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· Fachbeitrag · Kapitalanlagen

Besteuerung von Stiftungen bei Investitionen am deutschen Kapitalmarkt

von StB Bartosch Tomczyk, Leiter der Gruppe Transaction Tax, Berenberg, Hamburg und Frankfurt

| Getrieben durch diverse Betrugsmodelle, die die Umgehung der Besteuerung von deutschen Dividenden zum Ziel hatten, wurden insbesondere Regelungen zur Besteuerung von inländischen Dividenden in jüngster Vergangenheit verschärft (Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften). Da dies häufig eine Besteuerung zur Folge hat, sind gemeinnützige Einrichtungen besonders betroffen. Dabei kann eine Stiftung entweder direkt oder über Investmentfonds in deutsche Aktien investieren und potenziell steuerbelastete Dividenden realisieren. Das neue steuerliche Umfeld erhöht den Anspruch an Stiftungsvorstände gemeinnütziger Einrichtungen. |

Direktinvestitionen in deutsche Aktien

§ 36a EStG befreit den Bezug inländischer Dividenden unter bestimmten Voraussetzungen. Im Ergebnis gilt die Befreiung für kleinere Erträge oder bei langfristig gehaltenen Wertpapieren. Die bedingungslose und vollumfänglich steuerfreie Vereinnahmung von inländischen Dividenden durch gemeinnützige Organisationen ist damit nur eingeschränkt möglich.

 

Der steuerfreie Bezug von inländischen Dividenden ist nach § 36a Abs. 1 EStG vorgesehen, wenn der Anleger

  • ununterbrochener wirtschaftlicher Eigentümer für eine Mindesthaltedauer von 45 Tagen ist (sog. 91-Tage-Zeitraum) und
  • währenddessen das Mindestwertänderungsrisiko ununterbrochen durch ihn getragen wird und
  • der Anleger nicht verpflichtet ist, die Kapitalerträge ganz oder überwiegend anderen Parteien weiterzuleiten (z. B. Wertpapierleihe).

 

In § 36a Abs. 1 EStG gibt es auch zwei Ausnahmetatbestände: Danach gilt die Regelung, die den steuerfreien Bezug verwehrt, nicht für Dividenden, bei denen

  • die Freigrenze pro Kalenderjahr von 20.000 Euro nicht überschritten oder
  • eine Mindesthaltedauer von einem Jahr eingehalten wird.

 

Wichtig | Die inländischen Dividenden, die durch einen der beiden Tatbestände abgedeckt werden, sind nicht zu melden oder zu besteuern. Sollten also mehr als 20.000 Euro Dividende aus langfristig gehaltenen Wertpapierbeständen realisiert werden, gelten die Regelungen der Absätze 1 bis 4 EStG nicht.

 

Hinsichtlich der Befreiung sind zwei Besteuerungsebenen zu unterscheiden,

  • die Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug auf Ebene der Banken und
  • die ertragsteuerliche Befreiung des Anlegers.

 

Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug

Die Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug für gemeinnützige Organisationen wird abhängig von der ausgestellten Nichtveranlagungsbescheinigung in unterschiedlichem Umfang gewährt:

 

  • NV-Art 03 bis Ende 2017 ausgestellt: Hier erfolgt ‒ wie auch bei einer Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid ‒ weiterhin eine vollständige Freistellung auf Bankebene.

 

  • NV-Art 35 ab 2018 ausgestellt: Hier wird eine Freistellung nur im Umfang der beiden o. g. Ausnahmetatbestände des § 36a EStG gewährt. Inländische Dividenden, die keiner Ausnahmeregelung unterliegen, werden durch die Kreditinstitute nach aktueller Rechtslage durch Kapitalertragsteuer (15 Prozent zzgl. SolZ) bei Nichteinhaltung belastet. Hilfsweise kann bei einzelnen Kreditinstituten der Kapitalertragsteuereinbehalt auf die volle inländische Dividende angewandt werden, da die prozessuale Abbildung des Freibetrags in Höhe von 20.000 Euro nicht möglich ist.

 

Wichtig | Nach alter Nomenklatur aktuell ausgestellte Nichtveranlagungsbescheinigungen dürfen die depotführenden Stellen nicht akzeptieren. Sie berechtigen nur zu einer Abstandnahme vergleichbar mit der neuen Art 35.

 

Lediglich bei Nichtveranlagungsbescheinigungen nach § 44a Abs. 7 S. 1 Nr. 2, 3 EStG der neuen Art. 36, 37 besteht weiterhin die Möglichkeit des unbegrenzten Bezugs von inländischen Dividenden ohne einen Kapitalertragsteuereinbehalt. Diese Regelung greift allerdings nur bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts und bei kirchlichen Institutionen.

 

Ertragsteuerliche Befreiung des Anlegers

Man muss für die Freistellung auf ertragsteuerlicher Ebene auf die im § 36a EStG kumuliert vorliegenden Bedingungen schauen. Diese drei Voraussetzungen müssen unabhängig von etwaig vorher gewährten Abstandnahmen vom Steuerabzug durch den Stiftungsvorstand überwacht werden, um eine entsprechende Meldung abzugeben und ggf. die Besteuerung von schädlichen Sachverhalten im Nachgang sicherzustellen oder gar einen Erstattungsantrag zu korrigieren.

 

PRAXISTIPP | Sollte also abhängig von der gewährten Nichtveranlagungsbescheinigung bei den Kreditinstituten vom Steuereinbehalt Abstand genommen werden, kann daraus nicht zwingend geschlussfolgert werden, dass dies ebenfalls für die ertragsteuerliche Ebene gilt. Deshalb kann es wichtig sein, das Aktienportfolio bei einem Kreditinstitut zusammenzulegen, um eine vorgelagerte, vollumfängliche Prüfung der Ausnahmetatbestände durch die depotführende Stelle zu ermöglichen.

 

Somit würde es bei einer unterstellten regulären NV-Art 35 bei Überschreiten des Freibetrags und Unterschreiten der wirtschaftlichen Haltedauer schon auf Ebene der Depotführung zu einem Steuerabzug kommen. Damit wäre die Gefahr einer Steuerverkürzung ausgeschlossen.

 

PRAXISTIPP | Hierbei kann es zusätzlich hilfreich sein, bei der depotführenden Stelle über den Anlageberater ‒ falls vorhanden ‒ eine für Stiftungsfonds geeignete Strategie zu verfolgen. Diese stellt bei Geldinstituten schon von Bankseite aus die Einhaltung der Kriterien sicher, die eine Steuerpflicht verhindern.

 

Aktien-Investition über Investmentfonds

Mit der 2017 abgeschafften transparenten Besteuerungssystematik entfiel für Investmentfonds die Möglichkeit, deutsche Dividenden steuerfrei zu vereinnahmen und vollständig an ihre Anleger weiterzugeben. Dies trifft zunächst vor allem die gemeinnützigen Anleger in Form des Liquiditätsnachteils in Höhe der Körperschaftsteuer (15 Prozent). Das neue Investmentsteuerrecht unterscheidet dabei zwischen den regulären und Spezial-Investmentfonds.

 

Investment in Spezial-Investmentfonds

Bei den Spezial-Investmentfonds bleibt es bei Ausübung der Transparenzoption für inländische Einkünfte bei der Besteuerung nach altem Investmentsteuerrecht. Das Wahlrecht obliegt ausschließlich der Kapitalverwaltungsgesellschaft.

 

PRAXISTIPP | Deshalb sollten die Vorstände die Optierung explizit besprechen und fordern, um Nachteile für die Stiftung zu verhindern. Einen rechtlichen Anspruch auf die Ausübung der Optierung hat die Stiftung nicht.

 

Investment in reguläre Investmentfonds

In der Regel investiert die Stiftung allerdings eher in reguläre Investmentfonds, insbesondere Publikumsfonds. Hierbei kann die liquiditätsschädliche Steuer auf deutsche Dividenden vermieden werden, und zwar

  • entweder über einen Wechsel in ein steuerbefreites Vehikel oder
  • die Erstattung der auf den Anleger entfallenden Fondsbesteuerung.

 

Wechsel in ein steuerbefreites Vehikel

Der Wechsel in eine steuerbefreite Fondsanteilscheinklasse bzw. in einen komplett steuerbefreiten Investmentfonds birgt zusätzliche Kosten, die sich durch die separate Anteilscheinklasse erklären. Und er kann weitere ungewollte Konsequenzen zur Folge haben. Denn mit dem Wechsel zum steuerbefreiten Investmentfonds kann nicht immer die ursprünglich gewählte Anlagestrategie verfolgt werden.

 

Erstattung der auf den Anleger entfallenden Fondsbesteuerung

Daneben ist es möglich, die Kapitalertragsteuer des Investmentfonds anteilig auf Antrag über die Kapitalverwaltungsgesellschaft erstattet zu bekommen. Hierfür müssen gemeinnützige Anleger neben dem Nachweis zur Steuerbefreiung einen Investmentanteil-Bestandsnachweis (IBN) sowie eine Bestätigung der Einhaltung der dreimonatigen Mindesthaltepflicht einreichen. Diese werden bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft eingereicht, welche die Erstattung in die Wege leitet. Dieser Prozess wird auch in der Handreichung aus 2018 des Bundesverband Deutscher Stiftungen beschrieben.

 

PRAXISTIPP | Wichtig ist, dass der IBN bei der depotführenden Stelle beantragt und für jeden Investmentfonds gesondert ausgefüllt werden muss. Für die Überprüfung der dreimonatigen Haltedauer für das Kalenderjahr 2018 ist auch der Zeitraum vor Inkrafttreten des neuen Investmentsteuergesetzes zu berücksichtigen. Priorisiert ist dabei der Erstattungsweg über die Verwahrstelle des Investmentfonds und nicht über die Finanzbehörden.

 

Die Erstattung an gemeinnützige Organisationen erfolgt nur, wenn alle obigen Voraussetzungen des § 36a EStG erfüllt sind. Dies muss die gemeinnützige Organisation selbst prüfen und bestätigen. Um finanziellen Schaden von der Stiftung abzuwenden, sollte auch hier durch den Vorstand zwingend im Vorhinein abgeklärt werden, wann die Kapitalverwaltungsgesellschaft einen solchen Antrag annimmt. Denn auch hier besteht kein Anspruch auf Erstattung und somit keine Möglichkeit der Stiftung den Antrag durchzusetzen.

 

Allerdings bedeutet die Erstattung nicht nur zusätzliche Bürokratie für den Stiftungsvorstand, sondern auch fehlende Liquidität, bedingt durch die zeitlich stark verzögerte Erstattung.

Handlungsempfehlungen für Stiftungsvorstände

Aufgrund der generell verfolgten Risikostreuung dürfte sich bei vielen Stiftungen trotz der Verschärfung der gesetzlichen Regelungen keine Steuerpflicht ergeben. Dennoch müssen die Stiftungsvorstände zwingend analysieren, in welchem Umfang die Stiftung von den Änderungen betroffen ist, um eine Belastung durch Steuern trotz einer Gemeinnützigkeit zu verhindern. Hierbei muss auf eine aussagekräftige Dokumentation geachtet werden.

 

In der Analyse sollte in einem ersten Schritt über sämtliche Depots der Stiftung hinweg geprüft werden, ob einer der beiden Ausnahmetatbestände des § 36a EStG erfüllt ist (Freibetrag < 20.000 Euro; Mindesthaltedauer ein Jahr). Sollte dies nicht der Fall sein, müssen die drei Voraussetzungen des § 36a EStG für inländische Dividendenerträge geprüft werden.

 

Stiftungsvorstände sollten erwägen, die Anlagerichtlinien hinsichtlich der Einhaltung der Voraussetzungen, Prüfung von Verstößen oder der Einreichung von Erstattungsanträgen zu aktualisieren. So schließen sie ein Organisationsverschulden aus.

 

PRAXISTIPP | In der täglichen Umsetzung kann durch die Wahl der geeigneten depotführenden Bank sowie der passenden Anlagestrategie, die geeignet für gemeinnützige Einrichtung ist, ein signifikanter Teil des daraus resultierenden Aufwands auf die Bank ausgelagert werden. Hierdurch kann der Stiftungsvorstand eine größere Handlungssicherheit gewinnen, weil neben seiner Kontrolltätigkeit der Bank die Einhaltung der Ausnahmetatbestände und ‒ soweit möglich ‒ das Vorliegen der Voraussetzungen des § 36a EStG überwacht.

 

Weiterführender Hinweis

  • BVDS (2018), Handreichung zur Investmentfondsbesteuerung, Blog Stiftungsrecht, 29.11.2018
Quelle: Seite 217 | ID 46053587