Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Erbschaftsteuergesetz

50 Fragen zum neuen Anwendungserlass zur Erbschaftsteuer

von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

| Am 22.6.17 hat die Finanzverwaltung ihre koordinierten Ländererlasse ‒ mit Ausnahme Bayerns ‒ zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (AEErbSt 2017) veröffentlicht (BStBl I 17, 902). Mit den AEErbSt 2017 werden die ErbSt-Richtlinien zu §§ 13a , 13b ErbStG überarbeitet sowie die mit dem ErbStAnpG neu eingefügten §§ 13c , 28 und 28a ErbStG erstmals kommentiert. Die bayrische Finanzverwaltung hat sich dem Anwendungserlass bisher nicht angeschlossen. |

 

Frage 1: Wie ist der für § 13a Abs. 1 und 10 ErbStG (Regel- und Optionsverschonung), § 13c ErbStG (Abschmelzmodell) oder § 28a ErbStG (Verschonungsbedarfsprüfung) maßgebliche Schwellenwert von 26 Mio. EUR beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten zu prüfen?

 

Antwort: Umfasst das auf einen Erwerber übertragene begünstigungsfähige Vermögen mehrere wirtschaftliche Einheiten einer Vermögensart (z. B. mehrere Gewerbebetriebe) oder mehrere Vermögensarten (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften), sind die darauf entfallenden Werte des begünstigten Vermögens vor der Anwendung der § 13a ErbStG (Regel- und Optionsverschonung), § 13c ErbStG (Abschmelzmodell) oder § 28a ErbStG (Verschonungsbedarfsprüfung) zusammenzurechnen (Abschnitt 13.a.1 Abs. 1 S. 5 und 6 AEErbSt 2017).

 

Frage 2: Sind beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten auch solche wirtschaftlichen Einheiten in die Prüfung des Schwellenwerts einzubeziehen, bei denen der Anteil des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG mehr als 20 % beträgt?

 

Antwort: Ja (Abschnitt 13.a.1 Abs. 1 S. 5 AEErbSt 2017).

 

Frage 3: Werden zeitlich auseinanderfallende Erwerbe zusammengerechnet?

 

Antwort: Erfolgen mehrere Erwerbe begünstigten Vermögens i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG von derselben Person innerhalb von zehn Jahren, werden die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert dem letzten Erwerb hinzugerechnet (§ 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG).

 

Frage 4: Werden nur Vorerwerbe nach dem 30.6.16 oder auch Vorerwerbe vor dem 1.7.16 in die Zusammenrechnung einbezogen?

 

Antwort: Entgegen der wohl herrschenden Meinung (Korezkij, DStR 17, 1729 m. w. N.) geht die Finanzverwaltung davon aus, dass auch Erwerbe vor dem 1.7.16 einzubeziehen sind (Abschnitt 13.a.2 Abs. 2 AEErbSt 2017).

 

  • Bei Vorerwerben aus der Zeit 1.1.09 bis 30.6.16 soll der Wert in der Höhe angesetzt werden, in der er steuerfrei blieb, also i. H. von 85 % (Regelverschonung, wohl ohne Berücksichtigung eines Abzugsbetrags) bzw. 100 % (Optionsverschonung);

 

  • bei Vorerwerben aus der Zeit vor dem 1.1.09 soll der Wert in der Höhe angesetzt werden, der nach § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. ermittelt wurde.

 

MERKE | Obwohl diese Beurteilung durch die Finanzverwaltung zweifelhaft erscheint, sollte die Zehnjahresfrist nach Möglichkeit entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung beachtet werden.

 

 

Frage 5: Wer ist für die Berechnung der Mindestlohnsumme in die Anzahl der Beschäftigten und in die Lohnsumme einzubeziehen bzw. nicht einzubeziehen?

 

Antwort: In die Anzahl der Beschäftigten einzubeziehen sind grundsätzlich alle Beschäftigten unabhängig von ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status. Hierzu zählen auch geringfügig Beschäftigte. Nicht einzubeziehen sind Beschäftigte, die sich in Mutterschutz befinden, die sich in einem Ausbildungsverhältnis befinden, die Krankengeld oder Elterngeld beziehen, sowie Saisonarbeiter und Leiharbeiter. Die diesen Beschäftigten gezahlten Vergütungen bleiben ebenfalls außer Ansatz (Abschnitt 13.a.4 Abs. 2 S. 5 AEErbSt 2017). Wie bisher werden angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft zu den Arbeitnehmern gezählt, während angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft nicht zu den Arbeitnehmern gezählt werden (H 13a.4 AEErbSt 2017).

 

Frage 6: Ist die Einhaltung der Mindestlohnsumme gemäß § 13a Abs. 3 S. 1 und 4 ErbStG beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu prüfen?

 

Antwort: Nein, die Prüfung, ob die Mindestlohnsumme (Abschnitt 13a.8 AEErbSt 2017) erfüllt ist, erfolgt insgesamt für alle erworbenen wirtschaftlichen Einheiten des begünstigungsfähigen Vermögens. Einbezogen werden auch Beteiligungen an Gesellschaften mit nicht mindestens fünf Beschäftigten; nicht einbezogen werden hingegen eigenständige Unternehmen, die nicht mindestens fünf Beschäftigte haben (Abschnitt 13.a.1 Abs. 1 S. 5 AEErbSt 2017, Abschnitt 13a.6 AEErbSt mit Beispielen in H 13a.6 AEErbSt 2017).

 

Frage 7: Ändern sich die Aussagen der Finanzverwaltung zu den Folgen einer Weitergabe begünstigten Vermögens durch Erbauseinandersetzung?

 

Antwort: Nein. Neu ist lediglich, dass ein Urteil des BFH vom 23.6.15 (II R 39/13, BStBl II 16, 225, ErbBstg 15, 247 f.) und ein hierzu ergangener Erlass der Finanzverwaltung (Erlass vom 3.3.16, BStBl I 16, 280) in den Anwendungserlass aufgenommen werden. Erfolgt die Erbauseinandersetzung erst nach mehr als sechs Monaten nach dem Erbfall, soll der Begünstigungstransfer weiterhin nur in begründeten Ausnahmefällen (z. B. aufgrund von Erbstreitigkeiten, Erstellung von Gutachten) gewährt werden. Der Steuerpflichtige hat die Gründe darzulegen, die eine Erbauseinandersetzung innerhalb des Sechsmonatszeitraums verhindert haben (H 13a.10 „Freie Erbauseinandersetzung“ AEErbSt 2017; siehe auch Brüggemann, ErbBstg 15, 175 ff.).

 

Frage 8: Ändern sich die Aussagen der Finanzverwaltung zur Reinvestitionsklausel (§ 13a Abs. 6 S. 3 ErbStG), mit der ein Verstoß gegen die Behaltensregelung verhindert werden kann?

 

Antwort: Nein, die Anforderungen an die Reinvestitionsklausel ändern sich nicht. Ergänzend aufgenommen wird aber die schon in den gleich lautenden Erlassen der Länder vom 10.10.13 (BStBl I 13, 1272) enthaltene Aussage, dass auch Finanzmittel zum Verwaltungsvermögen gehören und eine unschädliche Reinvestition in Liquiditätsreserven, die Finanzmittel i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG darstellen, grundsätzlich nicht möglich ist. Lediglich aus Vereinfachungsgründen ist weiterhin von einer Nachversteuerung abzusehen, wenn innerhalb von sechs Monaten seit der schädlichen Verwendung eines Wirtschaftsgutes eine Reinvestition in Vermögen erfolgt, das nicht zum Verwaltungsvermögen gehört. Soweit der Veräußerungserlös entnommen wird, bleibt die Veräußerung in jedem Fall ein Verstoß gegen die Behaltensregelung. Die Tilgung betrieblicher Schulden wird als Reinvestition weiterhin anerkannt (Abschnitt 13a.17 S. 5 bis 8 AEErbSt 2017).

 

Frage 9: Für Familienunternehmen wird gemäß § 13a Abs. 9 S. 1 und 2 ErbStG vor Anwendung des § 13a Abs. 1 ErbStG ein Vorwegabschlag für begünstigtes Vermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG gewährt, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ist für diesen Vorwegabschlag ein Antrag erforderlich?

 

Antwort: Nein, der Erwerber ist aber verpflichtet, die Voraussetzungen nachzuweisen (Abschnitt 13a.19 Abs. 1 S. 2 AEErbSt).

 

Frage 10: Kommt der Vorwegabschlag für alle Unternehmen in Betracht?

 

Antwort: Nein (Abschnitt 13a.19 Abs. 1 S. 4 AEErbSt 2017). Der Vorwegabschlag kommt insbesondere nicht in Betracht

  • bei einem Einzelunternehmen,
  • bei Anteilen an einer Aktiengesellschaft, weil das Aktiengesetz keine entsprechenden Einschränkungen in der Satzung zulässt,
  • in den Fällen der Einziehungsklausel gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 ErbStG und § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG, weil es sich nicht um einen Erwerb begünstigten Vermögens handelt (siehe R E 3.4 Abs. 3 S. 7 bis 9 ErbStR 2011; H E 7.9 ErbStH 2011).

 

In den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG und § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG (Abtretungsklausel) wird der Vorwegabschlag richtigerweise gewährt (Abschnitt 13a.19 Abs. 1 S. 3 AEErbSt 2017). Bei Personengesellschaften fällt das Sonderbetriebsvermögen nicht unter den Vorwegabschlag (Abschnitt 13a.19 Abs. 3 S. 2 AEErbSt 2017).

 

Frage 11: An welcher Stelle wird der Vorwegabschlag abgezogen?

 

Antwort: Der Vorwegabschlag ist vorrangig vor Anwendung des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 1 oder 10 ErbStG bzw. § 13c ErbStG oder der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG zu berücksichtigen (Abschnitt 13a.19 Abs. 1 S. 5 und 6 AEErbSt 2017).

 

Frage 12: Wie äußert sich die Finanzverwaltung zur Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung auf höchstens 37,5 % des maßgeblichen Gewinns (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 1 ErbStG)?

 

Antwort: Maßgeblicher Gewinn ist der Gewinn i. S. des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG. Dabei bleiben bei einem Anteil am Betriebsvermögen Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt. Aus Vereinfachungsgründen kann bei einer Personengesellschaft die auf den Gewinnanteil oder bei einer Kapitalgesellschaft die auf die Ausschüttung entfallende Steuer mit einem Steuersatz von 30 % (§ 202 Abs. 3 BewG) angenommen werden.

 

MERKE | Im Hinblick auf die Grenze von höchstens 37,5 % errechnet sich damit bei einem unterstellten Steuersatz von 30 % ‒ inklusive SolZ und KiSt ‒ ein Wert von 26,25 % (nämlich 37,5 % von nach Abzug der Steuern verbleibenden 70 %).

 

Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt, bei einem Anteil am Betriebsvermögen bleiben dabei die Steuern auf Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt (siehe hierzu die Berechnungsbeispiele gemäß H 13a.19 AEErbSt 2017 und die kritische Würdigung von Korezkij, DStR 17, 1730). Die Begriffe Entnahme und Ausschüttung sind nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts zu beurteilen (Abschnitt 13a.19 Abs. 2 Nr. 1 AEErbSt 2017).

 

MERKE | Entnahmen oder Ausschüttungen zur Begleichung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer werden bei der Ermittlung der schädlichen Entnahmen einbezogen (Abschnitt 13a.19 Abs. 2 Nr. 1 S. 5 AEErbSt 2017).

 

 

Frage 13: Welche Anforderungen stellt die Finanzverwaltung an die Voraussetzung, dass die Beteiligung an der Personengesellschaft oder der Anteil an der Kapitalgesellschaft nur auf Mitgesellschafter, auf Angehörige i. S. des § 15 Abs. 1 AO oder auf eine Familienstiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) übertragen werden darf (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG)?

 

Antwort: Die Finanzverwaltung folgt dem Wortlaut des Gesetzes und weist darauf hin, dass die Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn eine Verfügung auf andere Personen nach Zustimmung der übrigen Gesellschafter möglich ist oder eine Verfügung auf eine vermögensverwaltende Familiengesellschaft vorgesehen ist, an der Angehörige des Gesellschafters beteiligt sind (Abschnitt 13a.19 Abs. 2 Nr. 2 AEErbSt 2017).

 

Frage 14: Welche Anforderungen werden an die Abfindungsregelung für den Fall des Ausscheidens des Gesellschafters aus der Gesellschaft gestellt (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 3 ErbStG)?

 

Antwort: Es reicht nicht aus, dass ein Verkauf an die unter § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Personen unter dem gemeinen Wert zulässig ist (Abschnitt 13a.19 Abs. 2 Nr. 3 AEErbSt 2017). Demnach muss die Abfindungshöhe genau festgelegt werden. Die Höhe des Abschlags bemisst sich danach, um wie viel Prozent die laut Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorgesehene Höhe der Abfindung unter dem gemeinen Wert der Gesellschaftsbeteiligung oder Anteile liegt. Er darf aber 30 % nicht übersteigen (§ 13a Abs. 9 S. 3 ErbStG). Beschränkungen der Entnahme oder Ausschüttung und der Verfügungsmöglichkeiten bleiben bei der Ermittlung der Höhe des Abschlags unberücksichtigt. Sehen die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag unterschiedliche Abfindungshöhen abhängig von dem Grund des Ausscheidens vor, ist die höchste in Betracht kommende Abfindung für die Ermittlung des Vorwegabschlags maßgebend (Abschnitt 13a.19 Abs. 4 AEErbSt 2017).

 

Frage 15: Können die Voraussetzungen des § 13a Abs. 9 ErbStG für den Vorwegabschlag auch in einem Poolvertrag geregelt werden?

 

Antwort: Nein. Es genügt nicht, wenn diese Regelungen lediglich in einem Poolvertrag enthalten sind (Abschnitt 13a.19 Abs. 2 S. 1 AEErbSt 2017).

 

Frage 16: Hat der Vorwegabschlag noch Bedeutung, wenn die Voraussetzungen für die Optionsverschonung über sieben Jahre (Lohnsummenfrist, Behaltensfrist) eingehalten werden?

 

Antwort: Werden die Lohnsummen- und Behaltensregelung für sieben Jahre beachtet, wirkt sich ein Wegfall des Abschlags für Familienunternehmen wegen der Nichteinhaltung der gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Voraussetzungen nicht aus, wenn aufgrund des Wegfalls des Abschlags die Prüfschwelle von 26 Mio. EUR nicht überschritten wird. In diesem Fall ist also schon nach Ablauf von sieben Jahren eine Steuerverschonung von 100 % gesichert (siehe auch Abschnitt 13a.19 Abs. 1 S. 7 und 8 AEErbSt).

 

Frage 17: Wirkt sich der Vorwegabschlag auf die Kürzung der Schulden (§ 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG) aus?

 

Antwort: Kommt nur der Vorwegabschlag nach § 13a Abs. 9 ErbStG zur Anwendung, unterliegen die mit dem begünstigten Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden der Schuldenkürzung nach § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG. Dies ist auch der Fall, wenn der Schwellenwert von 26 Mio. EUR überschritten wird und der Erwerber einen Antrag nach § 28a ErbStG gestellt hat oder eine Stundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG beantragt hat (Abschnitt 13a.19 Abs. 5 AEErbSt 2017).

 

Frage 18: Wie beurteilt die Finanzverwaltung die nach § 13a Abs. 9 S. 4 ErbStG einzuhaltende Frist von zwei Jahren vor und zwanzig Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 9 ErbStG)?

 

Antwort: Zur Berechnung der Zweijahresfrist äußert sich die Finanzverwaltung nicht. Damit bleibt ungeklärt, ob auch schon die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in die Fristberechnung einzubeziehen ist. Ein Verstoß gegen die Frist liegt auch vor, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung in der Weise geändert werden, dass die Voraussetzungen für den Vorwegabschlag nicht mehr gegeben sind, oder gegen die Voraussetzungen verstoßen wird. Der Vorwegabschlag soll auch dann noch wegfallen, wenn die Änderungen vorgenommen werden, nachdem der Erwerber nicht mehr Gesellschafter ist. Wird innerhalb des Zeitraums von zwanzig Jahren die Abfindungsbeschränkung dergestalt geändert, dass ein niedrigerer Prozentsatz des Vorwegabschlags zur Anwendung kommen würde, ist der Vorwegabschlag entsprechend zu kürzen (Abschnitt 13a.19 Abs. 6 AEErbSt 2017).

 

Frage 19: Welche Folgen treten ein, wenn durch den Wegfall des Vorwegabschlags erstmals der Schwellenwert von 26 Mio. EUR überschritten wird?

 

Antwort: Wird durch den Wegfall des Vorwegabschlags erstmals der Schwellenwert von 26 Mio. EUR überschritten, entfällt die zunächst in Anspruch genommene Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 1 oder Abs. 10 ErbStG rückwirkend. Für den Erwerb kann dann erstmals ein Antrag nach § 13c ErbStG oder § 28a ErbStG gestellt werden. Ein Verstoß gegen die Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 3 ErbStG) oder gegen die Behaltensregelungen (§ 13a Abs. 6 ErbStG) wirkt sich als solcher nicht auf den Vorwegabschlag nach § 13a Abs. 9 ErbStG aus (Abschnitt 13a.19 Abs. 6 S. 12 AEErbSt 2017).

 

Frage 20: Welche Folgen haben Übertragungen des begünstigten Vermögens auf den Vorwegabschlag?

 

Antwort: Der Vorwegabschlag entfällt nicht, wenn begünstigtes Vermögen

  • im Wege des Übergangs von Todes wegen übergeht,
  • durch Schenkung unter Lebenden übertragen wird oder
  • entgeltlich veräußert wird.

 

Voraussetzung ist aber, dass das begünstigte Vermögen auf Personen i. S. von § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG unter Beachtung der im Zeitpunkt des ursprünglichen Erwerbs geltenden Beschränkungen übergeht. Wird in den Fällen des § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 oder 3 ErbStG beim nachfolgenden Erwerber gegen die Voraussetzungen des Vorwegabschlags verstoßen, verliert auch der vorangegangene Erwerber den Vorwegabschlag, wenn bei ihm die Frist von zwanzig Jahren noch nicht abgelaufen ist (Abschnitt 13a.19 Abs. 7 AEErbSt 2017).

 

Frage 21: Wie und bis wann kann der Antrag auf Optionsverschonung gemäß § 13a Abs. 10 gestellt werden?

 

Antwort: Wie bisher muss der Erwerber die Optionsverschonung bei dem für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich oder zur Niederschrift und unwiderruflich beantragen. Wie bisher kann er den Antrag aber bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer stellen (Abschnitt 13a.20 Abs. 1 AEErbSt 2017/ R E 13a.13 Abs. 1 ErbStR 2011).

 

Frage 22: Was ist zu beachten, wenn der Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten gestellt werden soll?

 

Antwort: Wie bisher ist die Finanzverwaltung der Auffassung, dass der Erwerber den Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG/§ 13a Abs. 8 ErbStG a.F.) im Erbfall insgesamt nur einheitlich für alle Arten des erworbenen begünstigungsfähigen Vermögens (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften) stellen kann. Auch bei Schenkungen mit z. B. mehreren Betriebsübertragungen in mehreren Schenkungsverträgen soll bei Vorliegen eines einheitlichen Schenkungswillens von nur einer Schenkung auszugehen sein (Abschnitt 13a.20 Abs. 1 AEErbSt 2017/R E 13a.13 Abs. 1 ErbStR 2011).

 

Frage 23: Welche Folgen treten ein, wenn der Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten gestellt wird, aber nicht alle Einheiten die Grenze von 20 % nach § 13b Abs. 3 und Abs. 4 ErbStG erfüllen?

 

Antwort: Stellt ein Erwerber begünstigten Vermögens einen Antrag auf Optionsverschonung, ist diese gemäß § 13a Abs. 10 ErbStG nur für die übertragenen wirtschaftlichen Einheiten zu gewähren, bei denen das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG die Grenze von 20 % nicht überschreitet (Abschnitt 13a.20 Abs. 4 S. 1 AEErbSt 2017).

 

MERKE | Für wirtschaftliche Einheiten, die über Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und Abs. 4 ErbStG von mehr als 20 % verfügen, kommt im Falle des Antrags weder eine Options- noch eine Regelverschonung in Betracht (Abschnitt 13a.20 Abs. 4 S. 2 AEErbSt 2017).

 

 

Frage 24: Welche Folgen treten ein, wenn der Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten gestellt wird, aber keine Einheit die Grenze von 20 % nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG erfüllt?

 

Antwort: Der Antrag geht ins Leere, wenn das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG aller übertragenen wirtschaftlichen Einheiten mehr als 20 % beträgt, in diesem Fall kommt aber die Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG in Betracht (Abschnitt 13a.20 Abs. 4 S. 3 AEErbSt 2017; siehe auch FG Münster 9.12.13, 3 K 3969/11 Erb, ErbBstg 14, 256 ). Auch wenn erst nachträglich ermittelt wird (z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung), dass die Verwaltungsvermögensgrenze für die Optionsverschonung in allen wirtschaftlichen Einheiten nicht erfüllt ist, erhält der Erwerber für das begünstigte Vermögen die Regelverschonung (Abschnitt 13a.20 Abs. 4 S. 4 AEErbSt 2017).

 

Frage 25: Gilt dies auch beim Erwerb nur einer wirtschaftlichen Einheit?

 

Antwort: Es wird ausdrücklich klargestellt, dass Abschnitt 13a.20 Abs. 4 S. 1 bis 4 AEErbSt 2017 auch gelten, wenn nur eine wirtschaftliche Einheit erworben wurde (Abschnitt 13a.20 Abs. 4 S. 5 AEErbSt 2017). Geht also der Antrag beim Übergang einer wirtschaftlichen Einheit ins Leere, weil das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG mehr als 20 % beträgt, ist die Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG zu gewähren. Es ist wohl auch im Fall des § 13b Abs. 9 ErbStG (Übergang von Holding- bzw. Konzernstrukturen) vom Übergang einer wirtschaftlichen Einheit auszugehen.

 

Frage 26: Die zu beantragende Optionsverschonung von 100 % wird gemäß § 13a Abs. 10 S. 2 und 3 ErbStG nur zugelassen, wenn das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG besteht. Wie berechnet sich der Anteil des Verwaltungsvermögens?

 

Antwort: Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG zum gemeinen Wert des Betriebs. Bei Personengesellschaften ist dies der gemäß § 95 Abs. 1a BewG für den Anteil am Gesamthandsvermögen zuzüglich Sonderbetriebsvermögen festgestellte Wert (Abschnitt 13a.20 Abs. 3 AEErbSt 2017).

 

Frage 27: Kann auch noch nach einem Erwerb erreicht werden, dass die 20 %-Grenze gemäß § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG nicht überschritten wird?

 

Antwort: Abschnitt 13a.20 Abs. 3 AEErbSt 2017 erwähnt die Investitionsklausel nicht. Dies dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass aufgrund der Anwendung der Investitionsklausel nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen nachträglich in begünstigtes Vermögen umgeschichtet werden kann und insoweit kein „Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG “ vorliegt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass durch Anwendung der Investitionsklausel die 20 %-Grenze eingehalten und die Anwendung der Optionsverschonung nachträglich ermöglicht werden kann.

 

Frage 28: Was wird von der Finanzverwaltung als Altersversorgungsvermögen (§ 13b Abs. 3 ErbStG) anerkannt?

 

Antwort: Betriebliche Altersversorgungsansprüche und -verpflichtungen liegen vor, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses Versorgungsleistungen bei Alter, Invalidität und/oder Tod i. S. des § 1 Abs. 1 BetrAVG oder in anderer Weise zusagt.

 

Eher zurückhaltend weist die Finanzverwaltung in Abschnitt 13b.11 Abs. 2 S. 6 und 7 AEErbSt 2017 darauf hin, dass nur solche Konstrukte in Betracht kommen, mit denen ein nachhaltiger Insolvenzschutz zugunsten der Anspruchsberechtigten auf Altersversorgung erreicht wird. Eine Rückdeckungsversicherung soll für sich allein nicht hierunter fallen.

 

Mit der Neuerung sollen laut Gesetzesbegründung Vermögensgegenstände, die ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dienen, aus dem Verwaltungsvermögenskatalog vorab ausgenommen werden. Abschnitt 13b.11 Abs. 2 AEErbSt 2017 führt hierzu aus, dass unter das Altersversorgungsvermögen nur Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG einschließlich des jungen Verwaltungsvermögens und die Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 1 ErbStG ohne Berücksichtigung der Schuldenverrechnung und des Sockelbetrags fallen. Nicht darunter fallen die jungen Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG und die Wirtschaftsgüter, die nicht zum Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 ErbStG gehören.

 

Soweit Finanzmittel und Schulden bei der Altersversorgungsverpflichtung berücksichtigt wurden, bleiben sie bei der weiteren Berechnung des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 und Abs. 6 ErbStG) außer Betracht.

 

Frage 29: Wie wird das Altersversorgungsvermögen (§ 13b Abs. 3 ErbStG) bewertet?

 

Antwort: Nach Abschnitt 13b.11 Abs. 3 AEErbSt 2017 sind Altersversorgungsverpflichtungen wie auch Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens mit ihrem gemeinen Wert ( § 9 BewG ) anzusetzen. Dies dürfte auch für die Verbindlichkeiten (Rückstellungen) aus Altersversorgungsverpflichtungen gelten.

 

Frage 30: In welcher Reihenfolge werden Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens bis zur Höhe der Altersversorgungsverpflichtungen verrechnet?

 

Antwort: Abschnitt 13b.11 Abs. 4 AEErbSt 2017 sieht folgende für den Steuerpflichtigen günstige Reihenfolge vor:

 

  • Altersversorgungsverpflichtungen

Altersversorgungsverpflichtungen (§ 13 b Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 ErbStG)

-

junges Verwaltungsvermögen, das den Altersversorgungsverpflichtungen dient (§ 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG)

=

Saldo 1

-

sonstiges Verwaltungsvermögen, das den Altersversorgungsverpflichtungen dient (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG), höchstens Saldo 1

=

Saldo 2

-

Finanzmittel, die den Altersversorgungsverpflichtungen dienen (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG), höchstens Saldo 2

=

Saldo 3 (bei einer Unterdotierung verbleiben zusätzlich verrechenbare Schulden)

 

 

Frage 31: Ändert sich die Definition der Finanzmittel und der Schulden in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG?

 

Antwort: Nein. Abschnitt 13b.23 Abs. 2 AEErbSt 2017 folgt der bisherigen Definition zu § 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG a.F. (gleichlautende Erlasse der Länder vom 10.10.13, BStBl I 13, 1272). Zusätzlich genannt werden Sachleistungsverpflichtungen, soweit sie bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen abzugsfähig sind (R B 103.2 Abs. 5 ErbStR 2011).

 

Frage 32: Wann liegen junge Finanzmittel vor?

 

Antwort: Junge Finanzmittel sind der positive Saldo der innerhalb von zwei Jahren vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ( § 9 ErbStG ) eingelegten und der entnommenen Finanzmittel. Dies gilt unabhängig davon, ob die eingelegten Finanzmittel am Besteuerungszeitpunkt noch vorhanden sind. Der Wert der jungen Finanzmittel ist zudem begrenzt auf den Wert der Finanzmittel im Besteuerungszeitpunkt. Schulden und der Sockelbetrag dürfen bei jungen Finanzmitteln nicht abgezogen werden (Abschnitt 13b.29 Abs. 3 AEErbSt 2017).

 

Frage 33: Gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 4 und 5 ErbStG ist Voraussetzung für die Anwendung des Prozentsatzes von 15 %, dass das nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit (§ 13 Abs. 1 und Abs. 7 EStG), gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG) oder freiberuflichen Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 4 S. 2 EStG) dient. Welche Fälle fallen nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht unter diese Regelung?

 

Antwort: Hierzu führt Abschnitt 13b.23 Abs. 6 S. 6 AEErbSt aus, dass ein Abzug des Sockelbetrags ausgeschlossen ist, wenn das begünstigungsfähige Vermögen

  • nach dem Hauptzweck einer vermögensverwaltenden Tätigkeit dient,
  • einer gewerblich geprägten Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG dient,
  • einer Gesellschaft dient, die nicht überwiegend eine land- und forstwirtschaftliche, gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt.

 

MERKE | Der den Sockelbetrag übersteigende Wert der Finanzmittel zählt zum Verwaltungsvermögen. Wird der Sockelbetrag nicht ausgeschöpft, kann der nicht ausgeschöpfte Teil nicht mit anderem Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG verrechnet werden.

 
  • Finanzmittel

festgestellter Wert der jungen Finanzmittel

-

festgestellter Wert der jungen Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG, höchstens der festgestellte Wert der Finanzmittel

=

Saldo

-

festgestellter Wert der Schulden

=

Saldo

-

Sockelbetrag 15 % des festgestellten Werts des Betriebsvermögens/Anteils (vorbehaltlich Hauptzweck gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 4 ErbStG)

=

verbleibender Wert der Finanzmittel, mindestens 0 EUR

 

 

Frage 34: Bei Beteiligungen an Personengesellschaften sind sowohl die Finanzmittel als auch die abzugsfähigen Schulden im Gesamthandsvermögen und im Sonderbetriebsvermögen in die Berechnung des Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG einzubeziehen. Werden auch Forderungen und Schulden der Gesellschafter gegenüber der Personengesellschaft sowie der Personengesellschaft gegenüber den Gesellschaftern (§ 13b ErbStG) einbezogen?

 

Antwort: Ja, sie sind einzubeziehen, soweit sie nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BewG zum Betriebsvermögen gehören (Abschnitt 13b.23 Abs. 9 AEErbSt 2017, siehe Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter R B 97.1 Abs. 2 ErbStR 2011).

 

Frage 35: Wie werden das Verwaltungsvermögen, die Finanzmittel und die Schulden des Gesamthandsvermögens auf die Gesellschafter aufgeteilt?

 

Antwort: Das Verwaltungsvermögen, die Finanzmittel und die abzugsfähigen Schulden des Gesamthandsvermögens werden nicht wie bisher nach dem Gewinnverteilungsschlüssel, sondern nach dem Wert des Anteils des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen zum gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens gemäß § 97 Abs. 1a Nr. 1 BewG dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet. Bei der Ermittlung des Sockelbetrags ist hingegen der Wert der Beteiligung an der Gesellschaft ‒ inklusive Sonderbetriebsvermögen ‒ zugrunde zu legen (Abschnitt 13b.23 Abs. 9 S. 3 AEErbSt 2017).

 

Frage 36: Wie werden Einlagen und Entnahmen bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel auf die Gesellschafter aufgeteilt?

 

Antwort: Bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel sind die Einlagen und Entnahmen aller Gesellschafter anzusetzen, soweit sie das Gesamthandsvermögen betreffen. Diese Einlagen und Entnahmen sind nach dem Wert des Anteils des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen zum gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens (§ 97 Abs. 1a Nr. 1 BewG) auf die Gesellschafter aufzuteilen. Einlagen in das und Entnahmen aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters sind nur anzusetzen, soweit sie die übertragene Beteiligung betreffen (Abschnitt 13b.23 Abs. 9 S. 5 bis 7 AEErbSt 2017).

 

Frage 37: Das Stichtagsprinzip für den Verwaltungsvermögenstest (§§ 9, 11 ErbStG) wird durch die Investitionsklausel nach § 13b Abs. 5 ErbStG durchbrochen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Investition aufgrund eines im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vorgefassten Plans des Erblassers erfolgt und nicht zu neuem Verwaltungsvermögen führt. Welche Anforderungen stellt die Investitionsklausel an den vorgefassten Plan des Erblassers?

 

Antwort: Hierzu weist die Finanzverwaltung nur zurückhaltend darauf hin, dass der Plan des Erblassers so konkret sein muss, dass dieser und die entsprechend vom Erwerber umgesetzte Investition „nachvollzogen werden können“. Außerdem muss der Plan die zu erwerbenden oder herzustellenden Gegenstände beinhalten. Der Erblasser muss aber nicht vorgeben, welche konkreten Gegenstände des Verwaltungsvermögens zur Finanzierung zu verwenden sind.

 

Unschädlich ist eine zusätzliche Finanzierung der Investition aus dem Privatvermögen. Die Zurechnung zum Verwaltungsvermögen entfällt aber rückwirkend nur für das zur Finanzierung eingesetzte Verwaltungsvermögen. Das eingesetzte Privatvermögen wird nicht rückwirkend zum Besteuerungszeitpunkt als vom Erblasser erworbenes begünstigtes Vermögen behandelt (Abschnitt 13b.24 Abs. 3 AEErbSt 2017).

 

Frage 38: Wie wird der vorgefasste Plan des Erblassers bei dem Minderheitsgesellschafter einer Personengesellschaft geprüft?

 

Antwort: Hatte der Erblasser, z. B. als ein Minderheitsgesellschafter, keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung (Geschäftsführung, Vorstand) des Betriebs, reicht es aus, wenn die Geschäftsleitung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers einen konkreten Investitionsplan gefasst hatte und diesen innerhalb der Frist von zwei Jahren verwirklicht. Dieser Plan und seine Umsetzung werden dem Erblasser zugerechnet (Abschnitt 13b.24 Abs. 3 AEErbSt 2017).

 

Frage 39: Können bei der Ermittlung des Nettowerts des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 6 ErbStG) Schulden auch von jungen Finanzmitteln abgezogen werden?

 

Antwort: Nein. Als Nettowert des Verwaltungsvermögens ist mindestens der gemeine Wert des jungen Verwaltungsvermögens und der auf den tatsächlichen Bestand der vor Anwendung der Schuldenverrechnung und vor Abzug des Sockelbetrags gedeckelten jungen Finanzmittel anzusetzen (Abschnitt 13b.25 S. 5 AEErbSt 2017 unter Hinweis auf § 13b Abs. 8 S. 3 ErbStG).

 

Frage 40: Wie wird das unschädliche Verwaltungsvermögen ermittelt?

 

Antwort: Gemäß § 13b Abs. 7 S. 1 ErbStG wird der Nettowert des Verwaltungsvermögens wie begünstigtes Vermögen behandelt, soweit er 10 % des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt (unschädliches Verwaltungsvermögen). Gemäß § 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG ist Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ( § 9 ErbStG ) weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (junges Verwaltungsvermögen), und junge Finanzmittel i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG kein unschädliches Verwaltungsvermögen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 13b.26 S. 2 und H 13b.26 AEErbSt 2017) ist daher wie folgt vorzugehen:

 

  • Ermittlung unschädliches Verwaltungsvermögen

festgestellter Wert des Betriebsvermögens/Anteils

15.000.000 EUR

-

Nettowert des Verwaltungsvermögens

- 3.606.741 EUR

-

festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens

- 1.000.000 EUR

-

festgestellter Wert der jungen Finanzmittel

- 500.000 EUR

=

Bemessungsgrundlage für das unschädliche Verwaltungsvermögen

 

9.893.259 EUR

Nettowert des Verwaltungsvermögens

3.606.741 EUR

-

10 % x Bemessungsgrundlage für das unschädliche Verwaltungsvermögen

 

- 989.326 EUR

=

gekürzter Nettowert des Verwaltungsvermögens

2.627.415 EUR

 

 

Frage 41: Um Missbrauchsgestaltungen zu vermeiden, soll der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens gemäß § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG vollständig nicht begünstigt sein, wenn das Verwaltungsvermögen mindestens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt (übermäßiges Verwaltungsvermögen). In welchen Fällen ist diese Regelung zu beachten?

 

Antwort: Die Regelung betrifft die Verschonungen nach § 13a und § 13c ErbStG , die Stundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG und die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG (Abschnitt 13b.10 S. 2 AEErbSt 2017).

 

Frage 42: Welches Verhältnis ist für die 90 %-Regel zu bilden?

 

Antwort: Nach Abschnitt 13b.10 S. 3 AEErbSt 2017 ist für die Prüfung, ob übermäßiges Verwaltungsvermögen vorliegt, folgendes Verhältnis maßgebend:

 

Summe aus dem festgestellten Wert des Verwaltungsvermögens einschließlich des jungen Verwaltungsvermögens und dem festgestellten Wert der Finanzmittel einschließlich der jungen Finanzmittel

festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens

 

Die Schuldenverrechnung mit den Finanzmitteln, der Sockelbetrag beim Finanzmitteltest, die quotale Schuldenverrechnung mit dem Verwaltungsvermögen und das unschädliche Verwaltungsvermögen bleiben unberücksichtigt. Nach Verwaltungsauffassung ist das Verwaltungsvermögen, das der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient (§ 13b Abs. 3 ErbStG), entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu berücksichtigen.

 

Frage 43: Enthält der Anwendungserlass ein Prüfungsschema, um das begünstigte bzw. nicht begünstigte Vermögen zu ermitteln?

 

Antwort: Abschnitt 13b.9 und H 13b.9 2 „Berechnung des begünstigten Vermögens und des steuerpflichtigen Vermögens“ AEErbSt 2017 enthalten ein umfassendes Prüfungsschema und umfassende Beispielrechnungen.

 

Frage 44: Gehören zum begünstigungsfähigen Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG Beteiligungen an Personengesellschaften oder Anteile an Kapitalgesellschaften, erfolgt die rechentechnische Ermittlung des begünstigten Vermögens durch eine Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Abs. 9 S. 1 ErbStG). Was ist in die Verbundvermögensaufstellung einzubeziehen?

 

Antwort: In der Verbundvermögensaufstellung sind die gemeinen Werte der den Gesellschaften zuzurechnenden Vermögensgegenstände des (jungen) Verwaltungsvermögens, der (jungen) Finanzmittel und der Schulden einzubeziehen. Diese sind mit dem Anteil einzubeziehen, zu dem die Beteiligung besteht. Es sind jeweils die folgenden unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Rechengrößen zusammenzufassen:

  • Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG,
  • junges Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG,
  • Finanzmittel i. S. des § 13b Abs. 4 Nr.5 ErbStG,
  • junge Finanzmittel i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG,
  • Schulden.

 

Einzelheiten ergeben sich aus Abschnitt 13b.29 Abs. 3 AEErbSt 2017 und den Berechnungsbeispielen unter H 13.b29 AEErbSt 2017.

 

Frage 45: Werden Forderungen und Verbindlichkeiten, die sich zwischen den Gesellschaften untereinander oder im Verhältnis zu dem übertragenen Betrieb oder der übertragenen Gesellschaft gegenüberstehen, in die Verbundvermögensaufstellung einbezogen?

 

Antwort: Nein, diese sind nicht anzusetzen (Abschnitt 13b.29 Abs. 3 AEErbSt 2017). Das Betriebsfinanzamt, das für die Feststellung der Finanzmittel zuständig ist, teilt dem Betriebsfinanzamt, das für die Feststellung der Schulden zuständig ist, mit, in welcher Höhe die entsprechenden Forderungen nicht als Finanzmittel behandelt wurden.

 

Frage 46: Werden Forderungen und Verbindlichkeiten, die sich im Gesamthandsvermögen und im Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft gegenüberstehen, in die Verbundvermögensaufstellung einbezogen?

 

Antwort: Ja; diese sind nach Auffassung der Finanzverwaltung anzusetzen, weil es sich nicht um eine Beteiligung handelt (Abschnitt 13b.29 Abs. 3 AEErbSt 2017).

 

Frage 47: Wie werden Altersversorgungsverpflichtungen (§ 13b Abs. 3 ErbStG), Schulden (§ 13b Abs. 8 ErbStG) und junge Finanzmittel in die Verbundvermögensaufstellung einbezogen?

 

Antwort: Auf jeder Beteiligungsstufe sind Verwaltungsvermögen und Schulden im Zusammenhang mit Altersversorgungsverpflichtungen (§ 13b Abs. 3 ErbStG) auszuscheiden sowie die Schulden nach § 13b Abs. 8 ErbStG (Nichtansatz der wirtschaftlich nicht belastenden Schulden und der über den durchschnittlichen Schuldenstand hinausgehenden Schulden) zu begrenzen. Die Begrenzung der jungen Finanzmittel auf den Wert der Finanzmittel erfolgt nicht auf jeder Beteiligungsstufe, sondern erst auf der obersten Feststellungsebene (Abschnitt 13b.29 Abs. 4 AEErbSt 2017 und Berechnungsbeispiele unter H 13.b29 AEErbSt 2017).

 

Frage 48: Was fällt nicht in die Berechnungen im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung und des Feststellungsverfahrens?

 

Antwort: Nicht Teil der Berechnungen im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung und des Feststellungsverfahrens sind gemäß Abschnitt 13b.29 Abs. 5 AEErbSt 2017:

  • die Schuldenverrechnung bei Finanzmitteln nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG,
  • der Abzug des Sockelbetrags von 15 % nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG,
  • der Abzug der anteilig verbleibenden Schulden zur Ermittlung des Nettowerts des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 6 ErbStG,
  • die Berücksichtigung des Werts des unschädlichen Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 7 ErbStG,
  • das Saldierungsverbot von Schulden mit jungen Finanzmitteln und jungem Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 8 ErbStG.

 

Diese Berechnungen erfolgen erst bei der Veranlagung zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

 

Frage 49: Wie ist das Verhältnis zwischen Abschmelzmodell (§ 13c ErbStG) und Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG)?

 

Antwort: In Abschnitt 13a.2 Abs. 1 S. 4 AEErbSt wird darauf hingewiesen, dass der Erwerber entweder

 

  • unwiderruflich beantragen kann, auf den Erwerb das Abschmelzmodell für den Verschonungsabschlag anzuwenden und eine Verschonungsbedarfsprüfung dann ausgeschlossen ist (§ 13c Abs. 2 S. 6 ErbStG);

 

  • widerruflich beantragen kann, die Verschonungsbedarfsprüfung mit vollständigem oder teilweisem Erlass der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer durchzuführen (§ 28a ErbStG).

 

Frage 50: Kann für die Verschonungsbedarfsprüfung das verfügbare Vermögen um die darauf anfallende Schenkung- oder Erbschaftsteuer als abzugsfähiger Schuldposten gemindert werden oder nicht?

 

Antwort: Nach Abschnitt 28a.2 Abs. 2 S. 6 und 10 AEErbSt erfolgt kein Abzug der Erbschaftsteuer. Meines Erachtens muss eine Minderung erfolgen, da die Erbschaftsteuerschuld bei der Berechnung des verfügbaren Vermögens als Verbindlichkeit abzuziehen ist. Auch nach der Gesetzesbegründung ist der Nettowert des einzubeziehenden Vermögens nach Abzug von Schulden und Lasten anzusetzen (BT-Drucks. 18/5923, Seite 32).

Quelle: Seite 224 | ID 44856818