· Fachbeitrag · Mietkosten
Apothekenmieten: Was ist heute noch vertretbar?
von Apotheker und Unternehmensberater Dr. Reinhard Herzog, Tübingen
| Lage, Lage, Lage ‒ sie entscheidet bei Ladenmieten über das Wohl und Wehe. Was bekommt man für seine Miete außer den Räumen an sich? Welche Raumkosten können Sie sich unter welchen Voraussetzungen leisten? Wie sieht der tragbare Spielraum für die Gesamtkosten aus? AH beantwortet diese Fragen anhand von Beispielrechnungen. |
Die drei Hauptfaktoren für den Apothekenerfolg
Die drei entscheidenden Standortfaktoren sind:
- 1. Die Passantenfrequenz ‒ direkt vor der Apothekentür und nicht auf der anderen Straßenseite oder in einem nahegelegenen Center
- 2. Die im erreichbaren Einzugsgebiet der Apotheke vorhandenen Einwohnerzahlen
- 3. Das Ärzteumfeld bzw. die Ärzteanbindung
Diese drei Haupterfolgsfaktoren gilt es
- auf die Ist-Situation und die mutmaßliche künftige Entwicklung hin abzuprüfen (Demografie vor Ort, Praxisentwicklung, Zukunft der wichtigen Frequenzbringer) und
- mit der Positionierung der Apotheke abzugleichen (Lauflagen-Apotheke mit hohem Baranteil, typische Wohngebietslage oder eine starke Ärztezentrierung?).
Daran machen sich nämlich so entscheidende Kenngrößen wie Umsatz und Ertrag je Kunde oder ein entsprechender Personalaufwand fest. Im Center erlösen Sie geringere Erträge je Kunde, das Bedienen geht jedoch schneller („Taubenschlag-Apotheke“), demzufolge sollten die Personalkosten je Kunde deutlich günstiger als die durchschnittlichen rund 4,50 Euro ausfallen. Im gut bestückten (Fach-)Ärztehaus erlösen Sie in aller Regel deutlich überdurchschnittliche Erträge je Kunde (bisweilen über 15 Euro), dafür sind die Kundenfrequenzen nicht so hoch, konstante Auslastungsgrade sind schwieriger zu erzielen, Rezepte und Rezepturen sind zeitaufwendiger ‒ die Kosten je Kunde liegen also deutlich höher.
An diesen Kennzahlen entscheidet sich bereits, welche Raumkosten Sie sich leisten dürfen. Und dann kommt die nächste Klippe: Gemietet wird zu Preisen „netto kalt“. Je nach Objekt kommen aber beträchtliche Nebenkosten hinzu ‒ für Energie (abhängig von Fläche und Bauzustand) oder diverse Umlagen für Infrastruktur, Werbegemeinschaften etc. Am Ende zählen die Gesamtkosten.
Lagen und ihre Aussichten
Fachleute unterscheiden innerstädtische Zentrums- bzw. Kernlagen in den Kategorien:
- Spitzenlage („beste Lage auf der Düsseldorfer Kö“ mit über 10.000 Passanten je Stunde in den Haupteinkaufszeiten ‒ für Apotheken als Mietobjekt höchst problematisch, falls überhaupt angeboten)
- 1A-Lage (sehr gute Lage „auf der Düsseldorfer Kö“ oder in anderen hochfrequentierten Zentrumslagen, etliche 1.000 Passanten je Stunde in den Haupteinkaufszeiten)
- 1A-Edellage (oft etwas ruhigere, aber hochattraktive Nebenäste höchstfrequentierter Zentrumslagen, gern genommen für Luxusgeschäfte)
- 1B-Lage (deutlich unter 1.000 Passanten je Stunde bzw. noch schlechter)
In Großstädten ab etwa 200.000 Einwohnern lässt sich diese Kategorisierung in abgespeckter Form auf die sogenannten Nebenkerne übertragen. Nebenkerne sind die Zentren von Stadtteilen, die allein bereits die Einwohner einer größeren Stadt beherbergen. Kleinere Städte haben größenbedingt keine abgrenzbaren Nebenkerne mehr.
PRAXISTIPP | Nebenkerne sind viel günstiger und aufgrund dessen sowie der größeren Einwohnernähe für Apotheken die viel besseren Standorte. |
Dagegen sind Einkaufszentren und die kritischen Passagen anders zu bewerten ‒ hier zählen neben der Bonkundenzahl vor allem der Branchenmix und die Nähe des Mietobjekts zu den Hauptfrequenzbringern.
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Kernlage 1A | Kernlage 1B | Nebenkern 1A | Nebenkern 1B | |
Metropolen > 1 Mio. Einwohner | 100 ‒ 150 Euro (300 Euro)* | 25 ‒ 55 Euro (120 Euro)* | 12 ‒ 30 Euro (45 Euro)* | 6 ‒ 12 Euro (20 Euro)* |
„große“ Großstädte um 500.000 ‒ 750.000 Einwohner | 75 ‒ 200 Euro | 15 ‒ 50 Euro | 12 ‒ 50 Euro | i. d. R. < 15 Euro |
Großstädte < 500.000 Einwohner | 20 ‒ 100 Euro | i. d. R. < 20 Euro | 15 ‒ 40 Euro | i. d. R. < 12 Euro |
Mittelstädte > 50.000, < 100.000 Einwohner | 10 ‒ 60 Euro | i. d. R. < 15 Euro | (‒) | (‒) |
Kleinstädte < 50.000 Einwohner | i. d. R. < 30 Euro | i. d. R. < 12 Euro | (‒) | (‒) |
klassische Einkaufscenter 1 ‒ 2 Mio. Bonkunden pro Jahr | abhängig von Gemeindegröße, Einzugsgebiet, Lage im Center und konkreter Mietfläche meist 25 ‒ 45 Euro | |||
Top-Centerlagen hoch-, höchstfrequentiert > 2 Mio. Bonkunden pro Jahr | abhängig von Gemeindegröße, Einzugsgebiet, Lage im Center und konkreter Mietfläche i. d. R. > 45 Euro bis z. T. gut 100 Euro |
* Werte für München = regelhaft Spitzenwerte; Werte nach diversen publizierten Auswertungen von Immobilienunternehmen
Perspektiven
Der Immobilienboom trifft in erster Linie den städtischen Wohnraum. Vermieter von Gewerbeimmobilien wollen aber ebenfalls am Boom teilhaben, doch sie tun sich je nach Lage erheblich schwerer, hohe Mieten durchzusetzen, erst recht bei einem sich verdunkelnden Konjunkturhimmel. Vielfach ist bei den Ladenmieten der Zenit erreicht oder gar überschritten. Ursächlich ist die kritische Lage des Einzelhandels infolge der Online-Konkurrenz, aber auch durch die Restriktionen bei der Individualmobilität (drohende Fahrverbote, Parkplatzverknappung etc.). Klimaschutz- und Gesundheitsdiskussionen dürften diese Negativtrends weiter befeuern. Selbst eine gute Konsumstimmung und Kaufkraft infolge einer (noch) sehr guten Beschäftigungslage kompensieren das nicht.
MERKE | Während sich Toplagen noch knapp behaupten können, verlieren schlechtere Lagen, und das in kleineren Städten mehr als in Metropolen. Lediglich ausgewählte attraktive Städte der „zweiten Reihe“, an denen der Boom etwas vorbeigegangen ist, weisen noch ein Nachholpotenzial auf. |
Tragbare Mieten für Apotheken
Mit groben Faustregeln lässt sich der tragbare Spielraum für die Gesamt-Raumkosten eingrenzen. Folgende Werte markieren ‒ von Spezialfällen abgesehen ‒ die Obergrenzen:
- Maximal etwa 1,50 Euro je Bonkunde
- Unter 15 Prozent vom Rohertrag
- Formel: Umsatz = rund 25 mal Raumkosten
Diese Werte gilt es auf die individuelle Lage zu übertragen, da sie sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen (z. B. Kundenzahl und Umsatz). Das erhellt die Rückwärtsrechnung weiter unten in diesem Beitrag.
MERKE | Wer einen Standort mit 120.000 Euro Gesamt-Raumkosten pro Jahr angeboten bekommt, sollte sehr vorsichtig werden, wenn der Rohertrag nicht in der Gegend von 800.000 Euro bzw. der Umsatz im 3-Mio.-Euro-Bereich liegt oder eben 80.000 Kunden oder mehr jährlich verspricht ‒ vor allem auf lange Sicht über eine Anfangszeit hinaus. |
Ein Blick in andere Einzelhandelsbranchen mag die Augen weiter öffnen:
- Lebensmittelcenter bzw. Supermärkte erzielen oftmals 4.000 bis 5.000 Euro Umsatz je Quadratmeter Verkaufsfläche, bei einer Handelsspanne von 20 bis knapp 25 Prozent (Discounter haben niedrigere Spannen, dafür aber teils deutlich höhere Flächenumsätze). Großflächen über 1.000 qm werden je nach Lage zu 10 bis 17,50 Euro je qm kalt angemietet (kleinere innerstädtische Premiumlagen auch deutlich teurer), zuzüglich einigen Euro Nebenkosten. Damit resultieren Raumkosten im Bereich von 15 bis 25 Prozent vom Rohertrag.
- Der Modeschmuckhändler Bijou Brigitte weist im Geschäftsbericht stolze 80 Prozent Handelsspanne und einen überschaubaren Umsatz von 306.000 Euro je Filiale aus. 35 Prozent vom Rohertrag müssen für Personal aufgewendet werden, danach folgen bereits die Raumkosten („warm“) mit beachtlichen 19,6 Prozent vom Umsatz oder 24,5 Prozent vom Rohertrag. Das sind rund 60.000 Euro je bekanntermaßen recht kleine Filiale. Trotzdem springt noch eine Gewinnmarge (Basis: EBIT = Gewinn vor Zinsen und Steuern) von 9,8 Prozent heraus.
Zielkalkulation
Man kann den Spieß nun umdrehen und die Frage stellen: Bei gegebenen Kosten einschließlich der Raumkosten und einer bestimmten Gewinnerwartung ‒ welche Kundenzahl benötige ich dafür? Wo können diese Kunden herkommen, geben das die Passanten und die Standortfaktoren her? Tabelle 2 zeigt beispielhafte Zielkalkulationen für drei Standorte (Center, Lauflage innerstädtisch, Ärztehaus):
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Position | Center | Lauflage | Ärztehaus |
Raumkosten fix | 120.000 Euro | 180.000 Euro | 90.000 Euro |
Betriebssachkosten + Beiträge fix | 100.000 Euro | 120.000 Euro | 100.000 Euro |
Kapitalkosten fix (Zins, AfA) | 75.000 Euro | 75.000 Euro | 60.000 Euro |
Personalkosten je Kunde | 3,00 Euro | 4,00 Euro | 5,25 Euro |
Marketing je Kunde | 0,40 Euro | 0,30 Euro | 0,25 Euro |
variable Kosten (% vom Rohertrag) | 5 % | 5 % | 7,5 % |
Gewinnerwartung vor Steuer | 200.000 Euro | 200.000 Euro | 200.000 Euro |
Umsatz pro Kunde (erwartet) | 25 Euro | 30 Euro | 65 Euro |
Ertrag pro Kunde (erwartet) | 7,50 Euro | 8,50 Euro | 14 Euro |
→ Spanne netto | 30 % | 28,3 % | 21,5 % |
→ nötige Kundenzahl, gerundet | 132.900 | 152.300 | 60.400 |
→ Rohertrag | 996.750 Euro | 1.294.550 Euro | 845.600 Euro |
→ Umsatz | 3.322.500 Euro | 4.569.000 Euro | 3.926.000 Euro |
Kostenmix
Idealerweise rechnet man mit einem Mix aus
- festen Kosten (nämlich den Raumkosten und sonstigen Festkosten wie z. B. allgemeine Betriebskosten),
- spezifischen Kosten je Kunde (Personalkosten und Marketing je Kunde) sowie
- einem variablen Anteil z. B. für umsatzabhängige Beiträge, Abrechnungsgebühren etc. in geringer Höhe von ein bis zwei Prozent bzw. ertragsabhängig je nach Marge in Höhe von etwa vier bis knapp zehn Prozent.
- Dazu kommen die Kapitalkosten (Abschreibung und Zinsen, bezogen auf das jeweilige Investitionsvolumen) sowie der angestrebte Gewinn vor Steuern.
Umsatz bzw. Ertragspotenzial je Kunde
Weitere Annahmen betreffen standortabhängig das Umsatz- bzw. Ertragspotenzial je Kunde, das in Centern deutlich niedriger liegt als in Ärztehäusern. Im Schnitt werden rund 40 bis 45 Euro Umsatz je Kunde getätigt (in den neuen Bundesländern etwas mehr). Der Ertrag liegt bei um die 10 bis 12 Euro, in den neuen Bundesländern bei absolut weniger Kunden am oberen, im Westen eher am unteren Rand.
Personalkosten je Kunde
Die dominierenden Personalkosten je Kunde sind ebenfalls hochgradig standortabhängig. In Lauflagen („Taubenschlag-Apotheken“) können weniger als 3,00 Euro erzielt werden, typisch sind um 4,50 Euro. Bei hohem Beratungs- und Spezialisierungsaufwand sowie vielen aufwendigen Rezepten (Fachärztehaus) können es auch um 5,00 Euro je Kunde sein.
Formel für die erforderliche Kundenzahl
Für die Experten ist die entscheidende Formel für die erforderliche Kundenzahl bei gegebenen Fixkosten sowie spezifischen und variablen Kosten:
Kundenzahl = | Raumkosten + fixe Betriebssachkosten + Kapitalkosten + Gewinn |
(1 - x) x SRG - SK |
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132.900 ≈ | 120.000 + 100.000 + 75.000 + 200.000 |
(1 - 0,05) x 7,50 - 3,40 |
Die fixen Betriebssachkosten sind alle oben erwähnten festen Sachkosten, Beiträge, Versicherungen, aber ohne Marketingaufwendungen. Diese erfassen Sie besser spezifisch als Kosten je Kunde, wie auch die so wichtigen Personalkosten. Die Kapitalkosten setzen sich aus Zins und Abschreibungen zusammen. Im Nenner finden sich der Rohertrag je Kunde (SRG) sowie die spezifischen Kosten je Kunde (SK = Personal- und Marketingaufwendungen). x ist der ertragsabhängige Kostenanteil (meist um 5 Prozent bzw. Anteil von 0,05), mittels der erzielten Spanne aus dem Umsatzanteil leicht umzurechnen.
MERKE | Haben Sie die Kundenzahl ermittelt, können Sie aus den Annahmen für den Ertrag und Umsatz je Kunde leicht die entsprechenden Jahres-Gesamtwerte hochrechnen. Sie werden sich wundern, welch hohe Kundenzahlen gerade in teuren Frequenzlagen vonnöten sind, während eine Apotheke in einem Ärztehaus oder in der Nähe davon mit weitaus weniger Kunden laufen kann (siehe Beispiele). Spielen Sie mit den Annahmen, und schauen Sie, wie sich die Werte teils dramatisch verändern. Und fragen Sie sich immer: Wo können diese Kunden herkommen? Gibt das die Lage überhaupt her? |
Vorsicht vor Mietvertragsfallen
Abschließend sei noch auf die vielen Mietvertragsfallen hingewiesen, in die es nicht zu treten gilt: Laufzeit und Verlängerungsoptionen, die Frage der Mietdynamisierung, Rückbaupflichten bei Beendigung sowie diverse sonstige Verpflichtungen ‒ und nicht zuletzt die Person bzw. Art des Vermieters, denn im Zweifel zählen das persönliche Gespräch und die Kompromissbereitschaft.