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· Kinderzahnheilkunde

Wurzelbehandlung im Milchgebiss ‒ ein Praxisfall

Bild: ©Сергей Кучугурный - stock.adobe.com

von Isabel Baumann, Mülsen, praxiskonzept-baumann.de

| Um eine Extraktion zu vermeiden, kann auch im Milchgebiss eine Wurzelbehandlung ( PA 07/2019, Seite 4 ) indiziert sein. Das gilt vor allem, wenn dadurch Fehlentwicklungen von Gebiss und/oder Kiefer vorgebeugt werden kann. Dieser Praxisfall zeigt die korrekte Abrechnung einer endodontischen Kinderbehandlung. |

Besondere Herausforderung für Zahnarzt und Patient

Die Wurzelbehandlung an Milchzähnen stellt die kleinen Patienten auf eine harte Gedulds- und Belastungsprobe. Daher gilt es grundsätzlich, abzuwägen, ob das Kind entsprechend seines Alters und seines Entwicklungsstands für die relativ zeitaufwendige Wurzelbehandlung geeignet ist.

 

Hinzu kommt, dass Milchmolaren oft ein besonders ausgeprägtes Wurzelkanalsystem und stark gekrümmte Wurzeln besitzen. Zudem ist das Foramen apikale aufgrund der Wurzelresorption häufig vergrößert. Das erschwert die exakte Längenbestimmung. Auch die Gefahr der Störung des umliegenden Gewebes durch Überinstrumentierung und Überstopfung wird deutlich erhöht (vgl. dazu Liebold/Raff/Wissing). Die damit verbundene schwierige und zeitaufwendigere Behandlung ist bei Bedarf mit einem höheren Steigerungsfaktor entsprechend § 5 Abs. 2 GOZ abzurechnen.

 

Gleichzeitig können u. U. bestimmte Leistungen entfallen, wie etwa die Trepanation des Wurzelkanals (Nr. 2390 GOZ). Wenn die Pulpa durch eine großflächige Karies bereits eröffnet ist, erübrigt sich eine Trepanation. Bei Milchzähnen kann dies leicht der Fall sein, da die Pulpa deutlich näher an der Oberfläche liegt.

 

Die Patientenberatung erfordert bei Kindern i. d. R. eine Bezugsperson (z. B. Elternteil). Wann in diesem Zusammenhang neben der Beratung nach Ä1 zusätzlich die Ä4 für die Beratung der Bezugsperson berechnungsfähig ist, lesen Sie in PA 03/2019, Seite 6.

Praxisfall: Wurzelbehandlung regio 85 wegen Caries profunda

Bei einem siebenjährigen Patienten wurde am Zahn 85 eine tiefe Karies diagnostiziert. Nach Exkavation der Karies erfolgt die Exstirpation der Pulpa nach Nr. 2360 GOZ. Eine Eröffnung des Pulpendachs durch Trepanation ist nicht notwendig, weil die Pulpa durch die großflächige Karies bereits eröffnet ist. Die Wurzelkanalaufbereitung kann aufgrund einer Blutung nicht abgeschlossen werden. Dies erfordert eine zweite Sitzung. Dabei wird die Wurzelkanalaufbereitung abgeschlossen und der Zahn für die definitive Versorgung präpariert. Abschließend wird der Patient mit einer konfektionierten Kinderkrone versorgt.

 

  • Behandlungsablauf: Wurzelkanalbehandlung eines Siebenjährigen regio 85 (zwei Sitzungen) *
Datum
Zahn
Leistung
GOZ

04.05.

Symptombezogene Untersuchung

Ä5

OK/UK

Vitalitätsprüfung, je Sitzung

0070

Aufklärung Kind und Eltern über Notwendigkeit und Ablauf der Behandlung

Ä1

85

Oberflächenanästhesie

0080

85

Leitungsanästhesie, zzgl. Anästhetikum

0100 + Material

85

Infiltrationsanästhesie, vestibulär, zzgl. Anästhetikum

0090 + Material

85

Anlegen von Spanngummi

2040

85

Exstirpation der vitalen Pulpa, je Kanal

2 x 2360

85

Wurzelkanalaufbereitung, je Kanal ‒ wegen Blutung nicht abgeschlossen

85

Medikamentöse Einlage

2430

85

Temporärer speicheldichter Verschluss, adhäsiv befestigt

2020 + 2197

20.05.

85

Anlegen von Spanngummi

2040

85

Wurzelkanalaufbereitung, je Kanal (zzgl. einmal verwendbare NiTi-Feile)

2 x 2410 + Material

85

Elektrometrische Längenbestimmung, je Kanal

2 x 2400

85

Röntgenkontrollaufnahme

Ä5000

85

Wurzelkanalfüllung, je Kanal

2 x 2440

85

Röntgenkontrollaufnahme

Ä5000

85

Präparation zur Aufnahme einer konfektionierten Kinderkrone

85

Stillen einer übermäßigen Blutung (Papillenblutung beim Präparieren)

2030

85

Plastische Aufbaufüllung ‒modu‒, adhäsiv befestigt

2180 + 2197

85

Eingliederung einer konfektionierten Kinderkrone (Stahl)

2250 + Material

85

Adhäsive Befestigung der konfektionierten Krone

2197

 

* Weitere Leistungen sind möglich und zusätzlich berechnungsfähig (z. B. Zuschläge nach Nrn. 0110 oder 0120 GOZ).

 

04.05. ‒ 1. Sitzung:

Bei der symptombezogenen Untersuchung (Ä5) werden lediglich spezifische Symptome untersucht, es erfolgt keine vollständige Untersuchung des stomatognathen Systems (Ä6). Die Nr. Ä5 ist einmal je Behandlungsfall bzw. nach Ablauf von einem Monat für denselben Behandlungsfall berechnungsfähig. Die Vitalitätsprobe ‒ berechnet nach Nr. 0070 GOZ (PA 02/2020, Seite 11) ‒ dient diagnostischen Zwecken.

 

Die eingehende Beratung des Kindes und der Eltern über den Behandlungsablauf wird nach Nr. Ä1 berechnet.

 

Die Oberflächenanästhesie (Nr. 0080 GOZ) ist auch ansatzfähig beim oberflächlichen Betäuben der Einstichstelle vor Infiltrations- oder Leitungsanästhesien (Nrn. 0090 oder 0100 GOZ). Anders als bei Letzteren sind mit der Nr. 0080 GOZ die Kosten für das Anästhetikum abgegolten (Ausnahme: Oraqix®; PA 12/2019, Seite 14). Um den Nervus buccalis im Wangenbereich des Unterkiefers auszuschalten, ist neben der Infiltrationsanästhesie nach Nr. 0090 GOZ auch eine Leitungsanästhesie nach Nr. 0100 GOZ erforderlich (jeweils zzgl. Materialkosten).

 

Das Anlegen von Kofferdam ist nach Nr. 2040 GOZ neben endodontischen Leistungen zusätzlich abrechenbar.

 

Eine Trepanation des Zahnes ist im vorliegenden Fall nicht notwendig, weil die Pulpa wegen der fortgeschrittenen Karies bereits eröffnet war. Mit der Exstirpation nach Nr. 2360 GOZ ist das Exkavieren zur Kariesentfernung abgegolten.

 

Wenn die Aufbereitung der Wurzelkanäle nicht in einer Sitzung abschließend durchgeführt werden kann oder aufgrund einer nicht stillbaren Blutung aus dem Wurzelkanal das zeitgleiche Abfüllen des Wurzelkanals nicht möglich ist, wird häufig ein Medikament als Einlage eingebracht. Die medikamentöse Einlage berechnet man nach Nr. 2430 GOZ. Diese kommt unabhängig von der Anzahl der Kanäle nur einmal je Sitzung zum Ansatz. Wird der temporäre speicheldichte Verschluss nach Nr. 2020 GOZ adhäsiv befestigt, so kann zusätzlich die Nr. 2197 GOZ berechnet werden.

 

20.05. ‒ 2. Sitzung:

Unter Kofferdam (Nr. 2040 GOZ) werden die beiden Wurzelkanäle vollständig aufbereitet. Je Kanal ist dafür die Nr. 2410 GOZ berechnungsfähig. Die elektrometrische Längenbestimmung ist je Kanal maximal zweimal je Sitzung berechenbar. Entscheidend dabei ist die tatsächliche Anzahl der zu behandelnden Wurzelkanäle, nicht die Anzahl der vorhandenen Wurzeln. Die elektrometrische Längenbestimmung kann u. U. eine Röntgenmessaufnahme nach Nr. Ä5000 erfordern. Dadurch wird die Länge der Wurzelkanäle so genau wie möglich dargestellt und somit eine Überstopfung vermieden.

 

Die Wurzelkanalfüllung wird je Kanal nach Nr. 2440 GOZ berechnet. Das Material für die Wurzelkanalfüllung ist mit der Leistung nach Nr. 2440 GOZ abgegolten und nur zusätzlich berechnungsfähig, wenn die Kosten des Materials die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten.

 

PRAXISTIPP | Nach der Wurzelkanalfüllung sollte erneut eine Röntgenkontrollaufnahme angefertigt werden, um die vollständige Wurzelfüllung zu überprüfen und zu dokumentieren. Diese ist ebenfalls nach Ä5000 berechnungsfähig.

 

Anschließend wird der Zahn zur Aufnahme einer konfektionierten Krone samt Aufbaufüllung präpariert. Dabei muss eine übermäßige Papillenblutung gestillt werden (Nr. 2030 GOZ). Die plastische Aufbaufüllung berechnet man nach Nr. 2180 GOZ zzgl. der Nr. 2197 GOZ für die adhäsive Befestigung.

 

Die Nr. 2250 GOZ ist für konfektionierte Kronen aus Metall, Kunststoff oder Keramik (z. B. Kiddy Caps, NuSmile) abrechenbar. Mit der Nr. 2250 GOZ sind die Präparation des Zahnes sowie Auswahl, Anpassen und Eingliedern der Krone abgegolten (PA 01/2019, Seite 7 und Liebold/Raff/Wissing). Die Materialkosten für die Krone dürfen gemäß § 4 Abs. 3 GOZ zusätzlich berechnet werden. Wird die Krone adhäsiv eingesetzt, darf zusätzlich die adhäsive Befestigung nach Nr. 2197 GOZ berechnet werden (PA 02/2019, Seite 7). Dabei ist es unerheblich, dass schon neben der Nr. 2180 GOZ die Nr. 2197 GOZ berechnet wurde, denn die Nr. 2197 GOZ ist je adhäsiver Befestigung ansatzfähig (PA 08/2019, Seite 13).

 

Weiterführende Hinweise

  • „Die 15 umsatzstärksten GOZ-Ziffern richtig abrechnen: Wurzelkanalaufbereitung (Nr. 2410 GOZ)“ (PA 07/2019, Seite 4)
  • „Eingliederung einer konfektionierten Krone nach Nr. 2250 GOZ richtig abrechnen“ (PA 02/2019, Seite 7)
Quelle: Seite 6 | ID 46603323