· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
Rechtliche Restriktionen bei Poolvereinbarungen mit disquotalen Gewinnverteilungen
von Prof. Dr. Dennis Klein, Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Hannover/Toppenstedt
| Bei der Vereinbarung und Formulierung von Poolvereinbarungen mit disquotalen Gewinnverteilungen ist besondere Vorsicht geboten. Es sind nicht nur diverse zivilrechtliche und gesellschaftsrechtliche, sondern auch steuerliche Restriktionen zu beachten, wenn man dieses Gestaltungsmittel rechtssicher in die Tat umsetzen will (zu den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieses Modells vgl. bereits GStB 14, 393). |
1. Stimmbindungsverbote
Nach § 136 Abs. 2 AktG ist es unzulässig, sich als Aktionär in einem Vertrag zu verpflichten, sein Stimmrecht nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstandes oder des Aufsichtsrates bzw. eines abhängigen Unternehmens auszuüben. Eine darauf gerichtete Vereinbarung ist nichtig. Hierbei besteht eine Konfliktlage mit Poolvereinbarungen, wenn bei diesen nämlich zugleich die AG bzw. eines ihrer Organe beteiligt ist, z.B. der Vorstand (Kramer, GmbHR 10, 1023; Kreklau, BB 09, 748).
MERKE | Der Grund für dieses Stimmbindungsverbot liegt in dem austarierten Kompetenzgefüge zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Dieses auch durch die formelle Satzungsstrenge sanktionierte und im Sinne von „checks and balances“ konzipierte Machtgefüge soll nicht durch Stimmbindungen ins Ungleichgewicht geraten (Bauer/Garbe, ZEV 14, 61). Sonst könnte hierüber der Vorstand in der Hauptversammlung seinen Einfluss ausdehnen und sich über die Wahl des Aufsichtsrates der Kontrolle entziehen. |
Fraglich ist die Reichweite des Stimmbindungsverbots. Wie auch vom Gesetzgeber erkannt, fallen in Familiengesellschaften häufiger die Gesellschafterstellung und die Geschäftsführung zusammen. Bei der AG wäre also ein Vorstand zugleich Aktionär, gleichzeitig in die Poolvereinbarung involviert. Indessen fehlt es an dem typischen Interessengegensatz, wie sie der Konzeption von § 136 Abs. 2 AktG zu Grunde liegt (Bauer/Garbe, ZEV 2014, S. 61 (62).). Der Vorstand ist als Kapitalgeber selbst betroffen. Jedenfalls soweit sein Einfluss nicht weiter reicht als es seinem Anteil entspricht, fällt der Grund für das Stimmbindungsverbot weg (Bauer/Garbe, ZEV 2014, S. 61 (63).).
Zu prüfen wäre, ob das Stimmbindungsverbot aus § 136 Abs. 2 AktG auch Auswirkung auf die GmbH hat, etwa durch Analogie (Kramer, GmbHR 10, 1023). Dieses Risiko besteht im Ergebnis nicht. Denn für eine Analogie fehlt es sowohl an der planwidrigen Regelungslücke als auch an der vergleichbaren Interessenlage.
Die AG ist durch das Leitbild der Fremdorganschaft gekennzeichnet, dem Auseinanderfallen von Anteilseignern und Geschäftsführung (vgl. Bauer/Garbe, ZEV 14, 61). Die GmbH ist hingegen als typische mittelständische Unternehmensrechtsform konzipiert, in der vielfach Gesellschafter auch die Geschäftsführung stellen oder aktiv einbezogen sind. Auch die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung und das dispositivere Innenrecht unterstreichen das gegenüber der AG vollständig verschiedene Gefüge (OLG Köln 16.3.88, 6 U 38/87, GmbHR 89, 76).
PRAXISHIWEISE | Für die GmbH ist freilich das Stimmrechtsverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG zu beachten, soweit ein Gesellschafter in bestimmten eigenen Angelegenheiten wie seiner Entlastung oder seiner Befreiung von einer Verbindlichkeit betroffen ist. Ferner ist für Poolvereinbarungen als äußere Grenze die gesellschafterliche Treuepflicht zu berücksichtigen. Eine Poolvereinbarung darf also nicht die Pflicht begründen, in der Gesellschafterversammlung unter Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht abzustimmen (Kramer, GmbHR 10, 1023). |
2. Schutz der Testierfreiheit nach § 2302 BGB
Eine wichtige Beschränkung stellt ferner § 2302 BGB dar, der die Testierfreiheit schützt (Richter/Lange, a.a.O., S. 102.). Nach § 2302 BGB ist nämlich eine Vereinbarung nichtig, in der sich eine Person zu einer bestimmten Verfügung von Todes wegen verpflichtet. Dies schließt die Verpflichtung ein, eine bestimmte Verfügung nicht vorzunehmen. In einer Poolvereinbarung ist eine dahingehende Verfügungsverpflichtung jedoch schnell enthalten, so wie nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Übertragung auf bestimmte „fremde“ Personen außerhalb des definierten Personenkreises unterbunden sein soll (Kramer, GmbHR 10, 1023). Diese Beschränkung kollidiert mit der geschützten Testierfreiheit, wäre also nichtig und würde die gesamte Poolvereinbarung gefährden. Fraglich ist, wie hierauf zu reagieren ist.
PRAXISHINWEIS | Zunächst ist bereits begrifflich zwischen der Verfügung von Todes wegen i.S. von § 2302 BGB und der Verfügung i.S. des Poolvertrages zu unterscheiden. Die Verfügungen von Todes wegen sind aus dem Anwendungsbereich der Poolvereinbarung herauszuhalten (Richter/Lange, a.a.O., S. 102; Kramer, GmbHR 10, 1023). Zu regeln sind dort also die Verfügungen im sachenrechtlichen Sinne. Um den erbrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, sollten die Beteiligten ferner gesellschaftsvertraglich und im Poolvertrag eine einfache Nachfolgeklausel mit Ausschlussmöglichkeit vorsehen (Kramer, GmbHR 2010, S. 1023 (1025).). Dies gewährt die Testierfreiheit, berücksichtigt aber auch den beschränkten Personenkreis nach der Poolvereinbarung. |
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Die Poolvereinbarung sieht die Fortsetzung mit den Erben vor, um Kontinuität des Gesellschafterpools zu erreichen. Entsprechendes gilt für Vermächtnisse. Die Poolvereinbarung empfiehlt, für Verfügungen von Todes wegen die Einhaltung der Bindungen zu berücksichtigen, ohne jedoch hierzu sanktioniert zu verpflichten. |
3. Gesellschaftsvertragliche Regelungen bzw. Öffnungsklauseln
Auch hinsichtlich der disquotalen Gewinnverteilungen sind die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zu beachten, deren Verletzung die steuerliche Nichtanerkennung zur Folge hätte. So erlaubt § 29 Abs. 3 GmbHG zwar eine von den Beteiligungsquoten abweichende Gewinnverteilung, der abweichende Maßstab muss sich nach § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG aber aus der Satzung ergeben. Dies ist zum einen durch eine explizite Regelung der disquotalen Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag selbst möglich. Nachteil ist dann allerdings die geringere Flexibilität und die mit der Satzungsregelung einhergehende gesteigerte Publizität (vgl. Erhart/Riedel, BB 08, 2266).
GESTALTUNGSHINWEIS | Es bietet sich als Alternative eine Öffnungsklausel in der Satzung an. Die Satzung sieht dann nur die Möglichkeit einer abweichenden Gewinnverteilung vor. Die abweichende Gewinnverteilung selbst treffen die Beteiligten dann außerhalb der Satzung (Blumers/Beiners/Witt, DStR 02, 616). Die Finanzverwaltung erkennt diesen Weg explizit an (BMF 17.12.13, IV C 2-S 2750-a/11/10001). Hierfür ist wiederum die Poolvereinbarung nutzbar. Denn in dieser schuldrechtlichen Vereinbarung außerhalb der Satzung lässt sich trefflich die abweichende Gewinnverteilung statuieren. Gleichzeitig sind mit den Bindungen im Poolvertrag das Stimmverhalten und damit auch die Umsetzung der Gewinnverteilung abgesichert. |
Hinweis | Für die AG ist ebenfalls in der Satzung eine von den Beteiligungsquoten abweichende Gewinnverteilung möglich, da § 60 Abs. 3 AktG dies ausdrücklich zulässt. Im Gegensatz zur GmbH reicht wegen der formellen Satzungsstrenge eine bloße Öffnungsklausel nicht, worauf die Finanzverwaltung ausdrücklich hinweist (BMF 17.12.13, a.a.O.). Die Regelung muss vielmehr in der Satzung selbst erfolgen.
Das Risiko des Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO hat abgenommen, zumal wenn außersteuerliche Gründe wie etwa die gleitende Generationennachfolge oder besondere zu honorierende Leistungen zu Grunde liegen. Doch selbst die explizite Ausnutzung von Verlustvorträgen nach § 10d EStG bei einzelnen Gesellschaftern als Begründung für die mit der Poolvereinbarung kombinierte disquotale Gewinnverteilung stellt nach richtiger Auffassung keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Denn die Verlustnutzung als solche ist bereits kein Missbrauch, sondern steuergesetzlich vorgesehen und gesetzlich so angelegt (BFH 19.8.99, I R 77/96, DStR 99, 1849).
PRAXISHINWEIS | Die Verlustverrechnung entweder durch unterjährigen Verlustausgleich nach § 2 EStG oder im Rahmen der Verlustvorträge nach § 10d EStG ist durch das Leistungsfähigkeitsprinzip geboten. Es ist keine steuerliche Begünstigung, sondern eine vom Gesetzgeber akzeptierte Vorbedingung. Wenn ein Steuerpflichtiger diese Verlustvorträge zeitnah nutzen möchte, handelt es sich um eine durch das Leistungsfähigkeitsprinzip determinierte Ausweichreaktion, die nur den aus Gerechtigkeitsgründen gebotenen ursprünglichen Verrechnungsstatus wiederherstellt. |
Wichtig ist neben der formal wirksamen Vereinbarung auch deren ernsthafte tatsächliche Durchführung. Indiziell gehört hierzu die Dauer der Vereinbarungen. Im Zusammenhang mit der disquotalen Gewinnverteilung beäugt die Finanzverwaltung insbesondere die sporadische und häufig wechselnde Gewinnverteilung kritisch (BMF 17.12.13, a.a.O.). Es empfiehlt sich eine kontinuierliche Regelung.
GESTALTUNGSHINWEISE | Für die Poolvereinbarung bietet sich ein Abschluss auf unbestimmte Dauer an. Nichtsdestotrotz darf die Vereinbarung nicht „auf ewig“ abgeschlossen werden, da dann das Risiko der gesellschaftsrechtlichen Unwirksamkeit besteht. Daher muss eine Kündigungsmöglichkeit bestehen. Ferner sollten Fortsetzungsklauseln vereinbart werden, damit die Poolvereinbarung ein generationenübergreifendes Band darstellt und den erstrebten Zweck effektiv verwirklichen kann.
Andererseits sind erbschaftsteuerliche Bindungsfristen für den Verschonungsabschlag zu berücksichtigen. Es sollte daher eine Mindestlaufzeit von fünf bzw. sieben Jahren vereinbart werden und zwar so lange, wie bei einem der Gesellschafter noch eine Nachsteuerfrist läuft (vgl. Weber/Schwind, DStR 11, 13). |
Fraglich ist ferner, ob die in der Poolvereinbarung getroffenen Regelungen erzwungen werden können. Sofern es sich um eine schuldrechtliche Vereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages handelt, wäre eine abweichende Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung wirksam (Kreklau, BB 09, 748). Die Poolvereinbarung hat keine Ausstrahlungswirkung. Stattdessen bieten sich Sanktionsmechanismen in der Poolvereinbarung an wie schuldrechtliche Strafversprechen oder Schadenersatzklauseln.
Beachten Sie | Um eine poolgerechte Stimmabgabe sicherzustellen, können auch Stimmenvertreter benannt werden (vgl. gleichlautende Ländererlasse vom 29.10.10, DStR 10, 2518). In Übereinstimmung mit den gesellschaftsvertraglichen Vorgaben lässt sich so im Regelfall eine effektive Koordinierung zwischen Stimmenpool und Gesellschafterversammlung erreichen.
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Die Poolvereinbarung sieht für Zuwiderhandlungen bei der Stimmabgabe eine Vertragsstrafe in festgelegter Höhe vor, die an die übrigen Poolmitglieder im Verhältnis ihrer Beteiligung zu leisten ist. Das Recht, weitergehenden Schadenersatz zu verlangen, bleibt unberührt. |
4. Formerfordernisse
Nicht zuletzt bestehen Formerfordernisse. Für die vorgeschlagenen Stimmenvertreter ist § 47 Abs. 3 GmbHG zu beachten, der für Vollmachten die Textform vorschreibt. Verfügungsvorgaben in Poolvereinbarungen unterliegen der Beurkundungspflicht nach § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG, wenn sie eine Verpflichtung zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründen. Da die Verfügungsbeschränkung integraler Bestandteil der Poolvereinbarung ist, erstreckt sich das Beurkundungserfordernis regelmäßig auf die gesamte Vereinbarung (Kramer, GmbHR 10, 1023). Bei einer AG greift diese Pflicht freilich nicht, da Aktien auch ohne notarielle Beurkundung übertragbar sind. Zum Nachweis der Ernsthaftigkeit empfiehlt sich in jedem Fall die Schriftform.
5. Ausgestaltung als vermögenslose Innengesellschaft
Bei der Poolvereinbarung ist darauf zu achten, diese als bloße Innengesellschaft nach § 705 BGB ohne eigenes Gesamthandsvermögen auszugestalten. Insbesondere die Gesellschaftsanteile verbleiben bei den Gesellschaftern und werden nicht in das Gesamthandsvermögen eingebracht. Denn sonst liefen die Gesellschafter Gefahr, einen Veräußerungstatbestand zu realisieren, den es zu vermeiden gilt. Risiken drohen nämlich durch § 8c KStG für Kapitalgesellschaften mit steuerlichen Verlustvorträgen. Bei Übertragung von mehr als 25 % bzw. 50 % der Anteile droht der quotale bzw. vollständige Verlust bestehender Verlustvorträge.
Zwar dürfte die Poolvereinbarung im Ergebnis keinen Anteilseignerwechsel i. S. von § 8c KStG verursachen, da die Anteile beim Gesellschafterpool als bloßer vermögensverwaltender Gesellschaft den Gesellschaftern zuzurechnen sind (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Doch lässt sich dieses Risiko besser von vorneherein vermeiden. Der Abschluss der Poolvereinbarung löst auch keine andere Variante des in § 8c Abs. 1 KStG definierten schädlichen Beteiligungserwerbs aus. Denn die Gesellschafter übertragen keine Anteile, Beteiligungen, Stimmrechte etc. (Felten, DStR 10, 1261), sondern behalten diese selbst und koordinieren lediglich im Vorfeld der eigentlichen Gesellschafterversammlung ihr Verhalten (Richter/Lange, a.a.O., S. 105).
6. Disquotale Gewinnverteilung als freigebige Zuwendung
Schlussendlich steht noch die viel diskutierte Frage im Raum, inwieweit disquotale Gewinnverteilungen als Werterhöhung von Kapitalgesellschaftsanteilen einen Schenkungsteuertatbestand nach § 7 Abs. 8 ErbStG auslösen (Birnbaum/Escher, DStR 14, 1413 (1415)). Ob hierin eine freigebige Zuwendung zwischen den Gesellschaftern liegt, beurteilen Rechtsprechung und Finanzverwaltung durchaus unterschiedlich:
MERKE | Während die Finanzverwaltung die über die Beteiligungsquoten hinausgehende Übertragung als außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses veranlasst und daher als freigebige Zuwendung qualifiziert (vgl. gleichlt. Ländererl. v. 5.6.13, BStBl I 13, 1465), beurteilt die Rechtsprechung den gesamten Vorgang als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst (BFH 30.1.13, II R 6/12, ZEV 13, 283). |
Letztlich kann diese Problematik aber dahinstehen, wenn für die überquotale Gewinnzuteilung wirtschaftliche Gründe identifizierbar sind. Und dies ist der Fall - wegen der besonderen Leistungen des begünstigten Gesellschafters, der gestreckten Veräußerung etc. (s.o.). Die Beteiligten wollen einen Interessenausgleich erreichen, haben also für die disquotale Ausgestaltung ihre Gründe und „wollen sich nichts schenken“. Demzufolge liegt keine freigebige Zuwendung vor.