· Fachbeitrag · Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung
Einschränkung der Schweigepflicht des StB: Meldepflicht bei Immobilientransaktionen
von Andreas Glotz, RA, Deutsche Gesellschaft für Geldwäscheprävention mbH, Köln; Karoline Joschko, Dipl. Finanzwirtin, ebenda
| Zum 1.10.20 ist die neue „Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich ‒ GwGMeldV“ in Kraft getreten. Sie regelt, dass genau definierte Sachverhalte bei Erwerbsvorgängen nach § 1 GrEStG von Verpflichteten der freien Berufe, also auch steuerberatende Berufsgruppen, stets der Financial Intelligence Unit (FIU) zu melden sind. |
1. Welche Transaktionen unterliegen der Verordnung?
Dem weiten Transaktionsbegriff des § 1 Abs. 5 GwG folgend sind damit alle baren und unbaren Vermögensverschiebungen umfasst. Der § 1 GrEStG differenziert dabei nicht zwischen dem reinen Erwerb oder sonstigen Veränderungen am Recht des Grundstücks.
Beachten Sie | Einer Verdachtsmeldepflicht unterfallen damit im Bereich der steuerberatenden Praxis Kenntnisse eines Mandatsträgers bei Immobilientransaktionen. Die GwGMeldV hebelt somit die berufsständische Schweigepflicht aus.
2. Warum wurde diese Verschärfung erlassen?
Die Verschärfung der Rechtslage beruht auf verschiedenen Umständen.
- 1. Einerseits sind nach den Feststellungen der Nationalen Risikoanalyse Deutschland (NARD) Immobilientransaktionen mit einem außerordentlich hohen Geldwäscherisiko verbunden (NARD Abschnitt 5.1 S. 103).
- 2. Andererseits moniert die FIU seit Jahren ein zu geringes Verdachtsmeldeverhalten, gerade der freien Berufe. Die Anzahl der abgegebenen Verdachtsmeldungen durch die Verpflichteten nach § 2 Abs. 1 Ziff. 12 GwG, also der steuerberatenden Berufsgruppen lag im vergangenen Jahr gerade mal bei acht. Dies stellt im Hinblick auf 114.914 Verdachtsmeldungen insgesamt deutlich weniger als 1 % des gesamten Meldeaufkommens dar (FIU Jahresbericht). Diesem geringen Meldeverhalten musste insbesondere in Hinblick auf die auf 2021 verschobene FATF Prüfung Deutschlands Rechnung getragen werden.
Auf dem BMF lastet ein hoher Rechtfertigungsgrund, um bei dieser Prüfung nicht erneut so verheerend abzuschneiden wie bei der Vorprüfung 2010. Da hier die freien Berufe unzweifelhaft Nachholbedarf haben, dient die Einschränkung der Schweigepflichten auch der Erhöhung des Meldeaufkommens.
Nicht ganz zu Unrecht werden Mandatsträger von den Strafverfolgungsbehörden als „Steigbügelhalter der Geldwäsche“ bezeichnet, weil erstens Geldwäsche in größerem Stil ohne sie nicht betrieben werden kann und zweitens immer die Möglichkeit bestand, einen „Mantel der Schweigepflichten “ über eine solche Tatunterstützung zu legen. Ein deutliches Signal wurde bereits von den Berliner Staatsanwaltschaften in Richtung vieler Notare gesandt, wo hinsichtlich eines Anfangsverdachts der Verwicklung in die kriminelle Clanaktivitäten ermittelt wird.
Neben den von den Mandatsträgern ohnehin zu erfüllenden allgemeinen Sorgfaltspflichten gem. §§ 10 ff. GwG präzisiert die GwGMeldV den § 15 GwG hinsichtlich der verstärkten Sorgfaltspflichten. Dabei greift sie die Typologiepapiere der FIU auf, die letzten Endes eine Darstellung der modi operandi und des Täterverhaltens in der Vergangenheit bei Immobilientransaktionen sind.
Besonders vorteilhaft ist für Mandatsträger, dass mit der Definition zwingend meldepflichtiger Sachverhalte eine klare Abgrenzung zwischen Meldepflicht und Verschwiegenheitspflicht erfolgen kann, um die Differenzierung zu erleichtern.
3. Einschränkung der Schweigepflicht
Deutschland wurde international und vor allem von Europol schon seit Langem massiv für die sehr weitgehende Anwendung der berufsständischen Verschwiegenheitspflichten kritisiert. Deshalb wurde im Gleichklang mit der gesetzlichen Änderung des § 43 VI GwG auch die Schweigepflicht der Berufsgeheimnisträger hinsichtlich der Abgabe von geldwäscherechtlichen Verdachtsmeldungen in § 6 VI GwG eingeschränkt. Die Verschwiegenheitspflicht wurde insoweit eingeschränkt, dass sie ohnehin nicht mehr für die gesamte Berufsausübung greift, sondern lediglich auf Tätigkeiten der Rechtsberatung beschränkt ist. Dazu zählt auch die steuerberatende Tätigkeit. Steuerberater mussten in der Folge nun also nicht lediglich in dem seltenen Fall einer positiven Kenntnis von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung eine Verdachtsmeldung abgeben, sondern beispielsweise auch bei Auffälligkeiten in der Buchführung oder bei rein betriebswirtschaftlichen Beratungen von Mandanten.
Mit dem Inkrafttreten der GwGMeldV müssen Steuerberater nun zusätzlich auch bei der Beratung ihrer Mandanten hinsichtlich eines Immobilienkaufs oder -verkaufs den geldwäscherechtlichen, verstärkten Sorgfaltspflichten nachkommen und im Fall des Vorliegens eines im Verordnungsweg definierten Sachverhalts eine Verdachtsmeldung abgeben. Diese Pflicht zur Meldung bestimmter Sachverhalte greift noch weitgehender in die Verschwiegenheitspflicht ein als die Änderung des § 6 VI GwG. Nur wenige Tätigkeiten geben einen so tiefen Einblick in die finanzielle Situation des Mandanten. Aus diesem Grund ist die Zusammenarbeit von Steuerberatern und der FIU hinsichtlich der Geldwäscheprävention so wichtig und könnte maßgeblich zu einer stärkeren Eindämmung der Geldwäsche führen. Die GwGMeldV stellt zwar einen großen Einschnitt dar, erweitert die geldwäscherechtlichen Ermittlungsmöglichkeiten aber erheblich. Sie erleichtert dem Steuerberater durch die qualifizierten meldepflichtigen Sachverhalte die Abwägung zwischen der Abgabe einer Verdachtsmeldung und seinen Schweigepflichten.
4. Wann sind Verdachtsmeldungen abzugeben?
Abgesehen von den Verdachtsfällen, die ohnehin schon nicht dem Rahmen der Schweigepflicht unterliegen (Buchführung z. B.), haben Steuerberater zukünftig auch verdächtige Sachverhalte zu melden, die den qualifizierten Konstellationen der GwGMeldV entsprechen. Dies erfolgt unabhängig von dem § 6 VI GwG, wodurch auch verdächtige Sachverhalte, von denen der Steuerberater selbst in der Rechtsberatung Kenntnis erlangt, gemeldet werden müssen. Werden Steuerberater bei Immobilientransaktionen zukünftig also zur Beratung herangezogen, erstreckt sich ihre Meldepflicht gem. § 4 - 6 der GwGMeldV im Kern auf folgende Regelungsbereiche:
- 1. Der Regelungsbereich des § 3 GwGMeldV umfasst den Bezug zu Risikostaaten oder Sanktionslisten. Ist ein an der Immobilientransaktion Beteiligter in einem Risikostaat ansässig oder weist das Rechtsgeschäft einen engen Bezug zu einem Risikostaat auf, hat der Steuerberater eine Verdachtsmeldung abzugeben. Ein solcher enger Bezug ist gegeben, wenn mehrere Anhaltspunkte zu einem Drittstaat vorliegen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Beteiligter oder wirtschaftlicher Berechtigter mehrmalige Aufenthalte in einem Risikostaat hatte, er unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlich in einem Risikostaat aktiv ist oder Bankverbindungen in jeglicher Form Bezug zu einem Risikostaat ausweisen (Begründung der GwGMeldV B. zu § 3). Risikostaaten sind die von der EU-Kommission gelisteten „Drittstaaten mit hohem Risiko“ bzw. die Hochrisikoländer nach der Financial Action Task Force. Eine Übersicht über die „Drittländer mit hohem Risiko“ findet man auf der Website der FIU (www.iww.de/s4436).
- 2. Genauso ist bei Beteiligten vorzugehen, die vor allem auf der „European Union Consolidated Financial Sanctions List“ oder anderen Sanktionslisten vorzufinden sind. Sanktionslistenprüfungen gehörten an sich schon immer zum Pflichtenkreis von Mandatsträgern. Wegen hoher zeitlicher Aufwände wurden sie jedoch meist unterlassen. Eine Hilfe bietet hier die GwG24 unter www.gwg24.de an, die neben den tagesaktuellen Embargolisten auch PeP- und Terrorismusprüfungen anbietet.
- 3. Der Regelungsbereich des § 4 GwGMeldV umfasst Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den beteiligten Personen oder dem wirtschaftlich Berechtigten. Deuten Tatsachen darauf hin, dass ein Beteiligter falsche oder unvollständige Angaben zu seiner Person oder dem wirtschaftlichen Berechtigten macht, hat der Steuerberater eine Verdachtsmeldung abzugeben. Außerdem werden in Abs. 3 dieses Regelungsbereichs auch auffällige treuhänderische Rechtsgestaltungen thematisiert. Haben diese keinen offensichtlichen wirtschaftlichen oder sonstigen rechtmäßigen Zweck, müssen sie gemeldet werden. Nach Abs. 4 hat der Verpflichtete auch zu melden, wenn gegen einen Beteiligten oder wirtschaftlichen Berechtigten ein strafrechtliches Verfahren anhängig ist oder gegen ihn wegen § 261 StGB ermittelt wird. Der Verpflichtete muss den Sachverhalt aber nicht melden, wenn er selbst an der Verteidigung mitgewirkt hat. Auch eine außerordentliche Diskrepanz zwischen dem legalen Einkommen einer Vertragspartei und seinem Vermögen unterliegt gem. § 4 Abs. 5 GwGMeldV der Meldepflicht.
- 4. Der Regelungsbereich des § 5 GwGMeldV umfasst Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der Stellvertretung. Können Stellvertreter spätestens innerhalb von zwei Monaten nach dem Erwerbsvorgang keine oder nur eine ungültige Vollmacht vorlegen, hat der Steuerberater eine Verdachtsmeldung abzugeben.
- 5. Der Regelungsbereich des § 6 GwGMeldV umfasst Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einer Kaufpreis- oder Zahlungsmodalität. Wird im Zusammenhang mit einer Immobilientransaktion eine Barzahlung von über 10.000 EUR getätigt oder werden Kryptowerte in dieser Höhe eingesetzt, muss der Steuerberater eine Verdachtsmeldung abgeben. Auch andere Auffälligkeiten wie erhebliche Abweichungen von dem Verkehrswert, Zahlungen i. H. v. mehr als 10.000 EUR vor Abschluss des Rechtsgeschäfts, Zahlungen von einem nicht nachvollziehbaren Bankkonto in einem Drittstaat oder Zahlungen von oder an eine nicht am Erwerbsvorgang beteiligte Person müssen unter bestimmten Bedingungen gemeldet werden. Wird die erworbene Immobilie innerhalb von drei Jahren aus nicht nachvollziehbaren Gründen unwirtschaftlich weiterveräußert oder bestehen Pläne dafür, hat der Steuerberater dies zu melden. Auch eine auffällige Veräußerung an einen vorherigen Eigentümer ist zu melden. Zudem regelt § 6 Abs. 3 GwGMeldV, dass bei geplanten Zahlungen über ein Anderkonto ohne berechtigtes Sicherungsinteresse eine Meldung durch den Verpflichteten erfolgen muss. Explizit gilt die Regelung auch für Fallkonstellationen, in denen Gesellschaftsanteile als Zahlungsmittel eingesetzt werden und ist damit konsistent zu § 1 GrEStG. Die Regelung umfasst hingegen nicht die Barzahlung von Honoraren, die dann allerdings der Anlage 2 zum GwG beispielsweise hinsichtlich bargeldintensiver Branchen unterliegen kann.
Durch die Regelungen der GwGMeldV wird es irrelevant, ob die typisierten Konstellationen in den Rahmen einer rechtsberatenden Tätigkeit fallen oder der Steuerberater unabhängig davon Kenntnis über den Sachverhalt erfährt. Liegen dem Steuerberater keine Anzeichen vor, die den auffälligen Sachverhalt entkräften, hat er ihn zu melden. Der Verpflichtete muss aber eine schlüssige Begründung dokumentieren, welche es der zuständigen Kammer ermöglicht zu überprüfen, ob der Verzicht der Meldung gerechtfertigt war (Begründung der GwGMeldV B. zu § 7 S. 1). Die Gefahr einer Bußgeldverhängung oder strafrechtlicher Ermittlungen bleibt aber bei der ex post Betrachtung eines als nicht meldepflichtig eingeschätzten Sachverhalts latent vorhanden.
5. Kritik
Das der GwGMeldV zugrunde liegende Typologiepapier der FIU hinsichtlich der Immobilientransaktionen differenziert nicht zwischen den Tätigkeiten der regelmäßig in einen Verkaufsprozess eingebundenen Parteien. Dieses Manko zieht sich zwangsläufig durch die GwGMeldV durch. Soweit in einem einfach gestalteten Verkaufsprozess ein (verpflichteter) Immobilienmakler Käufer und Verkäufer zusammenbringt, eine Finanzierungsbank dieselbe arrangiert und ein Notar den Vorgang beurkundet, erhält typischerweise jeder der involvierten Verpflichteten nur Einblick in den für seinen Arbeitsbereich relevanten Teilbereich.
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Die Prüfung, ob und inwieweit ein Erwerbsvorgang in grobem Missverhältnis zum Legaleinkommen des Erwerbers steht (§ 5 Abs. 5 GwGMeldV), muss ein Mandatsträger nicht zwingend erfahren. Es geht ihn auch häufig nichts an, sondern stellt direkt die Finanzierungsbank und evtl. noch den Makler vor Probleme. Im GwG selbst und auch der Anlage 2 dazu ist keine entsprechende Nachforschungspflicht des Mandatsträgers enthalten oder begründet. |
Bei komplexeren Erwerbsvorgängen mögen zudem sicherlich Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Rechtsanwälte involviert werden. Im erstgenannten, einfachen Vorgang würden bis zu drei, im Zweitgenannten, komplexeren Vorgang würden bis zu fünf Verdachtsmeldungen zu ein und demselben Sachverhalt bei der FIU eingehen. Diese ist heute bereits fachlich, personell und technisch völlig überfordert und schiebt tausende von unbearbeiteten Verdachtsmeldungen vor sich her.
Eine berufs- und tätigkeitsspezifische Typizität fehlt der Verordnung mit der negativen Folge des Fehlens klarer Verantwortlichkeiten, insbesondere hinsichtlich von Nachforschungspflichten der jeweiligen Mandatsträger.
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Vom Makler, der Finanzierungsbank, vom Steuerberater und vom Notar wird der Immobilienerwerber gefragt, ob gegen ihn ein Strafverfahren i. S. d. § 261 StGB anhängig sei (vgl. § 5 Abs. 4 Ziff. 1 und 2 GwGMeldV). Dieser lügt (selbstverständlich) und verneint bei jedem einzelnen Anlass ‒ allein der Rechtsanwalt ist dann aus der Meldepflicht heraus, wenn er den Erwerber im Strafverfahren vertreten hat. Positives Wissen über die Straffälligkeit könnte ein Mandatsträger nur dann erlangen, wenn er verpflichtet wäre, datenbankbasierte sog. „adverse media Checks“ zu tätigen. Das GwG sieht aber derartige Checks oder Nachforschungspflichten an keiner Stelle vor. |
Die alleinige Übertragung des FIU Typologiepapiers in die Verordnung ist wenig zielführend. Sie scheitert daher teilweise an der fehlenden Praktikabilität und dem Umstand, Sachverhalte tätigkeitsbedingt nicht wissen zu können bzw. dem gesetzlichen Fehlen tiefergehender Nachforschungspflichten.
Völlig richtig differenziert allein das zugrunde liegende Typologiepapier der FIU zwischen den einzelnen Tätigkeiten und Aufgaben im Rahmen einer Immobilienveräußerung. Diese Differenzierung fehlt jedoch der GwGMeldV. Kenntniserlangung und Nachforschungspflichten eines Mandatsträgers werden daher in juristischen Streitfällen um das bußgeldpflichtige Unterlassen der Abgabe einer Verdachtsmeldung sicher zum größten Zankapfel.
5.1 Auseinanderfallen der Pflichten
Im Rahmen der üblicherweise in einen Erwerbsprozess involvierten Verpflichtetengruppen kommt es durch die GwGMeldV zu einem Auseinanderfallen der Pflichten. Während ein Immobilienmakler oder eine finanzierende Bank im Bereich des Drittstaatenrisikos lediglich verstärkte Sorgfaltspflichten gem. § 15 GwG evtl. i. V. m. der Anlage 2 zum GwG zu berücksichtigen haben, werden die freien Berufe verpflichtet, in jedem Falle eine Verdachtsmeldung abzugeben.
Jedoch besteht eine dahingehende Einschränkung in § 7 GwGMeldV von einer Meldung generell dann absehen zu können, wenn die Tatsache einer Drittstaatenpräsenz entkräftet werden kann und diese Gründe dokumentiert werden.
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Tunesien befindet sich sowohl auf der FATF als auch auf der EU-Länderliste. Ein Gemüse- und Obstexporteur oder ein Tourismusunternehmen aus Tunesien möchte ein Grundstück mit Lager oder eine Büroimmobilie erwerben. Während der Immobilienmakler und das Finanzierungsinstitut lediglich verstärkte Sorgfaltspflichten zu beachten haben, ist der Mandatsträger zunächst in der Pflicht, eine Verdachtsmeldung abzugeben. Welche Gründe sollten bestehen, die Tatsache zu entkräften, dass Tunesien auf beiden Länderlisten vertreten ist, bzw. der Klient geldwäscherechtlich unbedenklich ist? |
Auf die nach der GwGMeldV verpflichteten freien Berufe kommen somit erhebliche Nachforschungsaufwände zu. Da diese im GwG nicht als exculpierend vorgesehen sind und somit allenfalls Indizienwirkung entfalten können, besteht bei einer Kammerprüfung das latente Risiko der Bußgeldverhängung.
5.2 Nationale Risikoanalyse Deutschland
Die Verordnungsbegründung bezieht sich ausdrücklich auf die „Erste Nationale Risikoanalyse“ Deutschland und die daraus resultierenden Erkenntnisse. In der darin befindlichen Anlage 4 wird seitens des BMF eine weitere Liste neben den bekannten Länderlisten der FATF und der EU veröffentlicht. Diese wird seitens der FIU ebenfalls mit der Maßgabe publiziert, sie hinsichtlich der verstärkten Sorgfaltspflichten im Rahmen des Risikomanagements durch alle Verpflichteten berücksichtigen zu müssen.
In der GwGMeldV findet die o. g. Anlage 4 keinerlei Berücksichtigung. Für die Verordnungsverpflichteten führt das zu einer absurden Konstellation: FATF und EU Listen bedingte Treffer sind zu melden, die Liste der nationalen Risikoanalyse ist nur hinsichtlich der verstärkten Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen.
Generell ist das BMF bezüglich der Länderliste der Nationalen Risikoanalyse noch in einer Bringschuld gegenüber den Verpflichteten und den Aufsichtsbehörden. Über die Listen der FATF und EU hinaus führt sie Länder wie China, die Türkei und Russland als Staaten mit hoher Geldwäschebedrohung für Deutschland auf. Dies ist fachlich nicht zu beanstanden. Allerdings sind die Folgen hinsichtlich der Bewertung im Rahmen der verstärkten Sorgfaltspflichten etwa für langjährig in Deutschland lebende Migranten für die Verpflichteten aber völlig ungeklärt. Nachvollziehbar ist auch, Länder wie Zypern oder Malta aufzuführen. Für diese Länder gelten aber als EU Mitgliedstaaten grundsätzlich die vereinfachten Sorgfaltspflichten des § 14 GwG evtl. i. V. m. der Anlage 1.
5.3 § 6 Abs. 1 Nr. 2 GwGMeldV „Verkehrswertabweichung“
Eine Verkehrswertabweichung von 25 % muss dem Verordnungsverpflichteten offenkundig sein bzw. ihm müssen konkrete Angaben darüber vorliegen. Offenkundig i. S. v. § 203 StGB sind solche Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen ohne Weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich jederzeit durch Benutzung allgemein zugänglicher, zuverlässiger Quellen unschwer überzeugen können (Regierungsentwurf EGStGB BTDrucks. 7/550 S. 242; BGH 22.6.00, 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596; BGH 8.10.02, 1 StR 150/02, BGHSt 48, 28). Der weitgefasste Begriff der Offenkundigkeit führt Verordnungsverpflichtete zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Nachforschungspflicht.
Zunächst unterliegt die Einigung über einen Kaufpreis der Vertragsfreiheit der Vertragsparteien, die die nach dieser Verordnung verpflichteten Berufsgruppen nicht zu interessieren haben. Eine Verkehrswertabweichung stellt lediglich ein Indiz für eine Geldwäschehandlung dar. Daraus dann aber eine generelle Meldepflicht abzuleiten und den Willen der Vertragsparteien allgemeinen Zweifeln zu unterziehen, diese dann noch in letzter Konsequenz über eine Verdachtsmeldung der Gefahr strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen, wird dem Ziel der Geldwäschebekämpfung nicht gerecht.
Bereits 2011/2012 stellte das Bundeskriminalamt in seiner Managementfassung zur Fachstudie „Geldwäsche im Immobiliensektor in Deutschland“ unter Ziffer 5.3 fest, dass
- gängige Typologien und Warnhinweise nicht immer vollumfänglich anwendbar sind;
- das Vorliegen eines einzelnen Warnhinweises noch keinen Rückschluss auf Geldwäsche möglich macht;
- für die Begründung eines Verdachtsmoments in der Regel weitere Informationen notwendig sind.
Im Typologiepapier der FIU aus 2018 heißt es auch eindeutig, dass „nicht in jedem Einzelfall das Vorliegen eines der genannten Indikatoren ausreicht, um einen relevanten Verdacht zu begründen. Der gesamte vorliegende Sachverhalt sollte im Kontext betrachtet und in seiner Gesamtheit bewertet werden.“
5.4 § 6 Abs. 2 GwGMeldV „Weiterveräußerung“
Ähnlich der zuvor dargestellten Problematik der Verkehrswertabweichung stellen die meldepflichtigen Tatbestände einer Weiterveräußerung i. S. d. § 6 Abs. 2 GwGMeldV lediglich ein Indiz für eine Geldwäschehandlung dar. Da durch einen Wechsel oder Austausch eines Verordnungsverpflichteten ein solcher meldepflichtiger Tatbestand durch die Täter sehr leicht umgangen werden kann, ist er entbehrlich.
FAZIT | Der GwGMeldV fehlt es an einigen Stellen aufgrund einer fehlenden Typizität der einzelnen, involvierten Berufsgruppen hinsichtlich ihrer einzelnen Tätigkeiten an Praktikabilität. Sie verpflichtet die Berufe teilweise „pauschal“, gleichgültig, ob ein indizieller Hinweis oder ein konkreter Verdacht vorliegt. Ein rechtssicheres Verhalten der Verpflichteten wird damit teilweise massiv erschwert. Berufstypische Verschwiegenheitspflichten zugunsten der Erhöhung von Verdachtsfallmeldungen einzuschränken ist ohnehin fragwürdig. Zur Verhinderung der Geldwäsche im Immobiliensektor sind die Einschränkungen in Teilen sicherlich sinnvoll und notwendig. |