HINWEIS:

Aktuell sind wir wegen einer technischen Störung telefonisch nicht erreichbar.

Bei Fragen zu den IWW-Webinaren schicken Sie uns bitte eine E-Mail an seminare@iww.de.

Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Lohn und Entschädigungen

Coronavirus, Grippe und Co. ‒ in welchen Fällen trägt der Apothekeninhaber die Folgekosten?

von Dr. Guido Mareck, Stellvertretender Direktor Arbeitsgericht Dortmund

| Viren können die Arbeitswelt massiv beeinflussen ‒ das zeigen die jüngst durch das Coronavirus entstandenen aktuellen Entwicklungen. Unabhängig davon, ob tatsächlich eine Infektion ausgebrochen ist oder nur ein entsprechender Verdacht besteht, können die Auswirkungen erheblich sein. AH zeigt anhand von fünf Fällen, ob und wie die (finanzielle) Risikosphäre des Apothekers als Arbeitgeber oder die des Arbeitnehmers berührt ist. Betrachtet wird, ob ein Mitarbeiter oder der Apothekeninhaber erkrankt, ob ein Familienmitglied betroffen ist oder ob die Apotheke sogar schließen muss. |

1. Fall: Der Mitarbeiter ist krank oder infiziert

Kranke Arbeitnehmer haben nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EFZG) für die Dauer von bis zu sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts. Voraussetzung dieses Anspruchs ist in erster Linie, dass eine „unverschuldete Krankheit“ vorliegt, die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist.

 

MERKE | Als Krankheit i. S. des EFZG definiert das Bundesarbeitsgericht (BAG) jeden regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand, unabhängig davon, auf welcher Ursache dieser beruht (Urteil vom 07.12.05, Az. 5 AZR 228/05, dejure.org). Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung festgestellt ist, für sechs Wochen einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat, egal ob diese Erkrankung nun auf dem Corona-, einem anderen Virus oder einer anderen Krankheit beruht.

 

Im Krankheitsfall gelten für den Arbeitnehmer die gesetzlichen (oder individualvertraglich modifizierten) Anzeige- und Nachweispflichten nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 EFZG. Danach ist er verpflichtet, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen, also möglichst schon vor Arbeits- oder Schichtbeginn. Bei einer länger als drei Werktage dauernden Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorlegen.

2. Fall: Der Mitarbeiter steht unter Quarantäne

Anders sieht die Rechtslage hingegen aus, wenn der Arbeitnehmer nicht krank, aber von der Anordnung einer Quarantäne i. S. von § 30 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) betroffen ist. Hier richtet sich die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nicht nach dem EFZG. Denn die gesundheitsbehördliche Anordnung einer Quarantäne per se stellt keine Krankheit nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG dar und ist dieser auch nicht gleichzusetzen.

 

Vielmehr hilft dem betroffenen Arbeitnehmer in diesem Fall die Regelung des § 616 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 30 IfSG weiter. Danach verliert der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber nicht dadurch, „dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert wird“ (Richtschnur: fünf Arbeitstage). Eine solche Verhinderung und damit ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber ist bei einem Tätigkeitsverbot aufgrund von behördlichen Maßnahmen nach dem IfSG gegeben (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.11.1978, Az. III ZR 43/77, dejure.org). Der Arbeitgeber muss weiterzahlen.

 

PRAXISTIPP | Nach Ablauf der von § 616 Abs. 1 S. 1 BGB abgedeckten fünf Arbeitstage muss der Arbeitgeber bei behördlicher Anordnung der Quarantäne oder eines sonstigen Verbots der Ausübung der Erwerbstätigkeit nach § 56 Abs. 5 IfSG längstens bis zum Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums weiter Entgeltfortzahlung in Höhe des Verdienstausfalls an den betroffenen Arbeitnehmer leisten. Diese Zahlungen erbringt er aber „für die zuständige Behörde“ und hat daher dieser gegenüber auf Antrag nach § 56 Abs. 5 S. 2 IfSG einen Erstattungsanspruch in dieser Höhe.

 

3. Fall: Der Apothekeninhaber ist krank oder infiziert

Bei Quarantänemaßnahmen oder Infektionen, die Apothekeninhaber treffen, weil von ihnen eine Ansteckungsgefahr ausgeht, richten sich etwaige Erstattungsansprüche auf Verdienstausfall schon begrifflich nicht nach dem EFZG. Denn dieses regelt die Entgeltfortzahlung von Arbeitern, Angestellten und Auszubildenden. Apothekeninhabern aber fehlt die Arbeitnehmereigenschaft.

 

Jedoch kann einem Apothekeninhaber in einem engen Anwendungsbereich § 56 IfSG weiterhelfen. Demnach kann ihm eine Entschädigung in Geld unter der Voraussetzung zustehen, dass er von der Anordnung eines gesundheitsbehördlichen Beschäftigungsverbots (z. B. wegen Verdacht auf Infektion mit dem Coronavirus) betroffen ist. Darüber hinaus muss er binnen einer Frist von drei Monaten nach Anordnung des Beschäftigungsverbots einen Antrag auf Entschädigung in Geld bei der anordnenden Gesundheitsbehörde stellen.

4. Fall: Die Apotheke schließt ihre Pforten

Stellt die Apotheke ihre Tätigkeit ein, weil sie z. B. in einer Region liegt, die in besonderer Weise von einer Epidemie betroffen ist, sind folgende Fallkonstellationen im Hinblick auf den Entgeltfortzahlungsanspruch der Mitarbeiter zu unterscheiden:

 

  • Schließt der Inhaber die Apotheke aus eigenem Antrieb, beispielsweise um seine Belegschaft zu schützen, trägt er nach den Grundsätzen der sogenannten Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko. Dies gilt auch, wenn die Störung ‒ wie im Fall des Coronavirus ‒ nicht aus einer von ihm beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt (BAG, Urteil vom 09.07.2008, Az. 5 AZR 810/07, Abruf-Nr. 082380). Er muss also den Lohn weiterzahlen.

 

  • Anders sieht es aus, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde und nicht der Inhaber die Schließung der Apotheke anordnet. Hier bleibt es bei einer gesetzlichen Risikoverteilung nach § 275 und § 326 Abs. 1 BGB: Der Mitarbeiter wird zwar von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, verliert aber auch seinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Hier hilft dem Arbeitnehmer wiederum § 616 S. 1 BGB in Verbindung mit den Maßnahmen auf der Grundlage des IfSG weiter, wenn solche von der zuständigen Behörde angeordnet sind und auch die jeweilige Apotheke betreffen.

 

Ordnet ein Apothekeninhaber an, dass einzelne Mitarbeiter der Apotheke fernzubleiben haben, die aus einer von einer aktuellen Epidemie besonders betroffenen Region kommen, tut er dies bezüglich der Entgeltfortzahlung nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre auf eigene Kosten. Er muss den Arbeitslohn also weiterzahlen, weil er das Betriebs- bzw. Unternehmerrisiko trägt. Sollte ein von einer solchen Anordnung betroffener Arbeitnehmer tatsächlich erkranken und infolge dieser Erkrankung arbeitsunfähig sein, steht diesem selbstverständlich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG zu. Dies gilt unabhängig davon, ob die Erkrankung auf dem Virus, das die Aufregung verursacht hat, beruht oder nicht.

5. Fall: Das Kind ist krank oder infiziert

Bei einer Erkrankung des eigenen Kindes ‒ Virus hin, Virus her ‒ gelten keine Besonderheiten. D. h.: Arbeitnehmer haben nach § 45 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung von bis zu 10 Arbeitstagen im Kalenderjahr (für Alleinerziehende: 20 Arbeitstage) je Kind. Dieser Anspruch darf arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, ist aber ausgeschlossen, wenn eine andere im Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen kann. Für die Vergütung dieser Freistellungszeiten greift ebenfalls § 616 S. 1 BGB ein. Somit besteht nach überwiegend vertretener Auffassung für fünf Arbeitstage ein Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Pflege des erkrankten Kindes; nach diesem Zeitraum hat ggf. die Krankenkasse Krankengeld zu gewähren.

 

Auch wenn die Kindertagesstätte bei einer Epidemiewarnung schließt und eine anderweitige Betreuung des Kindes im Einzelfall nicht möglich ist, kann unter Umständen für einen „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum“ (ca. fünf Tage) ein Anspruch gegen den Arbeitgeber aus § 616 S. 1 BGB bestehen. Im eigenen Interesse ist dem Arbeitnehmer hier aber zu raten, so frühzeitig wie möglich das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, um eine einvernehmliche, für beide Seiten angemessene, Regelung herbeizuführen.

 

FAZIT | Die Situation bei Warnungen aufgrund von Virusepidemien ist für Arbeitgeber und -nehmer generell nicht einfach. Für den Mitarbeiter bleibt festzuhalten, dass er weder bei vom Apothekeninhaber noch bei von den zuständigen Gesundheitsbehörden angeordneten Betriebsschließungen um seinen Entgeltanspruch bangen muss. Anders sieht die Situation nur aus, wenn er selbst sich entschließt (beispielsweise aus Sorge um die eigene Gesundheit), ohne entsprechende Anordnungen der Behörde oder des Arbeitgebers der Arbeit fernzubleiben. Ohne einverständlichen Einsatz von Erholungsurlaub tut er dies dann auf eigenes Risiko.

 
Quelle: Seite 11 | ID 46403403