Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Honorarverluste vermeiden

Update Gebührenrecht, Teil 2: Fingerzeig für Fehlervermeidung in 2018

von RA Hans-Günther Gilgan, Münster

| Das Gebührenrecht für Steuerberater birgt immer noch viele Unsicherheiten bei seiner Anwendung. KP beleuchtet die Probleme mit Beispielen aus der Rechtsprechung und zeigt Ihnen, worauf Sie achten müssen, um Honorarverluste zu vermeiden. |

Auslagenpauschale des § 16 StBVV gilt für jede gebührenrechtliche Angelegenheit

Nach § 16 StBVV hat der Steuerberater Anspruch auf Ersatz der bei der Ausführung des Auftrags für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zu zahlenden Entgelte. Er kann nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Kosten einen Pauschsatz fordern, der 20 % der sich nach der StBVV ergebenden Gebühren beträgt, in derselben Angelegenheit jedoch höchstens 20 EUR (s. auch AG Wolfratshausen 26.7.17, 8 C 1136/16).

 

Nach § 12 Abs. 2 StBVV kann der Steuerberater die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Was unter dem Begriff „Angelegenheit“ zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Nach der Rechtsprechung ist der Begriff „Angelegenheit“ der durch einen einheitlichen Lebenssachverhalt abgesteckte Rahmen, in dem der Berater für seinen Auftraggeber tätig werden soll. Grundsätzlich ist die Tätigkeit eines Steuerberaters, für die die StBVV eine selbstständige Gebühr ausweist, eine Angelegenheit, die sich auf mehrere, gebührenrechtlich unbeachtliche Einzeltätigkeiten erstrecken kann. Von der Angelegenheit ist der Auftrag nach § 12 StBVV zu unterscheiden, denn dieser kann mehrere Angelegenheiten und jede Angelegenheit mehrere Einzelleistungen umfassen.

 

  • Beispiel
Auftrag: Erstellung des Jahresabschlusses

Angelegenheiten

Abschlussvorarbeiten § 35 Abs. 3 StBVV

Prüfung der Buchführung in Teilbereichen§ 36 Abs. 1

Aufstellung des Jahresabschlusses§ 35 Abs. 1 Nr. 1a

Ableitung des steuer-lichen Ergebnisses vom Handelsbilanzergebnis § 35 Abs. 1 Nr. 3b

Schriftlicher Erläuterungsbericht zum Jahresabschluss § 35 Abs. 1 Nr. 6

Einzeltätigkeiten

Erstellung von Debitoren- und Kreditorenlisten

Prüfung einzelner Konten

Übernahme der Buchungsunterlagen etc.

Korrektur der nicht abzugsfähigen Betriebsaufwendungen

Darstellung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs

Erstellung der Summen- und Saldenbilanz aus den Konten des Auftraggebers

Prüfung des Inventars

Vorbereitungen zur Abschlusserstellung

Korrektur der Bewirtungsaufwendungen

Entwicklung und Erläuterung einzelner Bilanzposten und Ansätze in der Gewinn- und Verlustrechnung

 

Im Beispielsfall könnte der Steuerberater also fünfmal die Auslagenpauschale von maximal 20 EUR ansetzen ‒ und zwar selbst dann, wenn die Höhe der tatsächlich entstandenen Auslagen weit unter dem Pauschbetrag liegt (Feiter, a. a. O., § 16, Rz. 285). Umstritten ist, ob der Steuerberater die Pauschale abrechnen kann (so Berners, Praxiskommentar Steuerberatervergütungsverordnung, § 16, Rz. 2) oder abrechnen muss (so Brummer, Gebührenverordnung für Steuerberater, § 16, Ziffer 2 und Warttinger/Zimmermann, Gebührenrecht für Steuerberater, § 4, Rz. 6).

 

Da sich der Vergütungsanspruch nach § 1 Abs. 1 StBVV aus einem Anspruch auf Gebühren und einem Anspruch auf Auslagenersatz zusammensetzt und Steuerberater insoweit an die StBVV gebunden sind, dürfte davon auszugehen sein, dass eine Pflicht besteht, Auslagenersatz abzurechnen, soweit dieser tatsächlich entstanden ist.

 

PRAXISHINWEIS | Im Hinblick auf mögliche berufs- und wettbewerbsrechtliche Probleme sollten Steuerberater nicht auf die Abrechnung von Auslagen verzichten, soweit Auslagen tatsächlich entstanden sind. Sie sollten diese je Angelegenheit (nicht je Rechnung!) nach tatsächlichem Aufwand oder pauschal abrechnen. Bei 100 Mandanten und durchschnittlich fünf Angelegenheiten pro Rechnung steht ein Volumen von 10.000 EUR jährlich in Rede.

 

Literaturrecherche ist abrechenbar

Im Rahmen einer Betriebsprüfung berechnete der klagende Steuerberater für Literaturrecherche zu den Themenbereichen „Rückwirkung des Vorsteuerabzugs“ und „Rechnungsberichtigung“ Zeitgebühren. Dies hat das AG Borken (11.7.17, 12 C 158/14, Urteil unter dejure.org) nicht beanstandet, weil es sich dabei um wiederkehrende Problemstellungen handele, die durchaus der Veränderung unterliegen, sodass hier eine substanzielle Klärung für den Zeitpunkt der Betriebsprüfung herbeizuführen war.

 

Generell unterfällt die Literaturrecherche dem Schwierigkeitsgrad nach § 11 StBVV und beeinflusst damit zwangsläufig die Wahl des Rahmensatzes. Bei Tätigkeiten, die nach Zeitgebühr abgerechnet werden, ist der Umfang dagegen kein gebührenbestimmender Faktor, da er sich bereits in der Anzahl der Stunden ausdrückt (s. Feiter, Die neue Steuerberatervergütungsverordnung, § 11, Rz. 203; LG Duisburg 5.11.07, 2 O 46/05, Urteil unter dejure.org).

 

PRAXISHINWEIS | Innerhalb von Zeitgebühren ist Literaturrecherche grundsätzlich abrechenbar. Bei Wertgebühren schlägt sie sich bei der Wahl des Rahmensatzes nieder.

 

Auftraggeber muss Abschluss einer mündlichen Pauschalhonorarvereinbarung beweisen

Die Wirksamkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung setzt nach § 14 StBVV die Einhaltung der Textform voraus. Eine unter Verletzung der Textform geschlossene Vereinbarung ist nichtig (s. auch OLG Frankfurt 3.1.17, 4 U 117/16, Urteil unter dejure.org). Allerdings kann der Steuerberater in diesem Fall das gesetzliche Honorar berechnen, wobei er in der Höhe aber auf das (unwirksam) vereinbarte Honorar beschränkt ist. Denn das Vertrauen des Steuerberaters ist im Hinblick auf die Kenntnis der Formvorschrift des § 14 StBVV nicht schutzwürdig. Dabei beruft sich z. B. das OLG Köln (8.5.96, 27 U 81/95, BB 96, 2219) darauf, dass der Steuerberater mit der Bestimmung des Pauschalhonorars sein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB unwiderruflich ausgeübt habe. Das OLG Celle (9.2.94, 3 U 83/93, DStR 94, 630) nimmt wegen des unterbliebenen Hinweises des Steuerberaters auf die Formvorschrift eine Pflichtverletzung mit der Folge an, dass der Auftraggeber so zu stellen sei, als sei das Pauschalhonorar wirksam vereinbart worden.

 

Behauptet hingegen der Auftraggeber, mit dem Steuerberater mündlich eine Honorarvereinbarung getroffen zu haben, wäre diese wirksam, wenn der Auftraggeber den Beweis dafür antreten kann (BGH 21.9.00, IX ZR 437/99, Abruf-Nr. 010234). Misslingt der Beweis, kann der Steuerberater ebenfalls nach den Vorschriften der StBVV abrechnen (OLG Hamm 1.10.97, 25 U 137/95, StB 98, 322). Ist jedoch auch dem Auftraggeber der Formverstoß bekannt, ist er nicht schutzwürdig. Das hat zur Folge, dass der Steuerberater die gesetzlichen Gebühren abrechnen kann. Dabei ist er in der Höhe nicht an das unwirksame Pauschalhonorar gebunden (OLG Hamm 24.1.96, 25 U 72/95, GI 97, 223).

 

PRAXISHINWEIS | Es empfiehlt sich grundsätzlich, mit dem Auftraggeber zur Frage des Steuerberaterhonorars unmissverständliche und eindeutige Aussagen zu treffen, wenn keine formgültige Honorarabrede getroffen wird. Zudem sollte dem Auftraggeber in diesem Fall eine schriftliche Auftragsbestätigung mit dem Hinweis übersandt werden, dass alle steuerberatenden Leistungen nach Maßgabe der StBVV abgerechnet werden.

 

Keine Gebühren für aussichtslose Verfahren

Ein Steuerberater ist verpflichtet, seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss er seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren und deswegen den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen sowie sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten. Er hat den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eine nachteilige Fehlentscheidung zu vermeiden. Dazu gehört auch die Pflicht, von einem im Endergebnis aussichtslosen Verfahren abzuraten (so schon BGH 18.12.97, IX ZR 180/96, NJW 98, 1488).

 

Sachverhalt LG Bielefeld 29.3.17, 3 O 44/12, Urteil unter dejure.org

Im entschiedenen Fall hatte der Steuerberater zunächst Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid eingelegt, diesen aber später zurückgenommen. Danach beantragte er eine Änderung des Feststellungsbescheids, die das FA unter Hinweis auf die seit langem eingetretene Festsetzungsverjährung ablehnte. Gegen diese Entscheidung legte der Steuerberater zunächst Einspruch ein und erhob sodann nach Zurückweisung des Einspruchs durch das FA Klage beim zuständigen FG.

 

Entscheidungsgründe

Der Auftraggeber wurde vom Steuerberater nicht über die Aussichtslosigkeit der Anträge und der Einspruchsverfahren belehrt. Indem der Steuerberater dies unterlassen habe, habe er gegen die sich aus dem Steuerberatungsvertrag ergebenden Pflichten verstoßen und sich schadenersatzpflichtig gemacht. Er hätte den Auftraggeber über die wegen des Ablaufs der Feststellungsfrist nach § 169 AO mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehende Aussichtslosigkeit der Antragstellung und des anschließenden Einspruchsverfahrens gegen die Feststellungsbescheide aufklären müssen.

 

Zu einer sachgerechten, umfassenden Beratung gehöre es, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, wenn ein beabsichtigtes Vorgehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben und lediglich erhebliche Kosten verursachen werde. Allein der Hinweis auf „Schwierigkeiten“ mache dem Auftraggeber nicht deutlich, dass Aussichtslosigkeit besteht und lediglich Kosten verursacht werden, zumal wenn auch noch die für eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage erforderlichen Angaben über die Kosten der beabsichtigten Maßnahme fehlten. Auch diese habe der Steuerberater dem Auftraggeber mitzuteilen.

 

MERKE | Von einem aussichtslosen Verfahren hat der Steuerberater ohne Wenn und Aber abzuraten. Für eine gleichwohl vorgenommene Beratung stehen ihm keinerlei Gebühren zu. Bei bereits gezahlten Gebühren steht dem Auftraggeber die Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch in Höhe der zu Unrecht erhobenen Gebühren zu.

 

Steuerberaterkammer darf Honorar für Gerichtsgutachten nicht mit Gebührenbescheid durchsetzen

Eine Steuerberaterkammer, die von einem Gericht mit einem Honorargutachten beauftragt wurde, ist nicht berechtigt, hierfür einen Gebührenbescheid zu erlassen (BVerwG 15.11.17, 10 C 4.16, Urteil unter dejure.org).

 

Sachverhalt

Die Steuerberaterkammer wurde in einem anhängigen Rechtsstreit mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens über die Angemessenheit eines Steuerberaterhonorars beauftragt. Das Stundenhonorar der Steuerberaterkammer setzte der Senat mit gesondertem Beschluss auf 80 EUR fest. Weitergehende Vergütungswünsche der Steuerberaterkammer wies er zurück. Damit war die Steuerberaterkammer nicht einverstanden und legte durch Gebührenbescheid einen Stundensatz von 100 EUR zugrunde. Den Widerspruch gegen ihren Bescheid wies sie zurück. VG und OVG hoben den Gebührenbescheid auf. Das BVerwG hat die Revision der Steuerberaterkammer zurückgewiesen.

 

Vergütung erfolgt nach den Regeln des JVEG

Das Gericht sei zum Erlass des Beschlusses nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) ermächtigt. In dem Beschluss habe das Kammergericht mit bindender Wirkung festgelegt, dass die Vergütung ausschließlich nach den Regeln des JVEG erfolgt und der Stundensatz 80 EUR beträgt. Für die Anwendbarkeit des JVEG genüge zudem der formale Akt der Heranziehung einer Person oder einer Behörde durch ein Gericht zu einer als Sachverständigenleistung bezeichneten Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 JVEG). Das JVEG trägt den Belastungen Rechnung, die dem Einzelnen dadurch entstehen, dass er für Zwecke der Rechtspflege beansprucht wird. Die durch das JVEG eingeräumten Ansprüche verfolgten den Zweck, in einem einfachen, leicht zu vollziehenden Verfahren ermittelt werden zu können. Mit diesem Zweck wäre es nicht vereinbar, wenn das JVEG das Entstehen seiner Ansprüche an materielle Kriterien knüpfen würde, wie etwa das tatsächliche Vorliegen der Sachverständigeneigenschaft. Andernfalls würden die Herangezogenen mit dem Vergütungsrisiko belastet.

 

Honorargutachten ist Sachverständigengutachten

Das OVG hat das von der beklagten Steuerberaterkammer erstattete Honorargutachten als Sachverständigengutachten i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG eingeordnet. Sachverständige sind Hilfspersonen, die dem Gericht die Sachkunde vermitteln, die es selbst nicht hat. Ihre Rolle beschränkt sich nicht auf rein tatsächliche Fragen. Gegenstand ihrer Hilfstätigkeit können auch außerrechtliche Normen- und Regelsysteme sein, wie beispielsweise Handelsbräuche und die Verkehrssitte. Auf solche Gesichtspunkte bezog sich das Gutachten der Steuerberaterkammer jedenfalls auch.

 

Urteil des AG Kassel

In diesem Zusammenhang sei auch auf das Urteil des AG Kassel (4.10.12, 435 C 739/12, Urteil unter dejure.org) verwiesen. In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger nichts vorgetragen, das in Ansehung der für die Gebührenbestimmung gelten Kriterien

 

  • Bedeutung der Angelegenheit,
  • Umfang und
  • Schwierigkeit der Tätigkeit

 

für die Ausfüllung des Gebührenrahmens herangezogen werden konnte. In so einem Fall obliege es in (entsprechender) Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB dem Gericht, nach Billigkeitsgrundsätzen anstelle des Steuerberaters den Gebührensatz festzusetzen. Dabei habe sich das Gericht regelmäßig in der Mitte zu halten (Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rdnr. 19 m. w. N.).

 

Ein Honorargutachten der Steuerberaterkammer habe das Gericht nicht zwingend zuvor einzuholen, da die StBGebV (seit Ende 2012 StBVV) bewusst keine dem § 14 Abs. 2 RVG entsprechende Regelung kenne. Es seien auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die gleichwohl die Einholung eines solchen Gutachtens gebieten würden.

 

Weiterführender Hinweis

  • „Update Gebührenrecht, Teil 1: Fingerzeig für Fehlervermeidung in 2018“, in KP 18, 32
Quelle: Seite 44 | ID 45060496