· Fachbeitrag · Kindesunterhalt
Update UVG: Diese Neuerungen müssen Sie kennen
von RiOLG Andreas Kohlenberg, Celle
| Mit dem Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften vom 14.8.17 (BGBl. I 17, 3122, 3153) hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -auffüllleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz ‒ UVG) vom 23.7.79 (BGBl. I 79, 1184) rückwirkend zum 1.7.17 geändert. Der Beitrag zeigt die wesentlichen Änderungen. |
1. Berechtigte/Dauer der Unterhaltsleistung (§§ 1, 3 UVG)
Die Unterhaltsvorschussleistung nach dem UVG stellt eine einkommensunabhängige finanzielle Hilfe für alleinerziehende Elternteile und ihre im selben Haushalt lebenden Kinder dar. Der Alleinerziehende, der neben der Betreuung des Kindes auch noch den Ausfall des Barunterhalts durch den anderen Teil kompensieren muss, wird so finanziell abgesichert. Unerheblich ist, warum der andere keinen Unterhalt zahlt (wie etwa Leistungsunfähigkeit, bloße Zahlungsunwilligkeit oder bewusste Unterhaltspflichtverletzung).
Der vom Elternteil, bei dem das berechtigte Kind lebt, oder vom gesetzlichen Vertreter des Berechtigten zu stellende schriftliche Antrag auf Leistung nach dem UVG ist an die örtlich zuständige Unterhaltsvorschusskasse zu richten, § 9 Abs. 1 S. 1, 2 UVG.
PRAXISHINWEIS | Antragsformulare der zuständigen Stellen finden sich z. T. auch im Internet. |
a) Erhöhung der Altersgrenze/Wegfall der Höchstbezugsdauer
Nach der bis zum 30.6.17 geltenden Rechtslage konnten Alleinerziehende Unterhaltsvorschussleistungen bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres des Kindes erhalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG a. F.), jedoch längstens für 72 Monate, § 3 S. 1 UVG a. F. § 1 Abs. 1a UVG n. F. hebt die Altersgrenze für Kinder nun an auf die Vollendung des 18. Lebensjahres, d. h. der Anspruch endet nun spätestens am Ende des Tages vor dem 18. Geburtstag. Im letzten Bezugsmonat ist der Anspruch daher zeitanteilig zu berechnen, § 2 Abs. 1 S. 3 UVG. Dadurch, dass § 3 UVG a. F. gestrichen wurde, ist die Befristung der Unterhaltsvorschussleistung auf längstens 72 Monate weggefallen.
b) Einschränkungen
Der Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen für Kinder zwischen dem 12. und dem 18. Lebensjahr unterliegt jedoch Einschränkungen, um in diesem Zeitraum einen längeren gleichzeitigen Bezug von Unterhaltsvorschuss und Sozialleistungen nach dem SGB II zu vermeiden.
aa) Kein Leistungsbezug nach dem SGB II
Gem. § 1 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 UVG n.F. besteht Anspruch auf Unterhaltsleistung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes, wenn
- das Kind keine Leistungen nach dem SGB II bezieht (§ 1 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 Alt. 1 UVG n.F.), d. h. seinen Lebensunterhalt unabhängig von Leistungen nach dem SGB II bestreiten kann, oder
- durch die Unterhaltsleistung, d. h. den Bezug von Unterhaltsvorschuss, die Hilfebedürftigkeit des Kindes nach § 9 SGB II vermieden werden kann, § 1 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 Alt. 2 UVG n.F.
Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn für den gesamten Haushalt keine Hilfebedürftigkeit besteht oder das Kind durch eigenes Einkommen, wozu auch der Unterhaltsvorschuss zählt, oder Vermögen seinen Bedarf i. S. d. SGB II selbst decken kann. Fallen etwa nur geringe oder keine Wohnkosten an, kann durch die Unterhaltsvorschussleistung und das Kindergeld die Hilfebedürftigkeit i. S. d. SGB II i. d. R. vermieden werden (Bömelburg, FamRB 17, 266, 271).
bb) Bruttoeinkommen des Alleinerziehenden von 600 EUR monatlich
Alternativ zu § 1 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 UVG n.F. besteht gem. § 1 Abs. 1a S. 1 Nr. 2 UVG n. F. Anspruch auf Unterhaltsleistung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes, wenn der alleinerziehende Elternteil mit Ausnahme des Kindergeldes über Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II (hierzu zählen neben dem Erwerbseinkommen u. a. auch Arbeitslosengeld, Unfallrenten sowie Renten wegen Erwerbsminderung) i. H. v. mindestens 600 EUR verfügt, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind. Dabei stellt die Verweisung auf das Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sicher, dass nicht zu berücksichtigendes Einkommen i. S. d. § 11a SGB II (insbesondere BVG-Renten, Pflegegelder für bis zu zwei Kinder) auch unberücksichtigt bleibt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass für Kinder über zwölf Jahre neben den Leistungen nach dem SGB II auch Unterhaltsvorschuss bezogen werden kann.
Um die Voraussetzungen des Bezugs von Unterhaltsvorschussleistungen überprüfen zu können, regelt § 1 Abs. 1a S. 2 UVG n.F., dass der aktuelle Bewilligungsbescheid von Leistungen nach dem SGB II vorzulegen ist, sodass beide Leistungsträger (Jobcenter und Unterhaltsvorschusskasse) auf identischer Grundlage entscheiden. Werden UVG-Leistungen beantragt, ist nur der aktuelle Bescheid des Jobcenters vorzulegen. Ob dieser nur vorläufig ist oder ob dagegen Widerspruch eingelegt wurde, ist unbeachtlich. Denn selbst nachträgliche Änderungen des SGB II-Bescheids wirken sich nicht auf die Entscheidung über den Unterhaltsvorschuss aus.
Der Antragsteller muss die Bezugsvoraussetzungen bei Vollendung des zwölften Lebensjahres des Kindes nachweisen oder, bei späterer Antragstellung, zu diesem Zeitpunkt sowie im Rahmen der späteren Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen jährlich. Begehrt ein Elternteil Leistungen für mehrere Kinder, sind die o. g. Nachweise für jedes Kind einzeln zu führen.
Ergibt die Überprüfung, dass die Voraussetzungen für die fortgesetzte Zahlung des Unterhaltsvorschusses nach Vollendung des zwölften Lebensjahres des Kindes nicht vorliegen, wird die Bewilligung zum Ablauf des Tages aufgehoben, an dem das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet. Ein späterer Antrag ist abzulehnen, wenn die o. g. Bewilligungsvoraussetzungen in diesem Monat nicht vorliegen. Bei Wegfall der Bewilligungsvoraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt wird die Bewilligung für die Zukunft aufgehoben.
Wird das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen im entsprechenden Monat (dem der Vollendung des zwölften Lebensjahres, dem der späteren Antragstellung oder dem der jährlichen Überprüfung) festgestellt, wirkt dies regelmäßig für ein Jahr fort (Bömelburg, a.a.O., S. 272).
Das Jobcenter beachtet i. d. R. bei der Bewilligung von SGB II-Leistungen auch einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Die SGB II-Bescheide enthalten den Hinweis, dass ein Anspruch nach dem UVG ab einem Bruttoeinkommen i. H. v. 600 EUR besteht und wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
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UVG | SGB II | |
Erwerbseinkommen brutto | 500 EUR | 500 EUR |
abzüglich Sozialabgaben | ./. 65 EUR | |
Nettoeinkommen | 435 EUR | |
abzüglich Freibeträge | ./. 180 EUR | |
anrechenbares Einkommen | 255 EUR | |
Unfallrente | 125 EUR | 125 EUR |
625 EUR | 380 EUR | |
Das Bruttoeinkommen liegt über 600 EUR, sodass neben den SGB-II-Leistungen auch die Voraussetzungen für den Bezug von UVG-Leistungen vorliegen. |
2. Umfang der Unterhaltsleistung (§ 2 UVG)
Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 UVG n.F. wird die Unterhaltsleistung monatlich i. H. d. sich nach § 1612a Abs. 1 S. 3 Nr. 1, 2 oder 3 BGB ergebenden monatlichen Mindestunterhalts gezahlt. Hiervon wird gem. § 2 Abs. 2 S. 1 UVG das für ein erstes Kind zu zahlende Kindergeld abgezogen.
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Der Unterhaltsvorschuss beträgt damit seit 1.1.18 monatlich für Kinder von | |
| 154 EUR (348 EUR ./. 194 EUR) bis 31.12.17 150 EUR |
| 205 EUR (399 EUR ./. 194 EUR) bis 31.12.17 201 EUR |
| 273 EUR (467 EUR ./. 194 EUR) bis 31.12.17 268 EUR |
Gem. § 2 Abs. 4 S. 1 UVG n.F. mindert sich die Unterhaltsleistung für Berechtigte, die keine allgemeine Schule mehr besuchen, soweit ihre in demselben Monat erzielten Einkünfte des Vermögens und der Ertrag ihrer zumutbaren Arbeit zum Unterhalt ausreichen. Als Ertrag der zumutbaren Arbeit des Berechtigten aus nicht selbstständiger Arbeit gelten die Einnahmen in Geld entsprechend der für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers abzüglich eines Zwölftels des Arbeitnehmer-Pauschbetrags (d. h. derzeit monatlich 83,33 EUR), wobei bei Auszubildenden zusätzlich pauschal 100 EUR als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen sind, § 2 Abs. 4 S. 2 UVG n.F. Gem. S. 3 der Vorschrift sind Einkünfte und Erträge nach S. 1 und 2 nur zur Hälfte zu berücksichtigen.
Abzustellen ist auf das in demselben Monat erzielte Einkommen des Kindes, das nach den Vorgaben der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen Richtlinien zur Durchführung des UVG jährlich überprüft wird. Unberücksichtigt bleibt das Einkommen von Kindern, die noch eine allgemeine Schule besuchen. Im Übrigen ist § 1602 Abs. 2 BGB heranzuziehen: Demnach sind Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit, d. h. aus überobligationsmäßigen Tätigkeiten, nicht zu berücksichtigen. Als solches Einkommen gilt in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht der Ertrag der Arbeit, die neben einer Berufsausbildung, einem freiwilligen sozialen Jahr oder einem freiwilligen ökologischen Jahr i. S. d. Jugendfreiwilligendienstegesetzes geleistet wurde (Bömelburg, a.a.O., S. 272).
3. Ersatz- und Rückzahlungspflicht (§ 5 UVG)
Der Berechtigte muss den geleisteten Betrag zurückzahlen, wenn die Voraussetzungen für die Unterhaltsvorschussleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht vorgelegen haben, § 5 Abs. 2 UVG n.F. Das ist der Fall, wenn der Berechtigte Einkommen i. S. d. § 2 Abs. 3 UVG oder Einkünfte und Erträge i. S. d. § 2 Abs. 4 UVG erzielt hat, nachdem er UVG-Leistungen beantragt hat und dies bei der Bewilligung der Unterhaltsleistung nicht berücksichtigt worden ist. Die Rückzahlungspflicht nach § 5 Abs. 2 UVG n.F. tritt somit nicht nur (wie schon bisher) aufgrund von Einkünften des Berechtigten aus Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils (bei dem der Berechtigte nicht lebt) sowie Waisenbezügen (inklusive Schadenersatzleistungen wegen Todes des anderen Elternteils) ein (§ 2 Abs. 3 UVG), sondern auch wenn und soweit das Kind Einkünfte und Erträge i. S. d. Neuregelung in § 2 Abs. 4 UVG hat.
4. Auskunfts- und Anzeigepflicht (§ 6 UVG)
Gem. § 6 Abs. 1 S. 1 UVG war der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, schon nach alter Rechtslage verpflichtet, der zuständigen Stelle auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 UVG n.F. muss der Barunterhaltspflichtige insbesondere darlegen, dass er seiner aufgrund der Minderjährigkeit des Berechtigten erhöhten Leistungspflicht vollständig nachkommt. Hiermit hat der Gesetzgeber Folgendes klargestellt: Die Unterhaltsvorschusskasse kann im Hinblick auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB) und der daraus resultierenden Anrechnung auch fiktiver Einkünfte umfassende Auskünfte vom Barunterhaltspflichtigen verlangen. Dieser muss darlegen und durch Vorlage geeigneter Unterlagen (z. B. Bewerbungsschreiben, Absagen potenzieller Arbeitgeber, ärztliche Atteste) nachweisen, dass er alles ihm Zumutbare unternommen hat, um eine Erwerbstätigkeit (u. U. auch eine zusätzliche Nebentätigkeit) zu erlangen, damit er den Kindesunterhalt zahlen kann.
5. Übergang von Ansprüchen des Berechtigten (§ 7 UVG)
Wenn der Berechtigte für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsvorschussleistung gezahlt wird, einen Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil hat, bei dem er nicht lebt, geht dieser Anspruch i. H. d. Unterhaltsvorschussleistung zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf das Land über, § 7 Abs. 1 S. 1 UVG. Das Bundesland, vertreten durch die leistende Unterhaltsvorschusskasse, wird damit Rechtsnachfolger des Kindesunterhaltsanspruchs und kann diesen im eigenen Namen gerichtlich geltend machen.
Um der Unterhaltsvorschusskasse den Rückgriff gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil zu erleichtern, regelt § 7 Abs. 4 UVG, dass das Land, wenn Unterhaltsvorschussleistungen voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden müssen, berechtigt ist, auch künftige Leistungen gerichtlich geltend zu machen. Dabei wurde der von der Unterhaltsvorschusskasse geltend gemachte zukünftige laufende Unterhalt nach bisheriger Rechtslage regelmäßig nur unter der Bedingung festgesetzt, dass Unterhaltsvorschussleistungen erbracht wurden (OLG Hamm FamRZ 11, 409). Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens war für die Klauselerteilung gegenüber dem Vollstreckungsgericht fortlaufend nachzuweisen, dass Unterhaltsvorschuss tatsächlich geleistet wurde und die Bedingung eingetreten war (§§ 120 FamFG, 726 ZPO). Nach § 7 Abs. 4 S. 1 UVG n.F. reicht nun eine entsprechende Bewilligung der Leistung für die Geltendmachung von künftigen Unterhaltsansprüchen aus. Daraus folgt, dass die Zahlungspflicht in einem Titel ohne eine Bedingung auszusprechen ist (Bömelburg, a.a.O., S. 273).
Betreibt das Land die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, ist zum Nachweis des nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs dem Vollstreckungsantrag der Bescheid über die Bewilligung der Unterhaltsvorschussleistung beizufügen, § 7 Abs. 5 UVG n.F. Durch diese Neuregelung wird das Land in die Lage versetzt, auch aus Vollstreckungsbescheiden gem. § 850d ZPO über die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO hinaus in das Einkommen des Schuldners zu vollstrecken (privilegierte Vollstreckung).
Gem. § 7a UVG n.F. wird der nach § 7 UVG übergegangene Unterhaltsanspruch nicht verfolgt, solange der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, Leistungen nach dem SGB II bezieht und über kein eigenes Einkommen i. S. v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II verfügt. Die Vorschrift entfaltet keine dem § 33 Abs. 2 S. 2 SGB II entsprechende Schutzwirkung. Es bleibt dabei, dass beim Unterhaltsvorschuss auch der nur auf eine fiktive Leistungsfähigkeit gegründete Anspruch auf den Leistungsträger übergeht (Schürmann, a.a.O., S. 1383 unter Verweis auf BGH FamRZ 01, 619).
Ein auf fiktiver Leistungsfähigkeit beruhender und über die Unterhaltsvorschussleistung hinausgehender Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil wird von dieser Neuregelung nicht tangiert, sodass der Anspruch durch das Kind bzw. den alleinerziehenden Elternteil uneingeschränkt verfolgt werden kann (Bömelburg, a.a.O., S. 273).