtteil.
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  • Beispielsfall: Peter hat 100.000 EUR ohne Anrechnungsbestimmung erhalten. Der überlebende Ehegatte könnte ihm nicht vorhalten, dass er bereits 100.000 EUR erhalten hat. Er müsste den vollen Pflichtteil von 1/12 zahlen.

 

    • c) Pflichtteilsunwürdigkeit §§ 2333, 2338 BGB
  • Diese Regel spielt in der Praxis so gut wie keine Rolle. Hierfür sind z. B. schwerste Straftaten gegen den Erblasser mit mindestens einem Jahr Gefängnisstrafe notwendig.
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    • d) Pflichtteilsstrafklausel
  • Diese kann eine Rolle spielen, wenn Ehegatten sich gegenseitig zum Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des zweiten Elternteils die Kinder den Nachlass bekommen. Dann sind sie für den Erbfall nach dem ersten Elternteil auf den Pflichtteil gesetzt. Hier wird dann oft formuliert, dass dann, wenn ein Kind diesen Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils verlangt (was grundsätzlich nicht zu verhindern ist), es für den zweiten Erbfall auch auf den Pflichtteil gesetzt wird. Das ist die „Pflichtteilsstrafklausel“. Entweder das Kind hält im ersten Erbfall still und erhält im zweiten Erbfall dann die volle Erbquote, oder es greift zweimal den jeweiligen Pflichtteil ab. Meist ist die Erbquote am Ende wirtschaftlich günstiger.
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  • Beachten Sie | Die Strafklausel läuft aber leer, wenn zu erwarten ist, dass im zweiten Erbfall nicht mehr viel Nachlass übrig sein wird (z. B. kostspieliger Heimaufenthalt des überlebenden Elternteils). In der Klausel sollte zudem definiert werden, was genau sanktioniert wird: Schon das Geltendmachen des Auskunftsanspruchs § 2311 BGB oder erst das Verlangen einer Zahlung auf den Pflichtteil?
  • Vorwegschenkungen von Vermögen sind denkbar, müssen aber langfristig geplant sein: Werden Kinder nach dem Tod eines Elternteils nicht Erben oder erhalten sie weniger als ihrem Erbteil entspricht, stehen ihnen grundsätzlich Pflichtteilsansprüche (§ 2303 BGB) bzw. ein Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB) zu. Sind innerhalb der letzten zehn Jahre Vorschenkungen an andere Personen erfolgt, bestehen auch Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 ff. BGB; 10-Jahres-Frist und Pro-Rata-Regelung sind zu beachten).
 

Weiterführender Hinweis

  • Die Checkliste wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt und dann auch komplett zum Download im Online-Service zur Verfügung stehen. Dazu erhalten Sie ein Muster eines auf das Fallbeispiel zugeschnittenen Unternehmertestaments ebenfalls zum Download.
Quelle: Seite 23 | ID 47077950