· Fachbeitrag · Gebäudeversicherung
Der Boden des Grundstücks kann auch zum versicherten Gebäude gehören
von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln
| Zum Begriff des Gebäudes ‒ und damit zur versicherten Sache in der Gebäudeversicherung ‒ gehört auch der Boden des Grundstücks, soweit er notwendige Bedingung für die Standsicherheit des Gebäudes ist. Sind die Fundamente eines Gebäudes nach einem Erdrutsch nicht mehr standsicher, hat die Gebäudeversicherung auch die Kosten für die Wiederherstellung der Böschung zu ersetzen, soweit dies für die Standsicherheit der Fundamente notwendig ist. Im Übrigen sind die Kosten der Wiederherstellung der Böschung gleichzeitig „notwendige Reparaturkosten“ für die Instandsetzung der Gebäudekonstruktion, wenn diese Arbeiten sich als notwendige Vorarbeiten für die Instandsetzung der abgerutschten Wände des Gebäudes darstellen. So entschied es das OLG Karlsruhe. |
Sachverhalt
Der VN macht als Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem Wohngebäude und landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut ist, Entschädigungsansprüche gegen den VR geltend. Nach dem Gebäudeversicherungsvertrag (WGB S 01/05) sind mitversichert die auf dem Grundstück befindlichen Nebengebäude, nämlich eine Maschinenhalle und ein Holzunterstand. Vereinbart wurden dabei Entschädigungsleistungen auch für sogenannte weitere Elementarschäden. Insbesondere sollte der VN einen Entschädigungsanspruch haben, wenn versicherte Sachen durch Erdrutsch zerstört oder beschädigt werden (K 2.1.5 WGB S 01/05).
Am 11.7.14 rutschten nach einem Starkregen erhebliche Teile der auf dem Grundstück des VN befindlichen Böschung am Rand des nahen Bachlaufs ab. In die Maschinenhalle drangen erhebliche Mengen Erdreich aus dem höher gelegenen Gelände ein. Ein Teil des Holzunterstands rutschte mit der Böschung ab; weitere Teile des Holzunterstands wurden beschädigt. Unstreitig ist eine Reparatur und Wiederherstellung des Holzunterstands nur möglich, wenn vorher die abgerutschte Böschung in diesem Bereich wiederhergestellt wird.
Der VR zahlte auf die geltend gemachten Ansprüche unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts insgesamt 8.955 EUR. Die Parteien haben über die Frage gestritten, ob der VR verpflichtet ist, auch die notwendigen Kosten für die Wiederherstellung der Böschung zu ersetzen, oder ob der VN ‒ wenn er den Holzunterstand wiederherstellen will ‒ zunächst die Böschung auf eigene Kosten wiederherstellen muss, und von dem VR nur die danach noch erforderlichen Kosten zur Reparatur des Holzunterstands verlangen kann. Das LG gab der Klage überwiegend statt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VR hatte vor dem OLG Karlsruhe keinen Erfolg (1.10.19; 12.11.19, 9 U 137/17, Abruf-Nr. 215240). Das LG hat dem VN zu Recht auch die notwendigen Kosten für die Erneuerung der Böschung zuerkannt. Ohne die Erneuerung der Böschung ist eine Reparatur des Holzunterstands nicht möglich. Dem VN steht entsprechend der Entscheidung des LG eine weitere Entschädigungsleistung in Höhe von 46.332,54 EUR zu (weitere Reparaturkosten für den Holzunterstand, Kosten für den teilweisen Rückbau des Holzunterstands sowie Kosten der Erneuerung der Böschung).
Der Anspruch des VN ergibt sich aus Ziffer 14.1.3 WGB S 01/05. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Holzunterstand durch ein versichertes Ereignis (Erdrutsch) beschädigt wurde. Es handelt sich um Reparaturkosten, die zur Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes (Holzunterstand) notwendig sind. Die Entscheidung des LG ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als der VR für die Wiederherstellung der Böschung zahlen muss. Der Betrag setzt sich zusammen aus einem Teilbetrag in Höhe von 3.581,50 EUR, den der VN bereits für Arbeiten an der Böschung aufgewendet hat und weiteren 33.914,40 EUR netto, die für die Böschungsreparatur noch zusätzlich aufgewendet werden müssen.
Unstreitig sind die Kosten notwendig, um eine standsichere Wiederherstellung des Holzunterstands zu ermöglichen. Es handelt sich um von dem VR zu ersetzende „notwendige Reparaturkosten“ im Sinne von Ziffer 14.1.3 WGB S 01/05. „Versicherte Sache“ ist vorliegend der Holzunterstand. Zum Begriff des „Gebäudes“ (vgl. Ziffer 14.1.3 WGB S 01/05) gehört im vorliegenden Fall auch der Boden des Grundstücks, soweit dieser Boden notwendige Bedingung für die Standsicherheit des Gebäudes ist. Maßgeblich für die Auslegung der AVB ist grundsätzlich die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen VN.
- Zum Gebäude gehört im allgemeinen Sprachgebrauch auch die Standsicherheit des Gebäudes. Ein Gebäude, bei dem die Fundamente nicht mehr standsicher sind, ist im allgemeinen Sprachgebrauch beschädigt. Für dieses Verständnis kommt es nicht darauf an, ob (erste Alternative) ein Teil des Fundaments weggebrochen oder verschwunden ist, oder ob (zweite Alternative) der Lastabtrag der Fundamente reduziert wurde, weil ein Teil des Bodens unter dem Gebäude nach einem Erdrutsch nicht mehr vorhanden ist. Eine Wiederherstellung des Untergrunds gehört zur notwendigen Reparatur, um das Gebäude wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, nämlich dem Gebäude wieder die notwendige Standsicherheit zu verleihen.
- Aus dem vom VR in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten ergibt sich, dass auch der Sachverständige von einem solchen Begriff des „Gebäudes“ ausgegangen ist. Er hat in seinem Gutachten die „Gebäudebeeinträchtigung“ des Brennholzunterstands beschrieben. Diese hat er ‒ unabhängig von den abgerutschten Teilen ‒ im Standsicherheitsverlust der Fundamente und im „Schaden am Fundament“ gesehen. Die Wiederherstellung der Gründung des Holzunterstands ist auch im Sprachgebrauch des Sachverständigen ein wesentlicher Teil der Wiederherstellung des versicherten Gebäudes, wozu ein ordnungsgemäßer Lastabtrag der Fundamente gehört. Dass demgegenüber die Oberfläche des Grundstücks ‒ soweit sie für die Standsicherheit des Gebäudes keine Rolle spielt ‒ nicht zur versicherten Sache gehört, ist ohne Bedeutung. Denn es geht vorliegend nicht um eine Wiederherstellung der Grundstücksoberfläche, sondern um eine Wiederherstellung eines Teilbereichs des Geländes nur insoweit, als der Boden des Grundstücks eine wesentliche Funktion für die Gründung des Gebäudes hat.
Dem VN stehen die für die Erneuerung der Böschung erforderlichen Kosten im Übrigen auch dann zu, wenn man den für die Standsicherheit des Gebäudes erforderlichen Grund und Boden als nicht zur Sache gehörig ansehen würde. Denn dem versicherten Gebäude wurde vorliegend nicht nur ein Teil des für die Standsicherheit erforderlichen Bodens entzogen. Vielmehr wurde das Gebäude auch dadurch beschädigt, dass Teile des Holzunterstands abstürzten und das Dach erheblich beschädigt wurde. Die Auswirkungen auf die Gebäudekonstruktion durch den Erdrutsch waren derart, dass nach der Erneuerung der Böschung noch mehr als 16.000 EUR erforderlich sind, um den Holzunterstand durch Reparaturmaßnahmen wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Es ist außer Streit, dass diese Reparaturmaßnahmen an der eigentlichen Gebäudekonstruktion ohne vorherige Erneuerung der Böschung nicht ausgeführt werden können. Eine Reparatur der eigentlichen Gebäudekonstruktion (Wände, Stützen, Tragekonstruktion für das Dach) ist nur möglich, wenn vorher die Tragfähigkeit des Untergrunds durch eine Erneuerung der Böschung wiederhergestellt wird. Für das Verständnis eines durchschnittlichen VN gehören die Kosten für die Arbeiten an der Böschung auch dann zu den „notwendigen Reparaturkosten“, wenn man den Begriff des „Gebäudes“ auf die Bauelemente der Gebäudekonstruktion ‒ ohne Berücksichtigung des Untergrunds ‒ beschränken würde.
Für den VN liegt der Zweck des Versicherungsvertrags darin, dass das Nebengebäude (Holzunterstand) nach einem Versicherungsfall auf Kosten der Beklagten so wiederhergestellt wird, wie es vorher bestand. Zu den „notwendigen Reparaturkosten“ im Sinne von Ziffer 14.1.3 WGB S 01/05 müssen daher auch die Kosten von Vorarbeiten gehören, ohne welche die eigentliche Reparatur der Gebäudekonstruktion nicht möglich ist. Notwendige Reparaturkosten sind daher auch Aufwendungen für Bewegungen von Bodenmaterial (Erneuerung der Böschung), ohne welche eine Reparatur der Gebäudekonstruktion nicht durchgeführt werden kann. Das versicherte Nebengebäude würde sich technisch grundsätzlich auch ohne Arbeiten an der Böschung durch baulich-konstruktive Maßnahmen wiederherstellen lassen, wenn man mit entsprechendem Aufwand weitergehende Fundamente - die tief ins Erdreich reichen müssten - herstellen würde. Der VR ist nach dem Versicherungsvertrag grundsätzlich verpflichtet, die Kosten von baulichen Maßnahmen zur Reparatur eines versicherten Gebäudes auch dann zu tragen, wenn eine Wiederherstellung des Gebäudes aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in gleicher Art wie früher erfolgen kann, sondern nur noch in besserer Art und Güte.
Der VR muss nach Sinn und Zweck der Gebäudeversicherung die notwendigen Reparaturkosten auch dann tragen, wenn die baulichen Maßnahmen für die Wiederherstellung aufgrund des Erdrutsches wesentlich aufwendiger geworden sind, als sie es beim Neubau waren. Es entspricht daher den Interessen beider Parteien, dass zu den „notwendigen Reparaturkosten“ im Sinne von Ziffer 14.1.3 WGB S 01/05 auch die Kosten von Bodenbewegungen gehören müssen, wenn diese (Erneuerung der Böschung) offensichtlich wirtschaftlich sinnvoller sind, als eine theoretisch denkbare aufwendige (neue) Fundamentierung des Holzunterstands im abgerutschten Gelände.
Da die Kosten der Erneuerung der Böschung als notwendige Reparaturkosten ersatzfähig sind, kann dahinstehen, ob und inwieweit sie gleichzeitig auch als Bewegungs- oder Schutzkosten oder als Kosten zur Abwendung oder Minderung eines Schadens ersatzfähig sind, beziehungsweise wären.
Der VR muss auch die vorgerichtlichen Sachverständigenkosten erstatten. Das folgt aus Ziffer 2.1.3 WGB S 01/05 (Kosten zur Abwendung oder Minderung eines Schadens). Der VN hat den Gutachtenauftrag an den Sachverständigen nicht erteilt, um seine Ansprüche gegen den VR beziffern zu können. Vielmehr ging es ausschließlich um die Frage der Standsicherheit der Maschinenhalle nach dem Versicherungsfall. Der VN war nach dem Versicherungsfall gegenüber dem VR verpflichtet, ein Vergrößern der Schäden durch weitere Rutschungen zu vermeiden. Daher durfte er es für „sachgerecht“ i. S. v. Ziffer 2.1.3 WGB S 01/05 halten, ein Gutachten einzuholen. Das gilt auch, da der Sachverständige des VR keine Aussage zur Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen für die Maschinenhalle getroffen hatte. Auch durfte das LG die Ersatzpflicht des VR für weitere Kosten feststellen, die aufgrund des Versicherungsfalls anfallen. Es besteht ein Feststellungsinteresse, da der VN die notwendigen Kosten bisher nicht abschließend beziffern konnte.
Relevanz für die Praxis
Zum Thema Erdrutsch haben wir eine Rechtsprechungsübersicht erstellt.
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Weiterführender Hinweis
- Eingestürzte Trockenmauer ist keine versicherte Grundstückseinfriedung OLG Dresden VK 15, 65