Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Kosten- und Leistungsrechnung

Pricing statt cost cutting

von StB WP Dr. Claus Koss, Regensburg

| „Preisoptimierung statt Kostenreduzierung“ lautet eine einfache, aber effektive Strategie, um den Gewinn zu maximieren. Denn viele Unternehmen können ihre Kosten nicht weiter senken. Wer da nicht auf die Absatzpreise schaut, ist der Kostenschraube ausgeliefert. Dieser Beitrag zeigt, wie Preisoptimierung funktioniert und welche Marketinginstrumente besonders gut wirken. |

1. Die Grundgleichung der Betriebswirtschaft

Die Grundgleichung der Betriebswirte ist ganz einfach: G = E ‒ K, in Worten Gewinn ist gleich Erlöse minus Kosten.

 

Für die betriebswirtschaftliche Analyse braucht es dann doch etwas mehr Differenzierung:

 

Gewinn =

G =

G(x) =

G(x)

Gewinn =

Erlöse

E

E(x)

x × e

Abgesetzte Stücke mal Stückerlös

minus Kosten

K

K(x)

kv × x

minus variable Kosten

KF

minus Fixkosten

 

Für viele beginnt die Gewinnmaximierung jedoch erst am Ende der Formel: beim Kostendrücken, englisch: cost cutting. Dahinter steckt eine typische Discount-Mentalität: Je geringer die Kosten, desto günstiger der Angebotspreis, desto mehr Nachfrage nach den Produkten. Diese „Strategie des billigen Jakobs“ stößt jedoch an natürliche Grenzen. Entweder gehen die niedrigeren Stückkosten zulasten der Qualität oder lassen sich nicht weiter senken. Außerdem verführt eine Preissenkung nach der anderen die Konsumenten dazu, auf die nächste Senkung der Angebotspreise zu warten und entweder nicht oder erst nach entsprechenden Rabattaktionen zu kaufen. Die Volkswirte nennen das dann Deflation.

2. Preis-Differenzierungsstrategie

Fortgeschrittene Betriebswirte setzen dagegen am Anfang der Formel an: dem Angebotspreis (englisch: pricing). Der US-amerikanische Management-Dozent Rafi Mohammed hat dazu einige Merkmale zusammengestellt und diesen unterschiedliche Ausprägungen in den Kategorien gut ‒ besser ‒ am besten zugeordnet (Harvard Business Manager, November 2018).

 

Diese Preis-Differenzierungsstrategien lassen sich auch in Deutschland gut umsetzen:

 

  • Menge
  • In die Kategorie „gut“ wird eine geringe Differenzierung nach der Menge angesehen. Am besten ist es, eine Differenzierung bis zu einer unbegrenzten Nutzerzahl durchzuführen. So ist bei den meisten Streamingdiensten (z. B. Netflix) das Einstiegsangebot mit wenigen Nutzern auch das preislich günstigste, die Preise steigen aber nicht proportional zur Anzahl der Nutzer. Dadurch wird vermieden, dass sich einer ein Konto freischalten lässt, alle anderen mit schauen, dies aber zu unterschiedlichen Zeiten tun müssten. Weil die Mit-Nutzer in der Regel zur gleichen Zeit schauen wollen, schöpft der Anbieter den höheren Umsatz ab. Andererseits sind die Preis-Sprünge nicht so, dass die Kunden die paar EUR mehr nicht zahlen würden.

 

  • Service
  • Hier lässt sich zwischen einem (billigeren) Basis-Angebot und einem höherpreisigen Premium-Angebot differenzieren. Diese Differenzierung muss sich aber auch durchsetzen lassen. Die Kosten pro Stück sind beispielsweise bei einer Bahnfahrt gleich, egal, ob der Passagier in der ersten oder zweiten Klasse sitzt. Den höheren Preis versucht die Bahn durch eine Differenzierung im Service zu rechtfertigen. So werden Passagiere in der ersten Klasse am Platz bedient und erhalten eine kostenlose Tageszeitung. Auch ist bei Fahrkarten der ersten Klasse die Reservierung kostenlos. Nicht durchsetzen ließ sich eine Differenzierung durch ein kostenfreies WLAN, das es jetzt für alle Bahnpassagiere gibt.

 

  • Übertragen auf andere Dienstleistungen: Beim Friseurservice „Premium“ werden Kunden beispielsweise von zu Hause abgeholt und erhalten kostenlos Getränke, während der Standard-Haarschnitt ohne den Zusatzservice bleibt.

 

  • Erlebnis
  • Wer mehr für das Ticket bezahlt, bekommt ein zusätzliches Erlebnis. So bietet die Band Earth, Wind & Fire ein „Fantasy“-Paket an. Bei diesem können Konzertbesucher die Musiker persönlich treffen und sich mit ihnen fotografieren lassen. Bei Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs ist diese Differenzierung zwar schwierig umzusetzen, aber nicht unmöglich. Bei Gaststätten wäre beispielsweise an das besondere Essen zu denken („Candlelight“-Dinner), bei denen der Chefkoch höchstpersönlich die Speisen am Tisch zubereitet.

 

  • Zeit
  • Eintrittskarten müssen nicht immer gleich viel kosten. So gibt es beispielsweise bei Freizeitparks zwei Kategorien von Dauerkarten: solche, die unbegrenzt gültig sind und solche, die zwar weniger Kosten, aber nur während der Woche gültig sind. Auch kosten die meisten Zimmer in der Nebensaison oder Fahrkarten außerhalb des Berufsverkehrs weniger.
  •  
  • Auch hier gilt: Eine Differenzierung muss auch durchgesetzt werden. Wenn beispielsweise das verbilligte Nahverkehrsticket ohne Beanstandungen auch kurz vor 9:00 Uhr genutzt werden kann, werden die Passagiere nicht bereit sein, teure Tickets zu kaufen.

 

  • Wartezeit
  • US-amerikanische Krankenhäuser bieten einen Service, bei dem Patienten sieben Tage die Woche rund um die Uhr telefonisch einen Arzt erreichen können. In Deutschland gibt es einen solchen Dienst „unter der Hand“, wonach Privatpatienten in der Regel schneller einen Termin bekommen als Kassenpatienten. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert der Eil-Service bei Software-Anbietern, bei Freizeitparks oder Museen, bei denen sich Warteschlangen durch Zahlung einer Zusatzgebühr vermeiden lassen. Bei Handwerkern lässt sich eine solche Preisdifferenzierung ebenfalls umsetzen, z. B. der (teurere) Entstörungsservice rund um die Uhr bzw. der Wartungsvertrag mit keiner bestimmten Reaktionszeit.

 

  • Geschwindigkeit
  • Bei den meisten Paket-Dienstleistern kann zwischen Zustellung am nächsten Tag oder mit Standard-Lieferzeit gewählt werden. So etwas könnte aber auch bei einem Lieferservice (Pizzadienst) funktionieren.

 

  • Marke
  • Da Konsumenten bereit sind, für Markenartikel mehr zu bezahlen als für Discount-Ware, lassen sich Preise nach Marke und No-Name-Produkten differenzieren. Die Eigenmarken der großen Handelsketten funktionieren nach diesem Prinzip. Schwierig wird diese Differenzierung, wenn die Konsumenten den Zusammenhang durchschauen. In der Region Regensburg wurde beispielsweise der Fall des süßen Senfs aus einer traditionsreichen Senffabrik bekannt. Die lokale Tageszeitung berichtete, dass es den qualitativ hochwertigen Senf auch zur Hälfte des Preises im Discounter gab.

 

  • Garantie
  • Auch die Dauer und der Umfang der Garantie kann eine Preisdifferenzierung rechtfertigen. So bieten Kfz-Händler zusätzliche Garantien gegen die Zahlung einer zusätzlichen Prämie.

 

  • Zahl der Einschränkungen
  • Fluggesellschaften nutzen diese Möglichkeit der Differenzierung. So sind die billigsten Tickets ohne Rückerstattungsmöglichkeit und ohne Sitzplatzreservierung ausgestattet. Auch müssen ‒ am anderen Ende der Skala ‒ Premium-Kunden keine Zusatzgebühren für Gepäckstücke entrichten.

 

  • Beziehung
  • Friseure könnten beispielsweise danach differenzieren, ob der Haarschnitt immer vom gleichen oder von einem beliebigen Mitarbeiter („wer gerade Zeit hat“) durchgeführt wird. Für Stammkunden könnte beispielsweise ein Blick hinter die Kulissen (nicht unbedingt beim Friseur, aber vielleicht im Restaurant) oder zusätzliche Angebote für eine Preisdifferenzierung sorgen.

 

  • Sicherheit
  • Einige Energieversorger bieten länger laufende Verträge mit einer Preisgarantie (ohne gesetzliche Zuschläge) an. In den USA sind solche Verträge auch bei anderen Energielieferanten (zum Beispiel für Heizöl) verbreitet. Gegen einen Aufpreis wird ein bestimmter Preis für eine bestimmte Zeit garantiert; ohne Aufpreis muss jeweils der Marktpreis bezahlt werden.

 

  • Flexibilität
  • Medienunternehmen verkaufen beispielsweise 85 % ihrer Werbeplätze im Voraus. Der Rest ist für Kunden reserviert, die für eine kurzfristige Verfügbarkeit einen Aufpreis zu zahlen bereit sind. Zu denken ist hierbei beispielsweise an saisonabhängige Artikel.

 

  • Kompetenzniveau
  • Bei Handwerkern ist es üblich, zwischen der Meisterstunde und der Gesellenstunde zu differenzieren. Früher war dies auch bei Friseuren verbreitet. Wer sich vom Friseurmeister die Haare schneiden ließ, musste mehr bezahlen. Immer noch weit verbreitet ist ein Nachlass, wenn sich Lehrlinge am jeweiligen Kopf versuchen dürfen.

3. Schlussbetrachtung

„Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen“, wird dem Porzellanunternehmer Philip Rosenthal zugeschrieben, „wer immer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.“

 

Die betriebswirtschaftliche Wahrheit ist zweigeteilt:

 

1. Die Differenz zwischen Umsatz und Kosten macht den Gewinn;

2. Ein Unternehmen braucht Liquidität zum Überleben.

 

Die Firmengeschichte der Rosenthal AG (Selb) zeigt alle Punkte: für die kreativen Porzellanschöpfungen von Rosenthal sind die Kunden bereit, mehr zu zahlen, aber auch nicht beliebig viel. Bei ausbleibender Liquidität nützt auch die schönste Kreativität nichts mehr für Unternehmen. Die Rosenthal AG und Philipp Rosenthal an der Spitze waren hochgelobt für ihr Produktdesign. Das Unternehmen war im Konzernverbund mit Waterford Wedgwood Weltmarktführer für hochwertiges Porzellan und Glas. Das Unternehmen in Selb musste 2009 in Folge der Insolvenz des Mutterunternehmens Insolvenzantrag stellen und hat bei Weitem nicht mehr die Bedeutung, die es früher hatte.

 

FAZIT | Gewinnsteigerung durch Preisdifferenzierung ist ein schwieriges Geschäft, weil es Fingerspitzengefühl und Konfliktbereitschaft erfordert. Bei der Minimierung der Kosten ist das grundsätzlich anders, weil hier das Unternehmen selber den meisten Einfluss hat.

 

Der Erfolg der Internethändler zeigt jedoch, wie erfolgreich Preisdifferenzierungen sein können. Denn im Internet geht die Differenzierung soweit, dass der Händler erkennt, von welchem Gerät oder mit welchem Betriebssystem bestellt wird. So werden Bestellungen von hochpreisigen Computern oder Mobilfunkgeräten tendenziell mit einem höheren Angebotspreis angeboten. Kunden, die ältere Betriebssysteme verwenden, werden dagegen als eher preisbewusst eingeschätzt. Ihnen werden die Premium-Produkte möglicherweise erst am Schluss der Liste angeboten. Bekannt wurde auch der Fall eines Großhändlers, der sämtliche Preisschilder auf elektronische Preisschilder umstellte. Dadurch war es möglich, tagesaktuelle Preise am Regal und in der Kasse einzupflegen.

 

Der Vorteil einer verbesserten Preisgestaltung: Was der Kunde mehr zahlt, muss bei den Kosten nicht eingespart werden.

 
Quelle: Seite 159 | ID 45753762