Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Investitionsschutzabkommen

Investitionsschutzrechtliche Restrukturierungen am Beispiel deutscher Investitionen in der Türkei

von RA Dr. Constantin Frank-Fahle, LL.M., Dubai, VAE

| Deutschland hat mit über 133 Staaten sog. Investitionsschutz- und -förderverträge (IFV; auch Investitionsschutzabkommen genannt) abgeschlossen. Derartige Verträge vermitteln dem Investor Schutz u. a. vor ungerechtfertigten Eingriffen (z. B. Enteignung). Am Beispiel der Türkei geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, unter welchen Bedingungen ein verbesserter investitionsrechtlicher Schutz erreicht werden kann und welche (außen-)steuerlichen Fragen sich hierbei stellen. |

1. Ausgangsüberlegungen

Durch Investitionsschutz- und -förderverträge (IFV) wird Investoren im jeweiligen Gaststaat ein materieller Investitionsschutz vermittelt. Weltweit gibt es ca. 3.000 bi- und multilaterale IFV. Die Bundesrepublik Deutschland hat in der Nachkriegszeit eine führende Rolle im Auf- und Ausbau dieses Netzwerks gespielt.

 

IFV bezwecken den Schutz von Investoren vor politischen Risiken, d. h. vor Maßnahmen oder Entscheidungen, die vom Gaststaat ausgehen und ausländische Investitionen beeinträchtigen. Die Beeinträchtigung der Investition kann von staatlichen Stellen, aber auch von anderen Rechtssubjekten, deren Handeln oder Unterlassen dem Staat zugerechnet werden kann, ausgehen. Der gewährleistete Schutz durch IFV lässt sich grundsätzlich in 2 Kategorien unterscheiden:

 

1.1 Materieller Investitionsschutz

Neben dem allgemeinen Versprechen, (günstige) Rahmenbedingungen für Investitionen zu erhalten, erlegen Investitionsschutzabkommen dem Gaststaat eine Reihe konkreter Verpflichtungen für die Behandlung ausländischer Investitionen auf. Dabei wird zwischen absoluten und relativen Schutzstandards unterschieden:

 

Absolute Schutzstandards beinhalten:

  • Schutz vor unrechtmäßigen Enteignungen
  • Gerechte und billige Behandlung
  • Umfassender Schutz und Sicherheit
  • Schirmklauseln (Schutz gegen den Bruch staatlicher Zusagen)
  • Recht zum uneingeschränkten Gewinntransfer

 

Relative Schutzstandards beinhalten:

  • Inländergleichbehandlung (Schutz vor Diskriminierung)
  • Meistbegünstigung

 

Bei den vorgenannten absoluten und relativen Schutzstandards handelt es sich um allgemeine Standards, die in den meisten IFV widergespiegelt sind.

 

1.2 Prozessualer Schutz

Grundsätzlich bestehen die folgenden Rechtsschutzformen in IFV:

  • Staat-Staat-Investitionsschutzschiedsverfahren
  • Investor-Staat-Investitionsschutzschiedsverfahren

 

1.2.1 Staat-Staat-Investitionsschutzschiedsverfahren

Bei einem sog. Staat-Staat-Investitionsschutzschiedsverfahren haben lediglich die jeweiligen Vertragsparteien, also die unterzeichnenden Staaten, die Möglichkeit ein (Schieds-)Gericht zur Klärung der investitionsschutzrechtlichen Auseinandersetzung anzurufen (z. B. Beeinträchtigung der Investition eines Privatinvestors im Gaststaat). Hierbei handelt es sich um eine Rechtsschutzmöglichkeit, die sowohl in älteren als auch modernen IFV enthalten ist.

 

1.2.2 Investor-Staat-Investitionsschutzschiedsverfahren

Demgegenüber erlauben moderne IFV dem Investor, Rechte aus dem jeweiligen IFV direkt gegenüber dem Gaststaat im Wege eines sog. Investor-Staat-Investitionsschutzschiedsverfahrens geltend zu machen. Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass es sich bei IFV um sog. völkerrechtliche Verträge handelt. Diese vermitteln den kontrahierenden Staaten unmittelbare Rechte und Pflichten. Unter Zugrundelegung, dass IFV allerdings maßgeblich darauf abzielen, dass die Investitionen ausländischer Investoren gefördert und geschützt werden, sehen moderne IFV mittlerweile ein „abgeleitetes“ Recht des Investors vor, das diesem von der jeweiligen Vertragspartei vermittelt wird. Mit anderen Worten kann der Investor statt der Vertragspartei seine (abgeleiteten) Rechte direkt geltend machen. Gleichwohl enthalten moderne IFV auch Staat-Staat-Schiedsklauseln.

 

Ungeachtet dessen sind die Vertragsparteien bzw. der Investor vor Einleitung eines Investitionsschutzschiedsverfahrens grundsätzlich dazu verpflichtet, mit dem jeweiligen Gaststaat eine gütliche Einigung über den Streitgegenstand zu erzielen. Sollten nach Ablauf einer sog. Cooling Period (in der Regel zwischen 6 ‒ 12 Monate) die Meinungsverschiedenheiten nicht beigelegt worden sein, kann mit der Durchführung des eigentlichen Schiedsverfahrens begonnen werden. IFV enthalten in der Regel Klauseln, wonach die Parteien jeweils einen eigenen Schiedsrichter benennen können. Die beiden Schiedsrichter ernennen sodann einen Staatsangehörigen eines Drittstaats, der den Vorsitz des Schiedsgremiums übernimmt.

2. Investitionsschutzrechtliche Lage am Beispiel der Türkei

Im Jahr 2017 exportierte die Bundesrepublik Deutschland Waren im Wert von ca. 22 Mrd. EUR in die Türkei. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Exporte in den ersten 6 Monaten des Jahres 2018 um ca. 9,7 % zurückgegangen. Dieser Rückgang ist u. a. auf die politischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und der Türkei Mitte des Jahres 2016 zurückzuführen. Das Investitionsklima hat sich seit dem Putschversuch am 15.7.16, nicht zuletzt auch wegen der Zwangsverstaatlichung von etwa 1.000 Unternehmen, negativ entwickelt. Die Aufnahme deutscher Unternehmen auf eine Liste angeblicher Terrorunterstützer, die zwar nach politischen Protesten wieder rückgängig gemacht wurde, ist beispielhaft für das Anprangern deutscher Investoren.

 

  • Beispiel

Die Spezialmaschinen GmbH hat bereits in den 1990er-Jahren in der Türkei eine Tochterkapitalgesellschaft gegründet. Im Rahmen der innenpolitisch angestrengten Situation der vergangenen Monate befürchtet der Geschäftsführer der Spezialmaschinen GmbH, dass seine Investition in der Türkei beeinträchtigt werden könnte. Der Geschäftsführer möchte wissen, welche prozessualen Rechtsschutzmöglichkeiten er im Rahmen des deutsch-türkischen Investitionsschutz- und -fördervertrags hat und was er ggf. veranlassen muss, um seine Rechtsposition zu verbessern.

 

2.1 Deutsch-türkischer IFV vom 20.6.62

Deutsche Investitionen in der Türkei fallen grundsätzlich in den sachlichen Anwendungsbereich des deutsch-türkischen Investitionsschutzvertrags vom 20.6.62, der am 14.9.65 in Kraft getreten ist. Der Vertrag bietet deutschen Investoren keine Möglichkeit, direkt gegen Beeinträchtigungen der durch das IFV vermittelten Investitionsstandards vorzugehen (kein Investor-Staat-Schiedsverfahren). Gemäß Art. 11 des IFV zwischen Deutschland und der Türkei gilt Folgendes:

 

  • 1. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Vertrags werden die Vertragsparteien zur Herbeiführung einer Lösung in freundschaftlichem Geist Konsultationen aufzunehmen.

 

  • 2. Soweit eine Meinungsverschiedenheit auf diese Weise nicht innerhalb eines Jahres von dem Zeitpunkt an beigelegt werden kann, in welchem einer Vertragspartei die Aufnahme der in Abs. 1 genannten Konsultationen von der anderen Vertragspartei vorgeschlagen worden ist, so kann sie auf Verlangen einer der Vertragsparteien einem Schiedsgericht unterbreitet werden.

 

  • 3. Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet, indem jede Vertragspartei ein Mitglied bestellt und beide Mitglieder sich auf einen Obmann einigen, der von den Regierungen der beiden Vertragsparteien zu bestellen ist. Die Mitglieder sind innerhalb von 2, der Obmann innerhalb von 3 Monaten zu bestellen, nachdem eine Vertragspartei der anderen mitgeteilt hat, dass sie die Streitigkeit einem Schiedsgericht unterbreiten will.

 

  • 4. Werden die in Artikel 3 genannten Fristen nicht eingehalten, so kann in Ermangelung einer anderen Vereinbarung jede Vertragspartei den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs bitten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Besitzt der Präsident die Staatsangehörigkeit einer der beiden Vertragsparteien oder ist er aus einem anderen Grund verhindert, so soll der Vizepräsident die Ernennungen vornehmen. Besitzt auch der Vizepräsident die Staatsangehörigkeit einer der beiden Vertragsparteien oder ist auch er verhindert, so soll das im Rang nächstfolgende Mitglied des Gerichtshofs, das nicht die Staatsangehörigkeit einer der beiden Vertragsparteien besitzt, die Ernennungen vornehmen.

 

  • 5. Das Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind bindend. Jede Vertragspartei trägt die Kosten ihres Mitglieds sowie ihrer Vertretung in dem Verfahren vor dem Schiedsgericht; die Kosten des Obmanns sowie die sonstigen Kosten werden von den beiden Vertragsparteien zu gleichen Teilen getragen. Das Schiedsgericht kann eine andere Kostenregelung treffen.

 

  • 6. Im Übrigen regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selbst, es sei denn, dass sich die Vertragsparteien bis zur Einrichtung des Schiedsgerichts über weitere Verfahrensregeln geeinigt haben.

 

Ein Investitionsschiedsgerichtsverfahren kann laut dem Investitionsschutzvertrag nur von den Vertragsparteien selbst, also der Bundesrepublik Deutschland oder der Türkei, einberufen werden. Folglich steht dem deutschen Investor lediglich die Möglichkeit zu, seinen Rechtsschutz unter Einschaltung der Bundesregierung (indirekt) oder vor einem türkischen Gericht direkt geltend zu machen. Fraglich ist allerdings, ob deutsche Investoren ein neutrales Urteil durch ein türkisches Gericht erwarten können.

 

2.2 Türkisch-schweizerischer IFV vom 3.3.88

Bestehende Investitionen können unter bestimmten Voraussetzungen so umstrukturiert werden, dass sie in den Anwendungsbereich eines moderneren Investitionsschutzabkommens fallen, das einen breitflächigeren Schutz bietet. Die Türkei hat mehr als 90 bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, darunter auch ein Investitionsschutzabkommen mit der Schweiz vom 3.3.88, das am 21.2.90 in Kraft getreten ist. Im IFV zwischen der Schweiz und der Türkei hat der Investor ‒ im Gegensatz zu veralteten IFV ‒ gemäß Art. 8 die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren direkt gegen den Gaststaat (Türkei) einzuleiten:

 

  • 1. Für die Zwecke dieses Artikels wird als Investitionsstreitigkeit eine Streitigkeit verstanden, in der eine Verletzung von durch dieses Abkommen verliehenen oder begründeten Rechten und Pflichten behauptet wird.

 

  • 2. Zur Lösung einer Investitionsstreitigkeit zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei finden Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.

 

  • 3. Führen diese Beratungen innerhalb von 12 Monaten zu keiner Lösung, wird die Streitigkeit dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (errichtet unter dem Washingtoner Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.65) unterbreitet. Der Investor muss dazu schriftlich einwilligen. Hat der Investor vorher die Streitigkeit den Gerichten einer Vertragspartei, die Streitpartei ist, unterbreitet, darf kein endgültiges Urteil vorliegen.

 

  • Jede Partei kann das Verfahren einleiten, indem sie entsprechend Art. 36 des Übereinkommens einen Antrag an den Generalsekretär des Zentrums richtet. Die am Streit beteiligte Vertragspartei kann in keiner Phase des Streitbeilegungs- oder Vollstreckungsverfahrens den Einwand erheben, die andere Streitpartei, ob Staatsangehöriger oder Gesellschaft, habe aufgrund eines Versicherungsvertrags gemäß Art. 7 dieses Abkommens eine Entschädigung für einen Teil oder die Gesamtheit des entstandenen Schadens erhalten.

 

  • 4. Eine Gesellschaft, die gemäß den Gesetzen einer Vertragspartei gegründet oder errichtet wurde und die vor dem Entstehen der Streitigkeit von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei beherrscht wird, gilt im Sinne von Art. 25 Abs. 2 Buchst. b) des Washingtoner Übereinkommens als Gesellschaft der anderen Vertragspartei.

 

  • 5. Die Durchführung des Schiedsgerichtsverfahrens bei Investitionsstreitigkeiten erfolgt gemäß den Bestimmungen des Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten und den „Schiedsregeln“ des Zentrums.

3. Investitionsschutzrechtliche Restrukturierung

Investitionsrechtliche Restrukturierungsmaßnahmen haben zum Ziel, dass der persönliche Anwendungsbereich eines günstigeren IFV eröffnet wird. Übertragen auf das Ausgangsbeispiel könnten die Anteile, die die deutsche GmbH an der türkischen Tochterkapitalgesellschaft hält, auf eine Tochtergesellschaft in der Schweiz übertragen werden. Zu bedenken ist allerdings, dass ein derartiges Vorgehen mitunter als rechtsmissbräuchlich gewertet werden könnte (sog. Treaty-Shopping):

 

3.1 Zulässigkeit des Treaty-Shoppings

In der Regel ist es zulässig, eine Investition so zu (re-)strukturieren, dass bi- oder multilaterale Investitionsschutzverträge genutzt werden können, mithin der persönliche Anwendungsbereich eines solchen Vertrags eröffnet wird. In den meisten Fällen erfolgt dies durch die Gründung einer Tochterkapitalgesellschaft im Gaststaat. Eine alternative Methode besteht darin, dass ein Investor seine Gesellschaftsanteile an einer Tochterkapitalgesellschaft auf eine andere Tochtergesellschaft in einem Drittland überträgt, das mit dem Gaststaat günstigere investitionsschutzrechtliche Rahmenbedingungen unterhält.

 

 

3.2 Anti-Treaty-Shopping-Klausel

Neuere IFV beinhalten jedoch Klauseln, die dem Investor Zugang zum gewünschten IFV verwehren. Diese Klauseln werden als sog. Anti-Treaty-Shopping-Klausel bezeichnet. Danach behalten sich die kontrahierenden Staaten das Recht vor, die Vorteile des IFV einem Investor zu verweigern, sollte dieser lediglich daran interessiert sein, eine neue investitionsschutzrechtliche Nationalität zu erwerben, um Vorteile aus dem vorliegenden IFV zu ziehen, die ihm aufgrund der bisherigen Strukturierung der Investition bislang nicht zugänglich waren. Ein Beispiel für eine sog. Anti-Treaty-Shopping-Klausel findet sich im IFV zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kolumbien. Art. 25 dieses IFV regelt Folgendes:

 

  • 1. Benefits of this Agreement shall not be available to an Investor of a Contracting Party, if the main purpose behind the acquisition of the nationality of that Contracting Party was to obtain benefits under this Agreement that would not otherwise be available to such Investor.

 

  • 2. A Contracting Party may deny benefits of this Agreement to:

 

    • a) An Investor of the other Contracting Party that is a juridical person of such Contracting Party and to an investment of such investor if the juridical person is owned or controlled by investors of a third party the Denying Contracting Party does not maintain diplomatic relations with the third party;

 

    • b) An Investor of the other Contracting Party that is a juridical person of such other Contracting Party and to investments of that investor, if an investor of a non-Contracting-Party owns or controls the juridical person or the juridical person has not substantial business activities in the territory of the other Contracting Party.

 

Diese Klausel sperrt den Anwendungsbereich des IFV u. a. für den Fall, dass der Investor lediglich daran interessiert ist, die neue investitionsschutzrechtliche Nationalität zu erlangen, um unter den (günstigeren) Investitionsschutz dieses IFV zu fallen.

 

3.3 Rechtsprechung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit

Soweit das jeweilige IFV keine Anti-Treaty-Shopping-Klausel enthält, prüfen Investitionsschiedsgerichte (bei Vorliegen eines entsprechenden Sachvortrags des Staates), ob die durchgeführte Restrukturierung im Übrigen nicht rechtsmissbräuchlich ist. Von der Rechtsprechung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ist dies anhand der folgenden Kriterien zu prüfen:

  • persönliche Aspekte
  • materiell-rechtliche Aspekte und
  • zeitliche Aspekte

 

Bei der Erhebung von Einwänden gegen die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs eines IFV argumentieren die beklagten Staaten in der Regel, dass der Investor, der die Forderung im Rahmen eines bestimmten IFV getätigt hat, nicht der „echte“ Investor sei.

 

Bei den materiell-rechtlichen Einwänden prüfen Schiedsgerichte, ob bestimmte Restrukturierungsmaßnahmen, die sich aus dem breiten Schutz indirekter Investitionen ergeben, gültig sind. Hierunter fällt z. B. die Umschichtung von Vermögenswerten innerhalb einer Unternehmensgruppe in eine Tochtergesellschaft mit qualifizierter Nationalität.

 

Investitionsrechtliche Restrukturierungen sind in der Regel zeitkritisch. Daher ist die Mehrzahl der Entscheidungen zu der Frage, wie eine kurzfristige Restrukturierung (z. B. kurz vor oder nach der Investitionsbeeinträchtigung) zu werten ist, ergangen. Schiedsgerichte haben hierbei schwerpunktmäßig darauf abgestellt, ob die investitionsrechtliche Auseinandersetzung zum Zeitpunkt der Restrukturierung absehbar war oder nicht. Dies zugrunde gelegt ergibt sich folgendes Bild:

 

Sollte eine Restrukturierung nicht frühzeitig vollzogen worden sein, d. h. erst nach oder kurz vor Eintritt einer vorhersehbaren investitionsschutzrechtlichen Auseinandersetzung, sind die Chancen für den jeweiligen Investor gering, dass der persönliche Anwendungsbereich des günstigeren Investitionsschutzabkommens eröffnet wird bzw. dies später von einem Schiedsgericht anerkannt wird (Philip Morris Asia Limited v. The Commonwealth of Australia, PCA Case No. 2012-12). Vor diesem Hintergrund ist eine frühzeitige Planung des Investitionsschutzes unerlässlich. Ein „Wechsel“ der Nationalität unmittelbar vor einer Auseinandersetzung wird in der Regel nicht anerkannt.

4. Steuerliche und investitionsrechtliche Aspekte der Restrukturierung

4.1 Steuerrechtliche Implikationen

4.1.1 Hinzurechnungsbesteuerung

In außensteuerrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass durch die Zwischenschaltung einer Gesellschaft möglicherweise die sog. Hinzurechnungsbesteuerung nach § 8 AStG ausgelöst werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn es sich u. a. um eine Zwischengesellschaft handelt, die lediglich passive Aktivitäten durchführt (ausführlich zu Risiken für eine Hinzurechnungsbesteuerung im Konzern s. Endres/Brunsbach, PIStB 16, 97).

 

4.1.2 Lokale Besteuerung und Doppelbesteuerung

Auch muss berücksichtigt werden, dass eine investitionsrechtliche Restrukturierung zum einen zu neuen Steuertatbeständen in der „Zwischengesellschaft“ führen kann. Zum anderen hat eine Restrukturierung auch Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Je nachdem wie die lokalen Steuersätze (u. a. Quellenbesteuerung) ausgestaltet sind, können sich im Vergleich zu der vorherigen steuerlichen Situation Vor- oder Nachteile ergeben:

 

  • Beispiel

Die Spezialmaschinen GmbH erhält von ihrer türkischen Tochterkapitalgesellschaft ausschließlich Dividenden. Wie wirkt sich die investitionsrechtliche Restrukturierung auf die Besteuerung der Dividende aus?

 

Die Quellensteuerbelastung in der Türkei stellt sich wie folgt dar:

 

  • Nach türkischem Steuerrecht unterliegen Dividenden, die an einen ausländischen Gesellschafter gezahlt werden, einer Quellensteuer von 15 %. Es kann etwas anderes gelten, wenn dieser Quellensteuersatz durch ein DBA reduziert wird.

 

  • Gemäß des deutsch-türkischen DBA vom 19.9.2011 (rückwirkend anzuwenden seit dem 1.1.11) wird der Quellensteuersatz auf Dividenden, die an eine deutsche Muttergesellschaft ausgeschüttet werden auf 5 % gesenkt, sofern diese mindestens 25 % der Gesellschaftsanteile an der türkischen Tochtergesellschaft hält (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) DBA Deutschland-Türkei).

 

  • Das DBA zwischen der Schweiz und der Türkei vom 18.6.10, das am 8.2.12 in Kraft getreten ist, sieht ebenfalls vor, dass der Quellensteuersatz auf 5 % reduziert wird (Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) (i) DBA Schweiz- Türkei). Allerdings reicht 0‒ abweichend zum deutsch-türkischen DBA ‒ eine Mindestbeteiligung von 20 % der Gesellschaftsanteile aus.

 

Durch die Restrukturierung ergeben sind keine Unterschiede. Die steuerliche Lage in der Schweiz sieht wie folgt aus:

 

  • Dividenden sind in der Schweiz grundsätzlich körperschaftsteuerpflichtig. Allerdings sind Steuerbefreiungen vorgesehen für Dividenden von Gesellschaften, an denen mindestens 10 % der Gesellschaftsanteile gehalten werden (bzw. die Beteiligung einen Wert von 1 Mio. CHF hat).

 

  • Schüttet die schweizerische Gesellschaft Dividenden an die deutsche Muttergesellschaft aus, unterliegen die Dividenden in der Schweiz grundsätzlich einer Quellensteuer von 35 %. Von dieser Regelung bestehen allerdings folgende Ausnahmen:

 

    • Die Schweiz und die EU haben am 27.5.15 ein sog. Standard-for-Automatic-Exchange-of-Financial-Account-Information-in-Tax-Matters(AEOI)-Abkommen abgeschlossen. Das AEOI ist am 1.1.17 in Kraft getreten. Ausweislich Art. 9 Abs. 1 unterliegen Dividendenzahlungen einer Tochter- an eine Muttergesellschaft unter den folgenden Voraussetzungen nicht der Besteuerung im Quellenstaat: Die Muttergesellschaft muss seit mindestens 2 Jahren eine Mindestbeteiligung von 25 % am Kapital der Tochtergesellschaft haben. Des Weiteren muss die Muttergesellschaft ihren steuerlichen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU und die ausschüttende Gesellschaft ihren steuerlichen Wohnsitz in der Schweiz haben.

 

    • Das DBA zwischen der Bunderepublik Deutschland und der Schweiz vom 11.8.71, in Kraft getreten am 29.12.72, sieht vor, dass Dividenden in dem Vertragsstaat, in dem die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, keiner Quellenbesteuerung unterliegen, wenn der Empfänger eine in einem anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens 12 Monaten unmittelbar über 10 % der Gesellschaftsanteile der ausschüttenden Gesellschaft hält (Art. 10 Abs. 3).

 

Beachten Sie | Gemäß Art. 9 Abs. 3 des AEOI hat ein zwischen der Schweiz und einem Mitgliedstaat der EU bestehendes DBA vor dem AEOI Vorrang, sofern das DBA günstigere Regelungen enthält. Vor dem Hintergrund, dass nach dem DBA lediglich 10 % der Gesellschaftsanteile für einen Mindestzeitraum von 12 Monaten gehalten werden müssen (gegenüber einem Mindestanteil von 25 % über einen Zeitraum von 2 Jahren), sind die Regelungen des deutsch-schweizerischen DBA gegenüber dem AEOI vorteilhafter.

 

Im Ergebnis unterliegen Dividenden grundsätzlich keiner Quellenbesteuerung, mit Ausnahme der ersten 12 Monate nach der Restrukturierung (vgl. Art. 10 Abs. 3 DBA Deutschland-Schweiz). In diesem Zeitraum greift eine Quellenbesteuerung von 35 %, sodass anzuraten ist, eine Gewinnausschüttung erst danach vorzunehmen, um eine Quellenbesteuerung zu vermeiden.

 

4.2 Investitions- und gewerberechtliche Beschränkungen

Investitionsrechtliche Voraussetzungen können es u. a. erforderlich machen, dass eine Restrukturierung nur mit natürlichen oder juristischen Personen, die als Staatsangehörige bestimmter Staaten anerkannt werden, durchgeführt werden können. Außerdem können Investitionsförderbehörden oder staatliche Auftraggeber (gerade staatliche Erdöl- und Gasgesellschaften) zur Bedingung machen, dass eine Investition lediglich über die Muttergesellschaft strukturiert werden kann. Entsprechende Einschränkungen können sich mit Blick auf gewerberechtliche Erlaubnisse ergeben.

 

FAZIT | IFV eröffnen ausländischen Investoren einen materiellen Investitionsschutz. Am Beispiel deutscher Investitionen in der Türkei zeigt sich allerdings, dass ältere IFV ungünstige Streitschlichtungsklauseln enthalten können, die den Investitionsschutz mitunter „leerlaufen“ lassen können. In diesem Fall ist es ratsam, eine investitionsrechtliche Restrukturierung durchzuführen, um den Schutz eines günstigeren IFV zu erlangen. Dieser Vorgang wird mitunter auch als Treaty Shopping bezeichnet und ist grundsätzlich zulässig. Wenn die Umstrukturierung frühzeitig, d. h. vor einer investitionsrechtlichen Auseinandersetzung durchgeführt wurde und keine Anti-Treaty-Shopping-Klausel vorliegt, wird die neu erworbene Nationalität als wirksam erachtet. In steuerlicher Hinsicht ist zu bedenken, dass eine investitionsrechtliche Restrukturierung zu neuen Steuertatbeständen in der r„Zwischengesellschaft“ führen kann und Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von DBA hat. Somit muss, je nach Ausgestaltung der lokalen Steuersätze, berücksichtigt werden, dass eine investitionsrechtliche Restrukturierung im Vergleich zu der vorherigen steuerlichen Situation, Vor- oder Nachteile mit sich bringt.

 

Zum Autor | Dr. Constantin Frank-Fahle, LL.M ist Rechtsanwalt und Legal Consultant in der Kanzlei SCHLÜTER GRAF Legal Consultants, Dubai (VAE). Die Kanzlei ist auf die ganzheitliche Beratung von ausländischen Investoren im Nahen und Mittleren Osten spezialisiert.

Quelle: Seite 286 | ID 45423401