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· GOZ

Steigerungsfaktoren ‒ die Achterbahnfahrt im Gebührenrecht

Bild: ©HNFOTO - stock.adobe.com

von Manuela Grossmann, BFS health finance GmbH, Dortmund

| Damit zahnärztliche Leistungen abgerechnet werden können, müssen sie vollständig erbracht (und dokumentiert!), plausibel und mit dem geltenden Gebührenrecht konform sein. Nur wenige Praxen nutzen den Gebührenrahmen ausgewogen. Sie scheuen den Aufwand, einen höheren Steigerungsfaktor gegenüber dem Kostenträger zu begründen und ziehen die bequemere, aber weniger einträgliche Variante vor. Honorarverluste sind dadurch programmiert. Worauf es bei patientenbezogenen Begründungen ankommt und wie Sie sich deren Formulierung erleichtern, fasst PA zusammen. |

Gebührenrechtliche Rahmenbedingungen

Sowohl die GOZ als auch die GOÄ geben den Gebührenrahmen für privat zu liquidierende Leistungen vor. Aus dem Mittelwert der in den jeweiligen Vorschriften genannten Ober- und Untergrenze des Gebührenrahmens ergibt sich ein sog. Schwellenwert:

 

  • Gemäß § 5 Abs. 1 GOZ liegt der Gebührenrahmen für Leistungen der GOZ zwischen dem 1,0-fachen und dem 3,5-fachen Satz. Der 2,3-fache Satz bildet den sog. Mittel- oder Schwellenwert.
  • Gleiches gilt für die meisten Leistungen aus dem für Zahnärzte geöffneten Teil der GOÄ. Die maßgebliche Vorschrift ist hier § 5 Abs. 1 GOÄ.
  • Der Gebührenrahmen für Röntgenleistungen ist in § 5 Abs. 3 GOÄ hinterlegt. Er reicht vom 1,0-fachen bis zum 2,5-fachen Satz (sog. „reduzierter Gebührenrahmen“, PA 02/2020, Seite 15). Den Schwellenwert bildet dort bereits der 1,8-fache Satz.

 

Wird der Schwellenwert überschritten, ist eine individuelle, d. h. fall- bzw. patientenbezogene Begründung in der Rechnung erforderlich. Kostenträger erstatten i. d. R. ohne Einwände bis zum Schwellenwert. Alles, was darüber hinausgeht, wird genau geprüft und führt häufig zu Rückfragen bzw. zum Ausbleiben der vollständigen Kostenerstattung.

 

Grundsätzlich sind nach § 5 Abs. 2 GOZ die Steigerungsfaktoren innerhalb des Gebührenrahmens gemäß der Schwierigkeit, dem Zeitaufwand und den Umständen bei der Ausführung zu bemessen. D. h., wenn Faktor 1,8 bzw. 2,3 die durchschnittliche Leistung abbildet, sollten schwierige Fälle über den 1,8- bzw. 2,3-fachen Satz hinaus liquidiert werden.

 

MERKE | Umgekehrt sollten Leistungen mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad oder Zeitaufwand aber auch mit einem niedrigeren Gebührensatz berechnet werden (Bundeszahnärztekammer, GOZ-Kommentar, Oktober 2018, Seite 15 f.).

 

Die drei häufigsten Fehler bei Begründungen

Bei der Begründung von Leistungen, die den Schwellenwert überschreiten, werden vor allem drei Fehler gemacht.

 

1. Die Begründung ist standardisiert

Regelmäßig werden Begründungen zu erhöhten Faktoren von Kostenerstattern abgelehnt, weil diese nicht fall- bzw. patientenbezogen sind. Leider trifft dieser Einwand immer wieder zu.

 

  • Beispiel: Standardisierte Begründung ohne weiteren Informationsgehalt

Eine Begründung wie „es lag ein erhöhter Zeit- und/oder Schwierigkeitsaufwand vor“ liefert keinerlei fall- bzw. patientenbezogene Informationen und kann daher als standardisiert bezeichnet werden.

 

2. Die Begründung enthält Kriterien aus den Abrechnungsbestimmungen

Zur Begründung einer Schwellenwertüberschreitung ist es zwar wichtig, Details aus der Behandlung miteinzubeziehen. Dazu zählen allerdings keine Aspekte, die bereits in den Abrechnungsbestimmungen enthalten sind.

 

  • Beispiel: Kriterien aus den Abrechnungsbestimmungen

Abrechnungsbestimmung zur Nr. 2400 GOZ (Elektrometrische Längenbestimmung eines Wurzelkanals):

„Die Leistung nach der Nummer 2400 ist je Wurzelkanal höchstens zweimal je Sitzung berechnungsfähig.“

 

Fehlerhafte Begründung: „Es lag ein erhöhter Zeitaufwand vor, weil die Leistung zweimal je Kanal erbracht wurde und sich die Behandlung dadurch deutlich verlängerte.“

 

Kommt in diesem Fall kein anderer Umstand infrage, der den erhöhten Faktor begründet (Beispiele in Bundeszahnärztekammer, GOZ-Kommentar, Oktober 2018, Seite 98), sollten Sie von einer Schwellenwertüberschreitung absehen.

 

3. Die Begründung ist nicht aussagekräftig

Sowohl der Patient als auch der Kostenerstatter muss anhand der Begründung eines höheren Steigerungsfaktors erkennen können, warum die Behandlung aufwendiger war (z. B. warum sich die Behandlung verzögert hat). Hier gilt es, die einzelnen Kriterien wie „Zeitaufwand und/oder Schwierigkeitsgrad“ mit den jeweiligen Gründen zu verknüpfen. Es sollte die tatsächliche Schwierigkeit geschildert werden und wozu diese geführt hat.

 

  • Beispiel: Aussagekräftige vs. nicht aussagekräftige Begründung
Diese Begründung ist aussagekräftig:
Diese Begründung reicht nicht aus:

„Deutlich überdurchschnittlicher Zeitaufwand, weil der Patient einen starken Würgereiz hat und daher die Behandlung häufig für kleine Pausen unterbrochen wurde.“

„Würgereiz“

 

Quellen für individuelle und patientenbezogene Begründungen

Es gibt mehrere Quellen, die Informationen und damit Anhaltspunkte für stichhaltige Begründungen liefern können. Allerdings sollten diese nur als Ergänzung zur Behandlungsdokumentation dienen.

 

Der Anamnesebogen

Erste Hinweise für eine individuelle Begründung finden sich bereits im Anamnesebogen wieder. Aus diesem Grund sollte eine jährliche Aktualisierung angestrebt werden. So kann z. B. die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten als Begründung bei einer starken Blutung während der Behandlung angesetzt werden.

 

PRAXISTIPP | Chronische Rückenbeschwerden können dazu führen, dass der Patient bei umfangreichen Behandlungen regelmäßig neu gelagert werden muss. Diese Unterbrechungen führen zu einer längeren Behandlungsdauer und können ebenfalls im Rahmen einer Schwellenwertüberschreitung als Begründung aufgeführt werden.

 

Der erste Patientenkontakt

Bereits beim Eintreten in die Praxis bzw. ins Behandlungszimmer kann mit einem aufmerksamen Blick die eine oder andere Begründung zur Überschreitung des Schwellenwerts wahrgenommen werden. Dazu gehören z. B. eingerissene Mundwinkel, die i. d. R. zu einer eingeschränkten Mundöffnung führen.

 

PRAXISTIPP | Auch ein Heuschnupfen kann zu einer ausgeprägten Mundatmung führen. Das wiederum kann die Trockenlegung im Rahmen konservierender Behandlungen erschweren.

 

Überschreitung der zeitlichen Mindestdauer einer Leistung

Wenn die zeitliche Mindestdauer einer Leistung überschritten wurde (z. B. Nr. Ä3, Nr. 1000 GOZ oder Nr. 1010 GOZ), kann mit dieser Information ebenfalls eine Schwellenwertüberschreitung begründet werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Beratungsinhalt sowie die Zeitspanne (z. B. von 15:45 bis 16:25 Uhr) mit anzugeben.

 

FAZIT | Die Überschreitung der Schwellenwerte zu umgehen, ist unwirtschaftlich. Sie führt bei Patienten und Kostenerstattern zu der Auffassung, dass jede Behandlung und jeder Patient in der Praxis gleich ist. Eine ausgewogene Nutzung des Gebührenrahmens dagegen ist ein positives Aushängeschild für die Praxis und kann zudem vom gesamten Team erlernt werden. Hier können bereits Auszubildende miteingebunden werden, damit sie die o. g. Tipps aus dem Bereich „erster Patientenkontakt“ beachten.

 

Erfahrene ZFA/ZMV können darüber hinaus auf komplexere Zusammenhänge während der Behandlung achten und diese dokumentieren. Insgesamt kann so für jeden Patienten ein Fundus von individuellen Begründungen angelegt werden. Es gibt zwar keine Garantie dafür, dass Kostenträger Ihre Begründung anerkennen. Mit höherem Patientenbezug steigen die Chancen dafür aber deutlich.

 

Weiterführender Hinweis

  • Die PA-Sonderausgabe „Faktorsteigerungen erfolgreich durchsetzen“ können Sie im PDF-Format herunterladen unter iww.de/pa, Abruf-Nr. 44662909.
Quelle: Seite 11 | ID 46834231