Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Grundsteuer

Neuregelung der Grundsteuer ‒ Was kommt auf den Mandanten zu?

von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Nach langem Kampf hat der Bundesgesetzgeber das Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer Ende 2019 doch noch fristgerecht umgesetzt. Ab 2025 wird dann in den Bundesländern die Grundsteuer nach neuen Regeln erhoben. Etliche Besitzer von Immobilien fragen sich nun, welche Grundsteuerbelastungen künftig auf sie zukommen und welche Erklärungspflichten sich aus dem neuen Grundsteuerrecht ergeben. Was ist hierbei im Einzelnen zu beachten? |

 

Hintergrund

Mit einem jährlichen Aufkommen von rund 14 Mrd. EUR stellt die Grundsteuer (Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke; Grundsteuer B für Wohn- und Gewerbegrundstücke) neben der Gewerbesteuer die wichtigste kommunale Finanzierungsquelle dar. Diese Quelle stand allerdings auf der Kippe: Denn das BVerfG (10.4.18, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147) hat im April 2018 entschieden, dass das bisherige Bewertungsrecht verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber deshalb bis 31.12.2019 ein neues Gesetz erlassen muss. Für die Umsetzung neuer Bewertungsverfahren wurde eine Übergangsfrist bis Ende 2024 eingeräumt.

 

Grundzüge des Grundsteuer-Reformpakets 2019

Nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat besteht das Reformpaket zur Änderung der Grundsteuer aus drei Bestandteilen:

 

Änderung des Grundgesetzes

Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (15.11.19, BGBl I, 1546) war nötig, um dem Bund ausdrücklich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu übertragen, ohne dass für deren Ausübung die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen müssen. Um den Ländern die Befugnis zu umfassenden landesrechtlichen Regelungen zu ermöglichen, wird diesen für die Grundsteuer das Recht zur abweichenden Regelung nach Art. 72 Abs. 3 GG eingeräumt (BT-Drs. 19/11084, BR-Drs. 499/19).

 

Die „Länderöffnungsklausel“ war insbesondere ein Petitum des Landes Bayern, um aufgrund der Immobilität des Steuerobjekts und des bereits in der Verfassung verankerten Hebesatzrechts die Steuerautonomie der Länder dadurch zu stärken, dass sie abweichende Bewertungsregeln erlassen können. Durch Ergänzung des Art. 105 Abs. 2 GG wird die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für den Bund festgeschrieben und die Abweichungsbefugnis der Länder durch Aufnahme der Grundsteuer in den Katalog des Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG begründet.

 

Anstelle eines (neuen) wertabhängigen Bewertungsmodells können die Bundesländer nun abweichend entscheiden, die Grundsteuer nach einem wertunabhängigen Modell zu berechnen. Dieses weniger aufwendige Bewertungsverfahren wird durch die Grundgesetzänderung möglich, die eine entsprechende Länderöffnungsklausel vorsieht. Das Land Bayern hat bereits angekündigt, allein die Fläche für die Wertbestimmung der Immobilie heranzuziehen. Ein entsprechender Gesetzentwurf auf Landesebene ist für das erste Halbjahr 2020 angekündigt. Welche weiteren Länder dem bayerischen Vorbild folgen werden, muss abgewartet werden.

 

Änderung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz ‒ GrStRefG)

Die grundsätzliche Struktur der Grundsteuer bleibt auch in Zukunft erhalten und wird ‒ wie bisher ‒ in einem dreistufigen Verfahren ermittelt:

 

  • Bewertung der Grundstücke
  • Multiplikation der Grundsteuerwerte mit einer Steuermesszahl
  • Anwendung des Hebesatzes der Kommune

 

Mit dem Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG vom 26.11.19, BGBl I, 1794) ändert sich allerdings ab 2025 insbesondere die Bewertung der Grundstücke. Hauptfeststellungszeitpunkt zur Ermittlung der Grundsteuerwerte nach neuen Bewertungsregeln soll der 1.1.2022 sein. Die neuen Grundsteuerwerte sollen dann ab dem Jahr 2025 Anwendung finden. Hierfür müssen in den nächsten Jahren rund 36 Mio. Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden.

 

PRAXISTIPP | Während einer Übergangsphase bis 2025 bleibt nun Zeit, um die notwendigen Daten neu zu erheben, insbesondere die Grundstücke nach den neuen Spielregeln zu bewerten. Bis Ende 2024 darf deshalb das derzeit geltende Recht angewendet werden.

 

Nach dem GrStRefG erfolgt die Bewertung künftig grundsätzlich nach einem wertabhängigen Modell (BT-Drs. 19/11085, 14138 und 14158): Bei einem unbebauten Grundstück ist hierfür der Wert maßgeblich, der durch unabhängige Gutachterausschüsse ermittelt wird. Ist das Grundstück hingegen bebaut, werden bei der Berechnung der Steuer auch Erträge wie Mieten und Pachten berücksichtigt. Um das Verfahren zu vereinfachen, wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Soll-Ertrag in Form einer Netto-Kaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks angenommen. Dabei gelten künftig folgende neue Spielregeln:

 

  • Ermittlung der neuen Grundsteuerwerte bei Wohnimmobilien
  • Wohngrundstücke, also Ein- und Mehrfamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohnungseigentum, werden nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet, bei dem die Grundstückserträge abzüglich der Bewirtschaftungskosten auf die Restnutzungsdauer kapitalisiert werden. Grundlage des Ertragswerts sind die auf Länderebene vorgegebenen durchschnittlichen Nettokaltmieten (§ 254 BewG, Anlage 3), die von der Wohnungsgröße (kleiner 60 qm, 60 bis 100 qm, größer 100 qm), der Grundstücksart und dem Baujahr (vor 1948, 1949 bis 1978, 1979 bis 1990, 1991 bis 2000, nach 2001) abhängen. Je nach Einordnung der Gemeinde erhöht oder vermindert sich die anzusetzende Kaltmiete (www.iww.de/s3241). Vom entsprechenden Rohertrag sind die nicht umlagefähigen Betriebskosten abzuziehen (§ 255 Abs. 2 BewG, Anlage 40) und ergeben den Reinertrag. Der Reinertrag ist mit dem Vervielfältiger (Restnutzungsdauer und Liegenschaftszins, § 253 Abs. 2 BewG, Anlage 37) zu multiplizieren und ergibt als Barwert den Gebäudewert. Aus Addition von Reinertragsbarwert und (abgezinstem) Bodenrichtwert ergibt sich der Grundsteuerwert (§ 230 BewG).

 

  • Ermittlung des Grundsteuermessbetrags
  • Der Grundsteuermessbetrag ergibt sich aus Multiplikation des Grundsteuerwertes mit der Steuermesszahl (bei Wohngrundstücken 0,34 ‰). Allerdings wird die Steuermesszahl um 25 % reduziert, wenn es sich um geförderten Wohnraum (§ 15 Abs. 3 GrStG) handelt. Daneben kommt auch unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 GrStG eine Ermäßigung der Steuermesszahl um 25 % in Betracht.

 

  • Erfüllung der Steuererklärungspflichten
  • Nach dem künftigen Grundsteuerrecht sind für die Berechnung des Grundsteuerwerts mindestens folgende Angaben erforderlich:

 

    • Baujahr
    • Fläche der Wohnung(en)
    • Anzahl der Wohnungen
    • Anzahl der Garagen
    • Grundstücksgröße
    • Grundstücksart

 

  • Auf Basis dieser Daten ändert sich dann zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.2022) die Bewertung wegen der durch das GrstRefG verursachten Änderungen bei den berücksichtigungsfähigen Mieten und Bodenrichtwerten.

 

  • PRAXISTIPP | Damit die Richtigkeit des Bescheids zum Grundsteuerwert überprüft werden kann, sollte der Berater den Bodenrichtwert und die Eingruppierung der Gemeinde nach dem Wohngeldgesetz prüfen.

     

Neu: Grundsteuer C

Durch das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (30.11.19, BGBl I, 1875) wird den Kommunen erstmals ermöglicht, einen erhöhten, einheitlichen Hebesatz auf baureife Grundstücke festzulegen (sogenannte neue Grundsteuer C).

 

Zielsetzung der neuen Grundsteuer C ist es, einen b„finanziellen Anreiz“ (besser: eine grundsteuerliche Mehrbelastung) zu schaffen, um baureife Grundstücke schneller einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen. Das Recht der Baubehörden, entsprechende Baugebote zu verfügen, bleibt hiervon unberührt.

 

Die neue Grundsteuer C soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf Grundstücke beschränkt werden, die der Grundsteuerpflicht unterliegen und innerhalb oder außerhalb eines Plangebietes trotz Baureife nicht baulich genutzt werden (BR-Drs. 503/19). Während der ursprüngliche Regierungsentwurf für eine Grundsteuer C mit Rücksicht auf den erheblichen Wohnungsmangel in Ballungsgebieten noch vom Tatbestandsmerkmal eines „besonderen Wohnraumbedarfs“ geprägt war (BT-Drs. 19/11086 und 19/13456), geht der Gesetzesbeschluss des Bundestags vom 18.10.2019 (BT-Drs. 19/14139) nunmehr in § 25 Abs. 5 GrStG n. F. von einer Erweiterung des Anwendungsbereichs aus. Hiernach kann die Gemeinde „aus städtebaulichen Gründen“ baureife Grundstücke als besondere Grundstücksgruppe innerhalb der umgebauten Grundstücke (§ 246 BewG n. F.) bestimmen und für diese Grundstücksgruppe baureifer Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festsetzen (§ 25 Abs. 5 S. 1 GrStG n. F.).

 

Das erfordert im Einzelnen folgende Bestimmungen:

 

  • Baureife Grundstücke
  • „Baureife Grundstücke“ sind nach dem Gesetzeswortlaut unbebaute Grundstücke, die nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnten. Eine erforderliche, aber noch nicht erteilte Baugenehmigung sowie zivilrechtliche Gründe, die einer sofortigen Bebauung entgegenstehen, sind unbeachtlich.

 

  • Erfordernis städtebaulicher Gründe
  • § 25 Abs. 5 S. 4 GrStG n. F. zählt beispielhaft „städtebauliche Gründe“ auf, die Voraussetzung für die Einführung einer gesonderten Grundsteuer C sind. Hiernach kommen als städtebauliche Gründe insbesondere die Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten sowie Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen (z. B. übergeordnete Gemeinschaftsbedarfseinrichtungen wie Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Kindertagesstätten, Jugendfreizeitstätten oder Grundschulen), die Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen oder die Stärkung der Innenentwicklung in Betracht.

 

  • MERKE | Die „Nachverdichtung“ will einer Zersiedelung entgegenwirken. Nachverdichtung meint die Nutzung freier Flächen in Nachbarschaft bereits bestehender Bebauung z. B. durch Aufstockung, Anbauten oder Erhöhung der Kubatur.

     
  • Beschränkung des besonderen Hebesatzes auf Gemeindegebietsteil
  • Nach § 25 Abs. 5 S. 5 GrStG n. F. muss die Gemeinde den gesonderten, höheren Hebesatz auf einen bestimmten Gemeindeteil beschränken, wenn nur für diesen Gemeindeteil die städtebaulichen Gründe vorliegen. Der Gemeindeteil mit einer höheren Grundsteuer C muss mindestens 10 % des gesamten Gemeindegebiets umfassen, ferner müssen im Gemeindeteil mehrere baureife Grundstücke belegen sein. Die Festsetzung eines gesonderten (höheren) Hebesatzes durch Einführung einer Grundsteuer C ist optional, für die Kommune also nicht verpflichtend. Entschließt sich die Kommune allerdings zu diesem Schritt, sind besondere weitere Voraussetzungen zu beachten:

 

  • Höherer Hebesatz und Bekanntmachungsvoraussetzungen
  • Hat eine Gemeinde eine Grundstücksgruppe baureifer Grundstücke für die Erhebung einer Grundsteuer C bestimmt, muss der Hebesatz für diese Grundstücke im entsprechenden Gemeindeteil einheitlich und höher sein als der einheitliche Hebesatz für die übrigen, in der Gemeinde liegenden Grundstücke (§ 25 Abs. 5 S. 9 GrStG n.F.). Das bedeutet: Entschließt sich die Gemeinde zur Einführung einer Grundsteuer C, muss der Hebesatz höher sein als bei der Grundsteuer A und bei der Grundsteuer B. Hiermit soll ein besonderer Druck auf den Grundstückseigentümer ausgeübt werden, baureife Grundstücke auch zeitnah zu bebauen.

 

  • Die baureifen Grundstücke und deren Lage im Gemeindegebiet, auf das sich der gesonderte Hebesatz der Grundsteuer C bezieht, sind nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres von der Gemeinde zu bestimmen, in einer Karte nachzuweisen und im Wege einer Allgemeinverfügung öffentlich bekannt zu geben (§ 25 Abs. 5 S. 7 GrStG n. F.). In der Allgemeinverfügung muss die Gemeinde auch die „städtebaulichen Gründe“ nachvollziehbar darlegen, ferner die Wahl des Gemeindegebiets, auf das sich der gesonderte Hebesatz beziehen soll, begründen.

 

Ausblick

Ob sich das sehr aufwendige Bewertungsverfahren des Bundes durchsetzen wird oder aber die Länder dem Beispiel Bayerns folgend ein wertunabhängiges, rein flächenbezogenes und damit bürokratiearmes Bewertungsverfahren bevorzugen, wird die Umsetzungspraxis noch zeigen. Das Bundesmodell sieht jedenfalls für die Berechnung des Grundsteuerwerts umfangreiche Angaben des Steuerpflichtigen mit hohem Erklärungsaufwand vor.

 

Da die Grundsteuerwerte maßgeblich vom örtlichen Mietniveau und vom Bodenrichtwert beeinflusst werden, werden Immobilien in guten Lagen relativ geringer besteuert als solche in schlechten Lagen. Da verschiedene Kriterien für die Grundstückswerte herangezogen werden, ist ungewiss, ob sich für die Steuerpflichtigen unter dem Strich eine geringere Grundsteuerbelastung ergibt als bisher. Fakt ist jedenfalls, dass die Kommunen über den autonom festgesetzten Hebesatz auch künftig die Höhe des Grundsteueraufkommens und damit auch die Belastungshöhe des Steuerpflichtigen maßgeblich beeinflussen.

 

Mit der neuen Grundsteuer C steht den Kommunen ab 1.1.2025 ein zusätzliches steuerliches Lenkungsinstrument zur Verfügung, um baureife Grundstücke schneller einer Bebauung zuzuführen. Ein Entschließungsantrag des Landes Berlin, die Einführung der neuen Grundsteuer C bereits ab dem Jahr 2022 einzuführen (BR-Drs. 503/1/19), fand im Bundesrat keine Mehrheit. Die neue Grundsteuer C zur Mobilisierung baureifer Grundstücke ist angesichts des fortbestehenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum zu begrüßen. Allerdings knüpft das neue Gesetz die Einführung einer höheren Grundsteuer zur Baulandmobilisierung an strenge Voraussetzungen, die in vielen Kommunen dazu führen könnte, dass dieses Besteuerungsinstrument verpufft. Erst recht entsteht selbst bei Einführung einer Grundsteuer C kein „Bauzwang“ für Grundstückseigentümer. Die Höherbesteuerung baureifer Grundstücke muss deshalb schon empfindlich und spürbar sein, wenn sie das beabsichtigte Ziel erreichen und Grundstückseigentümer zur Bebauung animieren soll.

Quelle: Seite 294 | ID 46405274