· Fachbeitrag · Elektronische Kassen
Sicherheitseinrichtungen: Nichtbeanstandungsregelung läuft am 30.09.2020 aus
von StB Elmar Lipp, Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden/München/Oberhausen
| Am 30.09.2020 läuft die Nichtbeanstandungsregelung für die Verwendung von elektronischen Aufzeichnungssystemen ohne zertifizierte Sicherheitseinheit (TSE) aus. Dieser Beitrag fasst alle wissenswerten Fakten zusammen und klärt über bereits jetzt bekannte Probleme und/oder Fragestellungen auf. Das Fazit ist aber eindeutig: An der TSE führt für Apotheken, die ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwenden, ab dem 01.10.2020 kein Weg vorbei. |
Entstehung der Nichtbeanstandungsregelung
Die Pflicht zum Einsatz einer TSE bei Verwendung von elektronischen Aufzeichnungssystemen wurde durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen eingeführt und sollte zunächst ab dem 01.01.2020 gelten. Da die technischen Vorgaben für die Entwicklung der TSE jedoch erst sehr spät von den zuständigen Stellen bekannt gegeben wurden, war bereits Mitte 2019 zu vermuten, dass dieses Datum nicht zu halten ist. Und so veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Datum vom 06.11.2019 (Az. IV A 4 - S 0319/19/10002 :001, Abruf-Nr. 212154) eine Nichtbeanstandungsregelung, die eine Fristverlängerung bis zum 30.09.2020 gewährte.
In diesem BMF-Schreiben wurde auch die Meldepflicht beim Einsatz elektronischer Aufzeichnungssysteme bis zu dem Zeitpunkt ausgesetzt, da diese Meldung elektronisch erfolgen kann. Aktuell ist hier noch kein konkretes Datum absehbar. Dies bestätigen auch Quellen aus der Finanzverwaltung.
Darüber hinaus haben die Landesfinanzbehörden einiger Bundesländer (aktuell Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) in offiziellen Mitteilungen eine Nichtbeanstandungsregelung hinsichtlich der Frist zum Einsatz einer TSE bekannt gegeben. Danach werden die Finanzverwaltungen dieser Länder nach Maßgabe der jeweiligen Ländererlasse Kassensysteme bis zum 31.03.2021 auch weiterhin nicht beanstanden, wenn
- die erforderliche Anzahl an TSE bei einem Kassenfachhändler oder einem anderen Dienstleister bis zum 30.09.2020 nachweislich verbindlich bestellt bzw. in Auftrag gegeben wurde oder
- der Einbau einer cloudbasierten TSE vorgesehen (z. B. bei einer Zentralkasse in Unternehmen mit einer Vielzahl von Filialen), eine solche jedoch nachweislich noch nicht verfügbar ist.
Ein gesonderter Antrag bei den Finanzämtern ist hierfür nicht erforderlich.
Beachten Sie | Die Nichtbeanstandungsregelung betrifft damit lediglich die Fälle, in denen der Einbau einer TSE trotz eines bereits erteilten Auftrags nicht bis zum 30.09.2020 erfolgt ist oder eine technische Umsetzung aufgrund der Komplexität des Kassensystems noch nicht möglich war. Somit sollten Sie auf jeden Fall spätestens bis zum 30.09.2020 den Auftrag auf Implementierung einer TSE bei Ihrem Warenwirtschaftsanbieter erteilt haben.
Was ist ein elektronisches Aufzeichnungssystem?
Neben § 146a Abgabenordnung (AO) sind die wichtigsten Informationen und Richtlinien in dem Anwendungserlass zu § 146a AO (AEAO zu § 146a) und der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) enthalten. Gemäß § 146a Abs. 1 S. 1 und 2 AO hat derjenige, der aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle mittels eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfasst, dieses und die Geschäftsvorfälle durch eine TSE zu schützen.
Als elektronisches Aufzeichnungssystem gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung „die zur elektronischen Datenverarbeitung eingesetzte Hard- und Software, die elektronische Aufzeichnungen zur Dokumentation von Geschäftsvorfällen und somit Grundaufzeichnungen erstellt“ (AEAO zu § 146). Die KassenSichV drückt sich etwas präziser aus: „Elektronische Aufzeichnungssysteme […] sind elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen“. Hierzu wird im AEAO zu § 146a noch ergänzt: „[…] elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen sind für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen und deren Abrechnung spezialisierte elektronische Aufzeichnungssysteme, die ‚Kassenfunktion‘ haben. Kassenfunktion haben elektronische Aufzeichnungssysteme dann, wenn diese der Erfassung und Abwicklung von zumindest teilweise baren Zahlungsvorgängen dienen können. Dies gilt auch für vergleichbare elektronische, vor Ort genutzte Zahlungsformen (Elektronisches Geld wie z. B. Geldkarte, virtuelle Konten oder Bonuspunktesysteme von Drittanbietern) sowie an Geldes statt angenommene Gutscheine, Guthabenkarten, Bons und dergleichen. Eine Aufbewahrungsmöglichkeit des verwalteten Bargeldbestandes (z. B. Kassenlade) ist nicht erforderlich.“
MERKE | Es ist wohl unstrittig, dass die in den Apotheken eingesetzten Warenwirtschaftssysteme ein solches elektronisches Aufzeichnungssystem darstellen und daher spätestens ab dem 01.10.2020 mit einer TSE versehen sein müssen. |
Mindestanforderungen an eine TSE
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat in den technischen Richtlinien Mindestanforderungen an eine TSE festgelegt und dabei weitestgehend auf technische Vorgaben verzichtet. Insbesondere muss eine TSE nicht notwendigerweise in einer physikalischen Einheit verbaut werden. Das bedeutet, dass auch mehrere Komponenten, die an unterschiedlichen Stellen des elektronischen Aufzeichnungssystems angebracht sind, grundsätzlich die Voraussetzungen einer TSE erfüllen können. Mindestvorgaben werden in den technischen Richtlinien lediglich zu den einzelnen Komponenten einer zertifizierten TSE geregelt, nämlich Sicherheitsmodul, Speichermedium und einheitliche digitale Schnittstelle.
An die Speicherung der Daten stellt die KassenSichV folgende Anforderungen: Die Speicherung der laufenden Geschäftsvorfälle oder anderen Vorgänge i. S. des § 146a Abs. 1 S. 1 AO muss vollständig, unverändert und manipulationssicher auf einem nicht flüchtigen Speichermedium erfolgen; sie müssen als Transaktionen so verkettet werden, dass Lücken in den Aufzeichnungen erkennbar sind.
Beachten Sie | Die TSE muss nach den Vorgaben des BSI zertifiziert sein! Der Anbieter der TSE muss sich die Zertifizierung regelmäßig erneuern lassen.
Laufende Geschäftsvorfälle und andere Vorgänge
Der Anwendungserlass zu § 146a AO definiert „laufende Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge i. S. des § 146a Abs. 1 S. 1 AO“ wie folgt:
- Geschäftsvorfälle sind alle rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgänge, die innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts den Gewinn bzw. Verlust oder die Vermögenszusammensetzung in einem Unternehmen dokumentieren oder beeinflussen bzw. verändern (z. B. zu einer Veränderung des Anlage- und Umlaufvermögens sowie des Eigen- und Fremdkapitals führen). Beispiele für Geschäftsvorfälle, die bei elektronischen Aufzeichnungssystemen vorkommen können, sind: Eingangs-/Ausgangs-Umsatz, nachträgliche Stornierung eines Umsatzes, Trinkgeld (Unternehmer, Arbeitnehmer), Gutschein (Ausgabe, Einlösung), Privatentnahme, Privateinlage, Wechselgeldeinlage, Lohnzahlung aus der Kasse, Geldtransit (zwischen Kasse und Bank).
- Unter anderen Vorgängen sind Aufzeichnungsprozesse zu verstehen, die nicht durch einen Geschäftsvorfall, sondern durch andere Ereignisse im Rahmen der Nutzung des elektronischen Aufzeichnungssystems ausgelöst werden und zur nachprüfbaren Dokumentation der zutreffenden und vollständigen Erfassung der Geschäftsvorfälle notwendig sind. Hierunter fallen beispielsweise Trainingsbuchungen, die Sofort-Stornierung eines unmittelbar zuvor erfassten Vorgangs, Belegabbrüche, erstellte Angebote und nicht abgeschlossene Geschäftsvorfälle (z. B. Bestellungen).
Es stellt sich die Frage: Sind die Geschäftsvorfälle und anderen Vorgänge lediglich auf Vorgänge beschränkt, die einen Bezug zur Kasse haben, oder sind auch Vorgänge von der TSE zu erfassen, die keine (direkten) Berührungspunkte zur Kasse haben, wie z. B. die Erstellung von Ausgangsrechnungen über das Faktura-Modul? Aufgrund der in der KassenSichV und dem AEAO zu § 146 und 146a verwendeten Begrifflichkeiten und Definitionen kann eine Einschränkung auf die Vorgänge in direktem Zusammenhang mit der Kasse getroffen werden.
Wann werden die Daten aus der TSE abgerufen?
In der Praxis besteht häufig die Befürchtung, dass die TSE die dort aufgezeichneten Daten direkt und dauerhaft an das Finanzamt übermittelt. Dies ist eindeutig nicht der Fall. Die Finanzverwaltung wird die Daten hauptsächlich im Zusammenhang mit Kassennachschauen und/oder Betriebsprüfungen abrufen sowie auswerten.
Was ist bei einem Ausfall der TSE zu tun?
Auch für einen Ausfall der TSE hat der AEAO zu § 146a Handlungsvorgaben getroffen: Die Ausfallzeiten und der Ausfallgrund der TSE sind zu dokumentieren. Kann das elektronische Aufzeichnungssystem ohne die funktionsfähige TSE weiterbetrieben werden, muss dieser Ausfall auf dem (Kassen-)Beleg ersichtlich sein. Dies kann durch die fehlende Transaktionsnummer oder durch eine sonstige eindeutige Kennzeichnung erfolgen. Das elektronische Aufzeichnungssystem kann bis zur Beseitigung des Ausfallgrunds weiterhin genutzt werden. Der Unternehmer hat jedoch unverzüglich die jeweilige Ausfallursache zu beheben und dadurch sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 146a AO schnellstmöglich wieder eingehalten werden.
MERKE | Die grundsätzliche Belegausgabepflicht bleibt von dem Ausfall unberührt, auch wenn nicht alle für den Beleg erforderlichen Werte durch die TSE zur Verfügung gestellt werden. Die Belegangaben zu Datum und Uhrzeit müssen in diesem Fall von dem elektronischen Aufzeichnungssystem bereitgestellt werden. |
Mindestangaben auf den Kassenbelegen
Wird ein elektronisches Aufzeichnungssystem durch eine TSE gesichert, müssen die Kassenbelege die folgenden Mindestangaben enthalten:
- Den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers
- Das Datum der Belegausstellung und den Zeitpunkt des Vorgangsbeginns sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung
- Die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung
- Die Transaktionsnummer
- Das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt
- Die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder des Sicherheitsmoduls
- Den Betrag je Zahlungsart
- Den Signaturzähler
- Den Prüfwert
Bußgeldvorschriften und -rahmen
Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Verpflichtung und den dazugehörigen Anforderungen hinsichtlich des Einsatzes der TSE auch den Verstoß gegen diese geregelt. So wurden die steuerrechtlichen Bußgeldvorschriften des § 379 AO ergänzt. Der steuerrechtliche Bußgeldrahmen wurde ebenfalls angepasst: Gemäß § 379 Abs. 6 AO kann bei einem in § 379 Abs. 1 AO genannten Verstoß ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro festgesetzt werden. Es empfiehlt sich daher zwingend, bis zum 30.09.2020 eine zertifizierte TSE bei Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems zu implementieren.