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· Fachbeitrag · Mit Wissen(schaft) führen

So vermeiden Sie typische Fehler bei der Zielsetzung

von Thomas Schneider, Essen

| Wer eine Kanzlei führt, ist ein/e Entscheider/in. Wie man gut entscheidet, wird einem ebenso wenig beigebracht wie Kinder gut zu erziehen. In einer früheren Ausgabe („So verbessern Sie Ihr Entscheidungsverhalten“, Schneider/Derlath, KP 19, 41 ) wurde aufgezeigt, wie das Entscheidungsverhalten systematisch verbessert werden kann. In diesem Beitrag möchte ich verdeutlichen, dass gutes Entscheiden bereits mit der Zielsetzung beginnt. Ich orientiere mich dabei an Dörners Überlegungen zu den Folgen einer mangelnden Zielkonkretisierung. |

 

 

Den Kontext von Zielen verstehen

Ziele und die dahinter stehenden Motivationen sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie verfolgen. Schon wie man mit dem Berufsziel „Steuerberater/in“ umgegangen ist, ist völlig unterschiedlich. Für einige ist Steuerberatung der Traumberuf, ja die Berufung, die sie mit hohem Einsatz erreicht haben. Andere haben (mehr oder weniger freiwillig) die Kanzlei eines Elternteils übernommen. Der Raum möglicher Ziele wird durch vorgegebene und selbst gewählte Verpflichtungen begrenzt: Verpflichtungen rechtlicher Art, wie das Gehalt der Mitarbeiter oder die Tilgung des Immobilienkredits, Verpflichtungen moralischer Art gegenüber den Angehörigen, diesen den Lebensunterhalt zu ermöglichen. Einfach „Tabula rasa“ zu machen, mit einem unbeschriebenen Blatt neu beginnen zu können, ist fast nie möglich und oft auch nicht gewünscht.

 

Weiterhin wird eine Fülle von Zielen verfolgt, die teilweise im Widerspruch zueinander stehen. Der Umsatz soll gesteigert, aber gleichzeitig die Arbeitszeit reduziert werden. Das Bedürfnis der Mandanten nach Flexibilität soll genauso verfolgt werden, wie das Interesse der Mitarbeiter an geregelten Arbeitszeiten. So zerren alle an der/m Kanzleiinhaber/in und die Zielverfolgung bleibt im Arbeitsalltag schnell auf der Strecke.

Hüten Sie sich vor negativen Zielen

Ziele können positiv oder negativ formuliert werden. Im positiven Fall soll etwas erreicht, im negativen etwas vermieden werden. Die Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil negative Ziele grundsätzlich einfacher festzulegen und zu erreichen sind. Die Weigerung, zukünftig nicht mehr mit dem Mandanten X zusammenzuarbeiten, ist schnell gefasst und umgesetzt. Die generellen Umsatz- und Ergebnisziele dennoch zu erreichen, kann sich dagegen als schwieriger herausstellen. In einer grundsätzlich nicht zufriedenstellenden Situation werden negative Ziele als „Befreiungsschlag“ angesehen. So hielt schon der Philosoph Georg Lichtenberg fest: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll“.

 

Übersteigt die Unzufriedenheit ein gewisses Maß, wird das negative Ziel kompromisslos durchgesetzt ‒ mit dem verengten Blick, der ausschließlich auf das negative Ziel fixiert ist, nur um anschließend festzustellen, dass die grundlegenden Probleme nicht gelöst wurden.

 

PRAXISTIPP | Deshalb sollten Sie grundsätzlich danach streben, negative Ziele in positive umzuwandeln. Im angesprochenen Beispiel könnten die Umsätze mit dem betroffenen Mandanten betrachtet und als Ziel die Steigerung des Umsatzes mit anderen Mandanten in dieser Höhe als erstes, positives Ziel verfolgt werden. Damit wird die Gefahr eines globalen, unspezifischen Ziels reduziert.

 

Gehen Sie nach der Zwischenzielmethode vor

Um eine wirtschaftlich erfolgreiche Kanzlei zu führen, ist ein komplexes Zielbündel erforderlich. Einher mit solch einem Bündel gehen vielfältige Einflussfaktoren, welche sich gegenseitig verstärken, neutral zueinanderstehen oder sich im Widerspruch befinden. Klingt vielleicht erst mal trivial, hat aber eine gravierende Folge für das Handeln: Sie handeln sehr wahrscheinlich nach der Überwertigkeit eines Ziels. Sie kümmern sich also um Probleme, die Sie haben und nicht um die, die Sie (noch) nicht haben.

 

Die pragmatische Lösung liegt in der Zwischenzielmethode. Konkret: Wie verbessert sich eine Variable, ohne die anderen zu verschlechtern. Bei jedem Zwischenziel sollte es zumindest eine Sache geben, welche unmittelbar zum Begriff gehört. Auf den großen Wurf zu setzen oder Pakete zu schnüren, bedeutet oft eine Verschiebung in die weite Zukunft („Wenn die alten PCs ausgemustert werden, wird auf ASP umgestellt“).

Wenige Ziele dafür aber fokussiert verfolgen

Als sein Fahrer einmal den SPD-Politiker Horst Ehmke nach dem Fahrziel fragte, soll dieser geantwortet haben: „Egal, ich werde überall gebraucht.l“ Nicht wenige Menschen in Führungspositionen verhalten sich in der täglichen Arbeit genauso.

 

Aber ohne Schwerpunktsetzung droht rasch ein permanenter Reparaturbetrieb. Falsche Herausforderungen werden angegangen. Die scheinbar dringenden und nicht die wichtigen Aufgaben werden gelöst. Dabei greift eine streng rationale Herangehensweise oft zu kurz. Es gibt in jeder Kanzlei ausreichend Sachverhalte, die schlicht „nerven“. Bei dieser Betrachtung können und sollen die Mitarbeiter einbezogen werden. Auf die Frage, was diese am meisten „nervt“, kommen übrigens oft unerwartete Antworten.

 

Das Ziel ist dann einfach: Das Problem lösen, nur dieses Problem, nur ein Problem. Insofern ist Nassim Taleb zuzustimmen: Wenn man mehr als einen Grund hat etwas zu tun, dann sollte man es lassen. Das heißt nicht, dass ein Grund besser ist als zwei Gründe, aber wenn man mehr als einen Grund anführt, dann versucht man, sich selbst von etwas zu überzeugen. Klare Entscheidungen brauchen nicht mehr als einen einzigen Grund.

Nur das wirkliche Problem als Ziel adressieren

Das wirkliche Problem zu identifizieren, herauszufinden, was wirklich wichtig ist oder woran es wirklich liegt, erscheint einfacher, als es ist. Um einer Fragestellung auf den Grund zu gehen, kann es hilfreich sein, mindestens dreimal nach dem „Warum“ zu fragen. Spätestens nach fünf Malen ist man am Kern des Problems angelangt. Dieses Fragen kann und darf durchaus zu der Feststellung führen, dass es das eine überragende Ziel nicht gibt.

 

Gibt es aber ein Zentralproblem, muss es der Kanzleiinhaber persönlich lösen. Mitarbeiter und Berater können Impulse liefern und (Teil-)Aufgaben übernehmen. Eine Delegation kommt einer Verdrängung, einer Abschiebung gleich.

 

  • Beispiel: Mindestens 3 × „Warum?“ fragen
  • 1. Warum haben die Bearbeitungszeiten der Mitarbeiter bei Mandant X so stark zugenommen?
  • Weil die Mitarbeiter für das Aufbereiten der Informationen von Mandant X viel mehr Zeit als vorher brauchen.

 

  • 2. Warum brauchen die Mitarbeiter dafür auf einmal mehr Zeit?
  • Weil der Informationsfluss vom Mandanten und die Qualität der mitgeteilten Informationen schlechter geworden sind und Nacharbeiten erfordern.
  • 3. Warum sind Informationsfluss und Qualität schlechter geworden?
  • Weil der bisherige Ansprechpartner beim Mandanten nicht mehr da ist und sich beim Mandanten niemand für die Kommunikation mit der Steuerkanzlei so richtig verantwortlich fühlt.

 

Ziel sollte es jetzt sein, mit dem Mandanten zu sprechen und eine Lösung für das Problem zu finden. Das ist sicher eine Aufgabe für den Inhaber oder einen Teamleiter.

 

Orientierung an der Machbarkeit bringt es (oft) nicht

Menschen suchen sich gerne Aufgaben mit mittlerem Schwierigkeitsgrad. Dabei wird ein Zwischenziel oft zum Endziel. Es werden nicht die relevanten Probleme gelöst, sondern die, die besonders auffällig erscheinen oder für die man Lösungen zur Hand hat. Hier werden die Anstrengungen intensiviert, nicht dort, wo es wichtig ist. Das passiert besonders gerne, wenn Wünsche und Anforderungen auf einen Kanzleiinhaber einprasseln. Allzu rasch wird Mandanten oder Mitarbeitern Gehör geschenkt, die besonders laut und penetrant ihre Vorstellungen proklamieren. Der einzelne, deutliche, ernste Hinweis bleibt ungehört. Dann ist das Erstaunen groß, wenn der Steuerberater bzw. Arbeitgeber gewechselt wird. Sicherlich ist es besser, etwas zu tun, als nichts zu tun, solange man aber konkrete Ziele aufstellen kann, ist dies natürlich besser.

Implizite Probleme

Weiterhin dürfen mögliche implizite Probleme, welche bisher nicht als solche erkannt werden, nicht vernachlässigt werden. Diese tauchen erst auf, wenn andere Probleme gelöst sind. Mangelndes Wissen ist dabei selten der Grund. Eher besteht das Problem darin, dass man sich um dieses Wissen nicht bemüht. Die Lösung liegt darin, immer an die Merkmale einer Situation denken, die man nicht ändern möchte.

 

Ein typisches Problem sind organisatorische und/ oder technische Veränderungen in den Prozessen der Kanzlei. Dann kann immer wieder die Situation entstehen, dass einzelne Mitarbeiter nicht mitziehen können oder wollen, die Sorge haben, mit den Veränderungen nicht mithalten zu können und von jüngeren Kollegen überholt, ja verdrängt zu werden. Aufgrund des großen Wissensschatzes, der Fähigkeit auch komplexe Aufgaben zu lösen und den richtigen Umgang mit schwierigen Mandanten zu finden, wäre ein Ausscheiden dieser Mitarbeiter ein Verlust für die Kanzlei. Dieses Problem rechtzeitig zu sehen und die Betroffenen im wortwörtlichen Sinn „mitzunehmen“ erfolgt dadurch, dass diese nicht mit fertigen Lösungen und neuen Abläufen konfrontiert, sondern bereits bei der Entscheidungsfindung einbezogen werden, um das Projekt zu „ihrem“ zu machen.

Ziele mit Blick auf die Zukunft formulieren

Zukunftsprobleme werden häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Ein typischer Fall ist das Ausscheiden von Mitarbeitern. Hier sind sowohl das Ausscheiden in den Ruhestand, als auch eine berufliche Weiterentwicklung außerhalb der Kanzlei zu berücksichtigen. Sicherlich scheiden einige Mitarbeiter plötzlich aus, häufiger sind allerdings Hinweise, welche vorsichtig, aber nachdrücklich, vorgebracht werden. Nicht wenige Kanzleiinhaber reagieren mit Versprechungen, der Übernahme weiterer Aufgaben, vielleicht sogar dem Einstieg in die Leitung und Gehaltserhöhung. Das Problem scheint gelöst, wurde aber oft nur verdrängt und vertagt, der Betroffene kurzfristig überredet, nicht langfristig überzeugt.

 

Der Zinseszins Effekt zeigt eindrucksvoll auf, wie sich Entwicklung aus kleinen Anfängen heraus entwickeln. Das Problem ist nicht das Unwissen, sondern das Nicht-Wissen-Wollen, weil aktuelle Probleme den Blick verstellen. Die einfache Lösung liegt darin, die Entwicklung einer bestimmten Zahl mit dem Zinseszins zu berechnen oder die aktuelle Entwicklung in die Zukunft fortzuschreiben. Ob Umsätze, Gewinne oder Anzahl der Mandanten, die gängigen Tabellenkalkulationsprogramme stellen einfache Formeln zur Verfügung, die die lineare und exponentielle Entwicklung grafisch in die Zukunft fortschreiben. Soll sich hier eine andere Entwicklung ergeben, gilt es, konkrete Maßnahmen umzusetzen und nicht auf eine unbegründete Normalisierung oder Verbesserung zu setzen. So wird offensichtlich, wo aus einem Schwelbrand ein Buschfeuer werden könnte.

Neue Geschäftsmodelle für die Kanzlei

Jedoch greift eine ausschließlich defizitorientierte Sichtweise zu kuRz. Gleichermaßen kann eine Anpassung des Geschäftsmodells, die Aufnahme neuer Angebote zu interessanten Wachstumsperspektiven führen. Die rechtzeitige Antizipierung trägt dazu bei, den sprichwörtlichen Weg freizumachen und ausreichend Kapazitäten für das Wachstum bereitzustellen. Vor allem die personelle Ausstattung der Kanzlei ist dabei einzubeziehen. Oft werden Einstellungen gescheut solange es geht, um die fixen Kosten gering zu halten. Ist dies nicht mehr zu umgehen, wird der Prozess in Gang gesetzt, wobei von der Stellenausschreibung über die Einstellung, bis zur selbstverantwortlichen Übernahme von Aufgaben ein langer, manchmal zu langer Zeitraum vergeht. Dann müssen Mandanten enttäuscht werden, welche mit entsprechendem Einsatz vom Kauf einer neuen und/oder erweiterten Lösung überzeugt wurden. Die versprochene Leistung erfolgt nicht im vorgegebenen Zeitraum und mit der zugesagten Qualität. Die Folgen für das Mandat dürften jedem klar sein.

 

Weiterführende Literatur

  • So verbessern Sie Ihr Entscheidungsverhalten (Schneider/Derlath, KP 19, 41)
  • Dörner (2018), Die Logik des Misslingens. Rororo, Reinbek, S. 74 ‒ 106
Quelle: Seite 153 | ID 45751947