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· Fachbeitrag · Mehr Erfolg in der Prophylaxe, Teil 2

Mit systematischem Behandlungskonzept zu „gesunden Zähnen im Knochen für immer“

von Annette Schmidt, Tutzing, und Dr. Bernd Hartmann, Münster

| Prävention (Prophylaxe) und Erhaltungstherapie sind der Schlüssel für Mundgesundheit. Es ist wissenschaftlich belegt, dass das Ziel „lebenslanger Zahn- und Knochenerhalt“ ohne Prophylaxe selten zu erreichen ist. Gleichzeitig stellen Prophylaxe-Sitzungen die Basis für die erfolgreiche Zahnmedizin dar. Hierzu bedarf es individueller Prophylaxe-Programme. |

Die Anamnese

Das Feststellen der Vorgeschichte ist in der Regel die Basis für eine fundierte Diagnose. Sie ist auch für das zahnärztliche Team relevant, um ggf. entstehende Komplikationen abschätzen zu können. Bei der allgemeinen Anamnese stehen die systemischen Erkrankungen des Patienten im Blickfeld:

 

  • Checkliste „Allgemeine Anamnese“: Hat der Patient ...
  • Diabetes mellitus - aktueller HbA1c-Wert?
  • karidovaskuläre Erkrankungen - wann?
  • akute Leukämie?
  • Thrombozytopenie?
  • Agranulozytose?
  • zyklische Netropenie?
  • Infektionskrankheiten?
  • genetische Erkrankungen?
  • Osteoporose?
  • Allergien?
  • Gerinnungsstörungen?
  • durchgemachte Krankheiten, z. B. Röteln, Masern etc.?
 

Unter die spezielle Anamnese fallen die aktuellen Beschwerden:

 

  • Checkliste „Spezielle Anamnese“
  • Aus welchem Grund ist der Patient heute gekommen?
  • Was gibt es Besonderes, Wichtiges, Beunruhigendes?
  • Welche Beschwerden (Beginn, Dauer, Lokalisation, Form)?
  • Welche zusätzliche körperliche Beeinträchtigung nimmt er wahr?
  • Was hat er bereits selbst unternommen?

Speziell zu seiner Mundgesundheitssituation sind folgende Fragen zu klären:

  • Wann hat der Patient Zahnfleischbluten, Zahnlockerungen, Zahnwanderungen, Mundgeruch, schlechten Geschmack bemerkt?
  • Bei Parodontal-Patienten: Liegen frühere Parodontal-Abszesse oder Parodontal-Behandlungen vor?
  • Bei Kariespatienten: Wann war die erste Füllung, Krone, Extraktion wegen Vollzerstörung?
 

Wie schwierig die Fragen rund um die Familien-Anamnese sind, kennen Sie alle: Wer hat(te) welche parodontalen Erkrankungen in der Familie? Was wissen Sie über Ihre Eltern, Geschwister: Wie lange waren sie voll bezahnt? Welche Erbkrankheiten sind bekannt?

 

Auch spezielle Aspekte wie Medikamenteneinnahme, Drogenmissbrauch, Rauchen, Alkoholabusus, Schwangerschaft oder Behinderungen sind für die Anamnese bedeutsam - allerdings wegen der Sensibilität dieser Themen nicht immer ohne Weiteres oder nur mit „viel Fingerspitzengefühl“ ermittelbar.

Klarheit schaffen - Befunde erheben

Auf Basis der fundierten Anamnese erfolgt die Diagnostik. Oft empfehlen sich Röntgenbilder, auch wenn dies wegen der Strahlenbelastung zu Diskussionen mit dem Patienten führen kann. Sie erkennen neben der parodontalen Situation auch den Zustand der zahnärztlichen Versorgung, die Interdentalräume, Karies-Rezidive und Sekundär-Karies. Klar ist aber auch, dass ein Röntgenbild der „Blick in den Rückspiegel“ ist. Er stellt ausschließlich abgelaufene Prozesse dar.

 

PRAXISHINWEIS | Dokumentieren Sie die Mundsituationen. Manchmal empfiehlt sich auch eine Dokumentation für den Patienten mit Fotos, die mit dessen Smartphone erstellt werden.

 

Step 1: PSI erheben

Seit 2004 hat der Parodontale Screening Index (PSI) den CPITN abgelöst. Mit dessen Erhebung können Patienten mit akzeptablem Zeitaufwand in reine Prophylaxe-Patienten und in Parodontitis-Prophylaxe-Patienten (mit integrierter bzw. gewesener PAR-Therapie) eingeteilt werden. Erstere benötigen vorwiegend Supra-Prophylaxe (= Karies- und Gingivitis-Prophylaxe), letztere Sub- und Supra-Prophylaxe.

 

Step 2: Befundung der Weichteile - extra- und intraoral

Mit dem Schleimhaut-Screening entdecken Sie ggf. Pilzinfektionen, virale Infektionen und Manifestationen systemischer Bedingungen (z. B. Lichen planus, Pemphigus vulgaris, allergische Reaktionen). Lassen Sie Ihre Augen über die Schleimhäute des harten und weichen Gaumens, der Wangen, über die Zunge, Zungenrücken/-seiten sowie den Mundboden und -vorhof schweifen. Ideal ist es, wenn diese weitere Diagnostik vom Zahnarzt und der spezialisierten ZMP, ZMF oder DH gemeinsam erhoben wird: Vier Augen sehen mehr.

 

Weitere wichtige Bausteine einer individuellen und professionellen Sitzung sind die Gingivabeurteilung (gingivale Erkrankungen ausgelöst durch spezifische Bakterien, Traumen, Fremdkörper-Reaktionen), die Kontrolle des Frenulum, die Halitosis-Beurteilung und die Speichelfließrate.

 

  • Bestandteile einer Befundung extra-oral: Farbe, Gesichtshaut, Durchblutung, Lymphknoten, Schwellung, Narben, Mundöffnung, Kaumuskulatur, Asymmetrien im Kopf-/Gesichtsbereich.
  • Bestandteile einer Befundung intra-oral: Wange, Rachen/Gaumen, Mundboden, Zunge, Piercing, Speichel, Rauchen, Gingiva, Schleimhautveränderungen, Zahnfleischbluten, Sensibilitäten.

 

Step 3: Blutungs-Indizes

Die Blutung der Gingiva ist das wichtigste Merkmal einer beginnenden Entzündung (= Gingivitis). Zwei Indizes (PBI und SBI) geben die deckungsgleiche Auskunft über den Gesundheitsgrad der Gingiva. Sie „erzählen“ die Wahrheit über die letzten Wochen Mundhygiene des Patienten: Hat er ausschließlich heute Mundhygiene betrieben oder macht er das dauerhaft?

 

MERKE | „Rot schlägt Weiß!“ Die Blutungs-Indizes sind die wichtigeren.

 

Step 4: Plaque-Indizes

Abwechslungen empfehlen sich: Nehmen Sie einmal den Luftbläser und trocknen Sie in der UK- oder OK-Front die Plaque: Da sie dadurch weißer und rau wird, erkennt und spürt der Patient die Beläge.

 

Eine weitere Möglichkeit ist, mit einer Zahnbürste, bei der die vorderen Borsten blau eingefärbt sind, auf den Glattflächen des Patienten zu putzen und ihm die Plaque auf den blauen Borstenspitzen zu zeigen. Alternativ können Sie auch Interdentalbürsten mit schwarz-weißen Borsten verwenden. Weiterhin ist das gezielte Anfärben von einigen Zahnflächen eine gute Möglichkeit, die IST-Situation im Mund hervorzuheben.

 

PRAXISHINWEIS | Die Dokumentation der Befundung ist das A und O: Verzetteln Sie sich nicht. Teilen Sie dem Patienten einfach und gezielt mit, ob er aufgrund seiner Mundhygiene in den Gesundheits- oder in den Risikobereich eingeteilt wird.

 

Bakterien-Reduktion-Mundhöhle

Um die Bakterien im Aerosol zu reduzieren, spült der Patient mit einer antimikrobiellen Lösung: CHX 0,2 %, Meridol oder Listerine. Nebeneffekt: Der Patient fühlt sich wohl, hat einen frischen und feuchten Mund.

Mundreinigungsprogramm = PZR - Depuration

Was ist bei der Depuration zu beachten? Einige Anamnese-Befunde schließen bestimmte „Reinigungs“-Maßnahmen aus. Individuelle Oberflächen (Schmelz oder Dentin, Gold oder Keramik, Implantate …) verlangen angepasstes Arbeiten: Ihr fundiertes Wissen und Können ist gefragt, um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Infrage kommt der Einsatz von:

 

  • Schall- und/oder Ultraschallgeräte: Welcher Schall- oder Ultraschallscaler ist in der Praxis? Sind die Arbeitsspitzen zu gebrauchen?
  • Handscaling: Welches Instrument benötige ich? Scaler - Universal, Front-, Molaren-, Kürette - Universal, Front-, Molaren, Spezialkürette …
  • LPW: Passendes Pulver zur Befundung (Bikarbonat, Glycin, Erythritol).
  • Polituren: Entfernung von exogenen Verfärbungen bzw. Oberflächenverdichtung.

 

PRAXISHINWEIS | Oberstes Gebot ist auch hier: Schonen Sie das Hart- und Weichgewebe. Gehen Sie minimal-invasiv vor! Und vermeiden Sie Überbehandlung - auch das kommt vor.

 

Je nach Patienten sind auch die technischen Hilfsmittel differenziert zu empfehlen und zu verwenden.

 

Je nach Befundung (Aerobier/Anaerobier) werden Wirkstoff-Kombinationen (CHX, Sauerstoff, Antibiose, Jod, PDT …) eingesetzt, um Bakterien zu eliminieren.

Fluoridierung

Der Fluorideinsatz gehört zur Basisprophylaxe. Sie müssen entscheiden, welche Konzentrationen, welches Produkt und welche Art der Darreichung erfolgen soll: ein Lack, ein Fluid, ein Schaum oder ein hochdosiertes Gelée?

 

PRAXISHINWEIS | Bedenken Sie: Der letzte Eindruck bleibt! Suchen Sie auch das Fluorid so aus, dass der Patient strahlend, mit unempfindlichen Zähnen sowie mit einem glatten Mundgefühl die Praxis verlässt.

 

Das Gesundheitsgespräch

Am Ende der Prophylaxe gilt es, den Patienten über seinen aktuellen Mundgesundheitszustand aufzuklären. Der Patient muss (!) verstehen, wo er steht und was das gemeinsame Ziel der Prophylaxe ist. Nur so können Sie einen Patienten dauerhaft in die Prophylaxe der Praxis einbinden.

 

FAZIT | Jeder Patient ist anders - „Einheitsprophylaxe“ führt nicht zum Ziel. Je nach Befund und Bedürfnis des Patienten ist die inhaltliche Ausrichtung der Prophylaxe zu verstehen. Demnach ist es ein Unterschied, ob wir einen Jugendlichen, eine Schwangere oder einen Patienten mit Implantaten, einer Parodontitis oder verschiedenen Zahnersatzarten etc. behandeln. Zudem ist die aktuelle Anamnese ausschlaggebend dafür, welche Reinigungsmaßnahmen bzw. Wirkstoffe zu verwenden sind. Oft liegt gerade bei 50-Plus-Patienten eine „Patchwork-Situation“ im Mund vor: ein oder mehrere Implantate, unterschiedlicher Zahnersatz, Parodontitis-Probleme und z. B. ein schlecht eingestellter Diabetes.

Also: Raus aus der Routine - INDIVIDUELLE LÖSUNGEN, nicht fixe REZEPTE sind gefragt!

 

Weiterführende Hinweise

  • Im nächsten Beitrag erfahren Sie, wie Sie den inhaltlichen und auch wirtschaftlichen Erfolg der Prophylaxe messen können.
Quelle: Seite 13 | ID 43803527