· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
BFH präzisiert die Prüfung der Überversorgung bei Pensionszusagen
von StB Dipl.-Finw. (FH) Sonja Steben, Dortmund
| Pensionszusagen führen steuerrechtlich immer wieder zu Diskussionen zwischen Berater und Mandant auf der einen und dem FA auf der anderen Seite, sodass am Ende die Finanzgerichte über deren Anerkennung entscheiden müssen. So auch in einem aktuellen Fall, in dem sich der BFH (erneut) mit der Prüfung der Überversorgung auseinandersetzen musste und diese weiter präzisiert hat ( BFH 20.12.16, I R 4/15, Abruf-Nr. 193355 ). |
1. Anerkennung der Pensionszusage
Bei Pensionszusagen einer GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) muss die steuerrechtliche Prüfung zweistufig erfolgen:
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Prüfung nach §§ | Rechtsfolge bei Nichterfüllung der Voraussetzungen | |
1. Stufe | Bilanzinterne Korrektur der Pensionsrückstellung | |
2. Stufe | § 8 Abs. 3 S. 2 KStG | Bilanzexterne Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) |
Nach R 8.7 KStR ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Pensionsrückstellung gebildet werden darf. Ist eine Pensionszusage bereits zivilrechtlich unwirksam, ist die Rückstellung in der Handelsbilanz erfolgswirksam aufzulösen, was für die steuerrechtliche Gewinnermittlung maßgeblich ist. Ferner müssen steuerlich die Voraussetzungen des § 6a EStG (z. B. Schriftform, Nachholverbote, Überversorgung) erfüllt sein. Ist dies nicht der Fall, ist die Pensionsrückstellung insoweit innerhalb der steuerrechtlichen Gewinnermittlung erfolgswirksam aufzulösen.
Ist die Pensionsrückstellung dem Grunde und der Höhe nach zutreffend bilanziert, dann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und inwieweit die Pensionsverpflichtung auf einer vGA beruht. Bei dieser Prüfung sind insbesondere die Aspekte „Ernsthaftigkeit, Erdienbarkeit und Angemessenheit“ zu berücksichtigen.
2. Grundsätze der Überversorgungsprüfung
Die Überversorgung baut auf der Überlegung auf, dass die betriebliche Altersversorgung grundsätzlich nur dazu bestimmt ist, eine nach der gesetzlichen Rentenversicherung im Regelfall verbleibende Versorgungslücke von etwa 20 bis 30 % der letzten Aktivbezüge zu schließen. Somit ist die Angemessenheit der Pensionszusage der Höhe nach regelmäßig zu bejahen, wenn die zugesagten Pensionsleistungen so bemessen sind, dass sie - zusammen mit der zu erwartenden Sozialversicherungsrente - 75 % der Bezüge des Versorgungsberechtigten nicht übersteigen (BFH 26.10.82, VIII R 50/80). Maßgebend für beide Bezugsgrößen sind jeweils die Verhältnisse am Bilanzstichtag.
Beachten Sie | Für die Prüfung der Grenze sind alle am Bilanzstichtag durch den Arbeitgeber vertraglich zugesagten Altersversorgungsansprüche einschließlich der zu erwartenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung heranzuziehen. Inwieweit die Ansprüche auf eigenen Leistungen des Versorgungsanwärters beruhen, ist unerheblich.
PRAXISHINWEIS | Von der Überversorgungsprüfung betroffen sind regelmäßig nur gehaltsunabhängige Pensionszusagen; also alle Zusagen, die feste Beträge enthalten, die in einer unangemessenen Relation zum Aktivgehalt stehen könnten. Nicht betroffen sind grundsätzlich gehaltsabhängige Zusagen oder Entgeltumwandlungen (vgl. BMF 3.11.04, IV B 2 - S 2176 - 13/04, Rz. 16, 18). |
Die Höhe der zu erwartenden gesetzlichen Rente kann nach dem steuerlichen Näherungsverfahren zur Berücksichtigung von Sozialversicherungsrenten bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen und bei der Ermittlung der als Betriebsausgaben abzugsfähigen Zuwendungen an Unterstützungskassen berechnet werden (BMF 3.11.04, Rz. 15). Alternativ ergibt sich die zu erwartende Rente aus den jährlichen Mitteilungen der Rentenversicherungsträger an die Versicherten (BFH 20.12.16, Rz. 30).
Die Bezüge des Versorgungsberechtigten entsprechen seinem Arbeitslohn i. S. des § 2 LStDV am Bilanzstichtag. Einzubeziehen sind aber auch variable Gehaltsbestandteile (z. B. Tantiemen), die mittels Durchschnittsberechnung für die letzten fünf Jahre zu ermitteln sind. Gehaltsumwandlungen bleiben jedoch genauso unberücksichtigt wie vGA (BFH 20.12.16, Rz. 22).
Liegt eine Überversorgung vor, kann die Verpflichtung bei der Bewertung der Pensionsrückstellung nach § 6a EStG nur insoweit berücksichtigt werden, wie sie die 75 %-Grenze nicht überschreitet (BMF 3.11.04, Rz. 20). Eine überhöhte Rückstellung ist nach den Grundsätzen der Bilanzberichtigung in der ersten noch offenen Schlussbilanz aufzulösen.
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Ein GGF bezieht im Jahr 2016 ein festes Grundgehalt von 60.000 EUR p. a. In den Jahren 2012 bis 2016 hat er Sonderzuwendungen von insgesamt 20.000 EUR erhalten. Zudem ist ihm in 2016 eine unstrittige vGA i. H. von 3.000 EUR zugeflossen.
„Seine“ GmbH hat ihm eine Pension von 30.000 EUR p. a. zugesagt. Aus der gesetzlichen Rentenversicherung erwartet er am Stichtag 2016 zudem eine Rente von 12.000 EUR jährlich.
Frage: Liegt eine Überversorgung vor? | ||||||
Maßgebende Bezüge des GGF per 31.12.16:
Antwort: Eine Überversorgung liegt am Bilanzstichtag nicht vor. |
3. Gehaltssenkungen
Eine Überversorgungssituation kann eintreten, wenn eine Pension mit einem festen Betrag zugesagt wurde und das Gehalt des GGF später sinkt. Gründe für eine Gehaltsminderung sind beispielsweise
- die Reduzierung der Arbeitszeit (z. B. wegen Altersteilzeit) oder
- Sanierungsmaßnahmen in der Krise der GmbH.
Um den Maßgaben der Überversorgung zu entsprechen, muss es bei einer nur vorübergehenden betriebsbedingten Gehaltsherabsetzung nicht zwingend sofort zu einer Absenkung der Versorgung kommen. Eine Überversorgung ist aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig aber dann gegeben, wenn die Versorgungsanwartschaft trotz dauerhaft abgesenkter Aktivbezüge unverändert beibehalten und nicht gekürzt wird (BFH 27.3.12, I R 56/11).
Was genau als „dauerhaft“ anzusehen ist, ist höchstrichterlich nicht geklärt und jeweils im Einzelfall zu entscheiden. In seinem Urteil vom 27.3.12 stufte der BFH eine zweieinhalb Jahre andauernde Gehaltsabsenkung als nicht mehr vorübergehend ein. Maßgebend dürften die vorab eindeutigen schriftlichen Vereinbarungen zwischen GmbH und GGF sowie die Prognose-Aussichten der wirtschaftlichen Situation sein.
Beachten Sie | Auf eine Umgehungsabsicht oder -gestaltung kommt es nicht an. Eine Überversorgung scheidet auch nicht deshalb aus, weil eine Kürzung des Versorgungsanspruchs nach arbeitsrechtlichen Maßgaben ausgeschlossen wäre (BFH 27.3.12, Rz. 16 f.).
Bei einer dauerhaften Gehaltskürzung ist also eine erneute Überversorgungsprüfung vorzunehmen. Bei enger Gesetzesauslegung wäre die 75 %-Grenze stets auf die letzten Aktivbezüge zu beziehen. Dies würde jedoch bedeuten, dass die Pensionsrückstellung auch für Zeiträume nicht anerkannt würde, in denen (noch) gar keine Überversorgung gegeben war. Nunmehr hat der BFH klargestellt, dass er zumindest in den Fällen der Gehaltsreduzierung wegen dauerhafter Arbeitszeitkürzung und der damit erst nachträglich eingetretenen Überversorgung der zeitanteiligen Berechnung der Finanzverwaltung folgt (BFH 20.12.16, Rz. 26; BMF 3.11.04, Rz. 19).
Da im Streitfall noch Feststellungen zu einer zeitbezogenen Verhältnisrechnung fehlten, hat der BFH den Fall an das FG zurückverwiesen.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung (BMF 3.11.04, Rz. 19) wird der für die Berechnung der zulässigen Pensionshöhe notwendige Grenzwert G nach folgender Formel ermittelt:
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G = [g × (m1/n)] + [g × (b/100) × (m2/n)] | |
g | bisherige %-Grenze (zunächst also 75 %) |
b | das geänderte Gehaltsniveau auf Basis des ursprünglichen Beschäftigungsgrads |
m1 | Zeitraum, für den die bisherige %-Grenze galt |
m2 | Zeitraum, für den die neue %-Grenze voraussichtlich gelten wird |
n | Gesamtlaufzeit des Dienst- oder sonstigen Rechtsverhältnisses |
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GGF hat 25 Jahre lang ein volles monatliches Gehalt i. H. von 10.000 EUR bezogen. Die letzten 5 Jahre bis zum Eintritt in den Ruhestand erhält er wegen des Wechsels in die Teilzeit nur noch die Hälfte der vollen Bezüge (5.000 EUR monatlich). Die GmbH hatte ihm in der Vergangenheit eine Pension i. H. von 7.500 EUR monatlich zugesagt. Leistungen aus der gesetzlichen Rente erwartet GGF nicht.
Ohne zeitanteilige Gewichtung könnte die Pensionsrückstellung ab Gehaltskürzung nur noch aus 3.750 EUR (75 % x 5.000 EUR) berechnet werden. Nach der Formel des BMF errechnet sich die „angemessene“ Pension jedoch wie folgt:
G = [75 × (25/30)] + [75 × (50/100) × (5/30)]= (62,5) + (6,25) = 68,75
Der Berechnung der Pensionsrückstellung wird somit eine Pension i. H. von 6.875 EUR (68,75 % von 10.000 EUR) zugrunde gelegt (statt bisher 7.500 EUR bzw. 3.750 EUR bei strikter Anwendung der 75 %-Grenze).
Beachten Sie | Die Kürzung der Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz nach § 6a EStG erfolgt unabhängig davon, ob der GGF zivilrechtlich immer noch einen Pensionsanspruch von 7.500 EUR monatlich hat und in welcher Höhe eine handelsrechtliche Passivierung des Versorgungsanspruchs erfolgt. |
4. VGA im Versorgungsfall
Wird die Pensionsrückstellung nach den Überversorgungsgrundsätzen steuerbilanziell angepasst (1. Stufe), verbleibt für den Ansatz einer vGA (zunächst) kein Raum. Erhält der GGF bei Eintritt in den Ruhestand allerdings die vollen zugesagten Pensionsansprüche - also eine überversorgende Pension -, müssen diese dann in einen Versorgungsanspruch und eine vGA aufgeteilt werden (2. Stufe, vgl. BFH 20.12.16, Rz. 31).