· Fachbeitrag · Fremdüblichkeit
Vorsicht bei Arbeitsverträgen zwischen Ehegatten
von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart
| In einer Ehe treten die beiden Partner nicht nur als Lebens-, sondern auch als Wirtschaftsgemeinschaft auf. Dies gilt zumindest, solange es nicht zum Streit kommt. Vor diesem Hintergrund hat der BFH klargestellt, dass alle Bestandteile eines zwischen den Ehepartnern geschlossenen Arbeitsvertrages steuerlich nur dann anerkannt werden können, wenn ein Vertrag dem unter fremden Dritten Üblichen entspricht (BFH 28.10.20, X R 1/19, Abruf-Nr. 220159 ). Damit bestätigt der BFH seine bisherige Ansicht, dass nur fremdübliche Vereinbarungen für Gestaltungen genutzt werden können. |
1. Sachverhalt
Der Ehemann erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit. Seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau arbeitete in Teilzeit als Bürofachkraft in seinem Betrieb. Dabei schlossen die Ehegatten eine Ergänzungsvereinbarung zu einem Zeitwertguthabenmodell. Danach konnte die Ehefrau sowohl Teile des Grundgehalts als auch zusätzlicher Tantiemen, Mehrarbeitsvergütungen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgelder in ein Langzeitkonto einstellen. Die Ehefrau konnte das angesparte Guthaben auf dem Langzeitkonto verwenden für
- den vorzeitigen Ruhestand,
- einen oder mehrere befristete Freizeitblöcke („Sabbatjahre“),
- die Umwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge.
Von dem Bruttogehalt der Ehefrau von 1.410 EUR wurden 1.000 EUR auf dem Langzeitkonto gutgeschrieben. Das Geld wurde vom Ehemann auf ein Depot einer Bank eingezahlt und einschließlich Zinsen an die Ehefrau verpfändet. Der Kontostand betrug nach einigen Jahren knapp 150.000 EUR. Das FA erkannte nach einer Außenprüfung die Rückstellung für das Langzeitarbeitskonto nicht an und änderte die Einkommensteuer entsprechend. Der BFH gab dem FA im Ergebnis Recht.
2. Rechtliche Würdigung
Angesichts des bei nahen Angehörigen normalerweise fehlenden natürlichen Interessengegensatzes und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten muss bei der Beurteilung von Vereinbarungen aus steuerlicher Sicht sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehung und die auf ihr beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen ‒ und damit steuerlich beachtlichen ‒ Bereich zuzurechnen sind. Indiz für die Zuordnung der Vertragsbeziehung zum betrieblichen Bereich ist dabei insbesondere, ob ein Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist.
MERKE | Im Zuge der erforderlichen Gesamtwürdigung erlangt dabei der Umstand, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind, wesentliche Bedeutung. So spricht es gegen die Fremdüblichkeit, wenn das Gesamtbild der Vereinbarungen belegt, dass die weitaus größten Chancen des Vertrags einem der Ehegatten und die weitaus größten Risiken dem anderen Ehegatten zugewiesen werden. |
So verhält es sich im dargestellten Fall. Die Wertguthabenvereinbarung enthält einseitig Regelungen zulasten des Unternehmer-Ehegatten. Danach kann der Arbeitnehmer-Ehegatte (hier: die Ehefrau) nahezu unbegrenzt sein monatliches Grundgehalt oder andere Vergütungen ansparen und das Guthaben praktisch unbeschränkt nur nach eigener Willensentscheidung ‒ ohne Einflussmöglichkeit des ArbG-Ehegatten ‒ wieder abbauen. Es wäre der Ehefrau möglich gewesen, bereits nach kurzer Zeit eine erste Freistellung zu beanspruchen und dabei allein über die Dauer (Tage, Wochen, Monate, Jahre) zu bestimmen. Auch ist es ihr möglich, ständig wiederkehrend Freistellungen in ihr Arbeitsleben zu integrieren.
Dem ArbG-Ehegatten bietet einzig die Ankündigungsfrist von drei Monaten bzw. das einmalige Ablehnungsrecht einer Freistellungsphase aus dringenden betrieblichen Gründen etwas Schutz. Ein (begrenzender) Freistellungszweck muss wiederum nicht erfüllt sein. Auch wenn man berücksichtigt, dass eine Freistellung des Arbeitnehmers durchaus auch im Interesse des Arbeitgebers sein kann (z. B. Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen, Erholung des Arbeitnehmers), sind die Lasten im Streitfall viel zu einseitig verteilt. Eine solche Lastenverteilung führt „zum Scheitern“ der Vereinbarung ‒ der Betriebsausgabenabzug wäre damit zu versagen.
3. Relevanz für die Praxis
Der vom BFH entschiedene Einzelfall bietet die Gelegenheit, nochmals die Kriterien für die Anerkennung von Arbeitsverträgen zwischen Ehegatten kurz darzustellen. Bei Arbeitsverhältnissen geht die Rechtsprechung zunächst davon aus, dass Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen als Betriebsausgaben abziehbar sind, wenn
- der Angehörige aufgrund eines wirksamen, inhaltlich fremdüblichen (auch mündlich abgeschlossenen) Arbeitsvertrags beschäftigt wird,
- die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt,
- und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt.
Dabei ist für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung veranlasst oder aber durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen motiviert sind, seit der Entscheidung des BVerfG vom 7.11.95 (2 BvR 802/90, BStBl II 96, 34) nur noch entscheidend, ob die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Nicht mehr zur Nichtanerkennung führt hingegen eine nur geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen.
Beachten Sie | Die einzelne Kriterien des Fremdvergleichs sind vielmehr im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen.
Zweiter entscheidender Punkt bei der Beurteilung, ob ein Ehegattenarbeitsvertrag steuerlich anerkannt werden kann, ist sodann der Fremdvergleich. Dabei ist laut BFH jeder einzelne Vertragsbestandteil auf seine Fremdüblichkeit hin zu beurteilen. Unterschieden wird dabei in den innerbetrieblichen und den außerbetrieblichen Fremdvergleich:
- Ein innerbetrieblicher Fremdvergleich führt bei der hier zu beurteilenden Zeitwertguthabenvereinbarung zu dem Ergebnis, dass der ArbG-Ehegatte eine vergleichbare Vereinbarung nur seiner Ehefrau, nicht aber anderen in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern angeboten hat. Diese hatten lediglich die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge im Rahmen der Riester- oder Rürup-Regelungen. Diese sind mit der zwischen den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung nicht vergleichbar.
- Im externen Fremdvergleich ist die Frage zu klären, ob ein anderer Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der nicht sein Angehöriger ist, eine solche Vereinbarung angeboten hätte. Hier stellt der BFH klar, dass zwischen beiden Parteien eine ausgewogene Lastenverteilung der Rechte und Pflichten zu beachten ist. Ein Arbeitgeber würde nur eine Vereinbarung abschließen, die ihm auch genügend Vorteile bringt. Da die Flexibilisierung hier aber gerade ausschließlich vom Willen und der Entscheidung der Ehefrau abhängt, hätte ein fremder Arbeitgeber eine solche Vereinbarung nach Ansicht des BFH nicht abgeschlossen.
Für den Berater stellt sich die Frage, welche Ehegattenvereinbarungen er seinen Mandanten empfehlen kann, ohne Gefahr zu laufen, später in Schadenersatzprozesse verwickelt zu werden. Hier gilt es, sich auf den internen Fremdvergleich zu konzentrieren.
Werden einer Gruppe von (fremden) Arbeitnehmern Vereinbarungen angeboten, kann eine solche Vereinbarung auch gefahrlos dem Ehegatten angeboten werden. Nicht entscheidend ist dabei, ob einer der fremden Arbeitnehmer die Vereinbarung annimmt. Es muss allerdings klar dokumentiert werden, dass ein entsprechendes Angebot gemacht wurde und dass diese das Angebot aus freien Stücken abgelehnt haben. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht für das FA keine Möglichkeit, die Ehegattenvereinbarung wegen mangelnder Fremdüblichkeit abzulehnen.
PRAXISTIPP | Sich auf einen externen Fremdvergleich zu verlassen, ist gefährlich. Zum einen ist es regelmäßig schwierig, unter dem Gesichtspunkt des Steuergeheimnisses an Vereinbarungen in fremden Betrieben heranzukommen. Zum anderen unterliegt die Beurteilung, was im Vergleich mit anderen Betrieben üblich ist, nicht nur der schwer vorhersehbaren richterlichen Auslegung, sondern auch einem steten Wandel. Als Beispiel sei hier nur die derzeitige Homeoffice-Entwicklung genannt, die vor Coronazeiten unter dem Gesichtspunkt der Üblichkeit sicher anders gesehen worden wäre. Auf der sicheren Seite ist der Berater daher mit dem internen Fremdvergleich, den der Arbeitgeber selbst gestalten kann. |