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· Fachbeitrag · Einkommensteuer

Neues Gestaltungspotenzial bei Fortbildungen der Mitarbeiter: So nutzen Sie § 3 Nr. 19 EStG

von Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation) Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Jan-Philipp Muche, Hameln, www.practax.de

| Sie überlegen, einen Ihrer Arbeitnehmer für eine Fortbildung anzumelden und dafür sämtliche Kosten zu übernehmen? Dann lernen Sie die neue Befreiungsvorschrift im EStG kennen und erfahren Sie, welche Punkte Sie beachten müssen, um davon profitieren zu können. |

Neue Rechtslage gilt rückwirkend seit dem 01.01.2019

Mit dem Jahressteuergesetz 2019 ist in das EStG eine eigenständige Steuerbefreiungsnorm für vom Arbeitgeber getragene Fortbildungskosten aufgenommen worden ‒ § 3 Nr. 19 EStG. Zuvor war R 19.7 LStR für die Beurteilung der Fortbildungskosten maßgebend. Diese ist nun überholt. Rückwirkend seit dem 01.01.2019 sind damit steuerfrei

  • alle Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers für Maßnahmen nach § 82 Abs. 1 und 2 SGB III sowie
  • Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers, die der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dienen.

Dieses Potenzial birgt die Neuregelung

Diese Rechtsänderung schafft Gestaltungspotenzial. Die Regelung führt nämlich dazu, dass Arbeitnehmer auch Fortbildungen besuchen können, die sie primär für den Arbeitsalltag gar nicht benötigen.

 

  • Beispiel 1

Ein Arbeitgeber meldet einen Mitarbeiter aus der Steuerabteilung zu einem EDV-Kurs an. Ziel des Kurses ist es, die EDV-Kenntnisse zu verbessern und durch die EDV-Nutzung Arbeitsabläufe zu optimieren. Der Arbeitgeber trägt sämtliche Kosten.

 

Lösung: Durch die Teilnahme an der Fortbildung wird die Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers gestärkt und verbessert. Zudem nimmt die EDV einen Teil des täglichen Arbeitsbereichs des Mitarbeiters ein (Steuerabteilung). Die Fortbildungskosten können somit steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet werden. Diese Lösung galt auch entsprechend für Zeiträume vor dem 01.01.2019, da die Fortbildung arbeitsplatzbezogen war.

 
  • Beispiel 2

Ein Arbeitgeber (Malerbetrieb) meldet einen seiner Handwerker zu einem EDV-Kurs an. Ziel des Kurses ist es, die EDV-Kenntnisse des Teilnehmers zu verbessern und durch die EDV-Nutzung Arbeitsabläufe zu optimieren. Der Arbeitgeber trägt sämtliche Kosten.

 

 

Lösung: Auch in diesem Fall wird durch die Teilnahme die Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers gestärkt und verbessert. Seit 01.01.2019 ist es nicht mehr nötig, dass die Fortbildung etwas mit dem aktuellen Einsatzgebiet des Mitarbeiters zu tun hat. Die Fortbildungskosten können somit auch hier steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet werden

 

Wichtig | Das wäre vor dem 01.01.2019 nicht möglich gewesen, da die Fortbildung nicht arbeitsplatzbezogen war. Hier hat die Neuregelung eindeutig Steuergestaltungspotenzial eröffnet. Typische Beispiele für steuerlich förderungsfähige Fortbildungen sind

  • Sprachunterricht bzw. -förderung,
  • psychologische und geisteswissenschaftliche Veranstaltungen,
  • Kurse über verbale und non-Verbale Kommunikation (Soft-Skills-Kurse),
  • Vertriebsschulungen bzw. Motivationsseminare.

Gestaltungen richtig umsetzen: Was Sie beachten müssen

Laut EStG sind alle Förderungen i. S. v. § 82 Abs. 1 und 2 SGB III begünstigt. Insoweit werden hauptsächlich zwei Arten von Fortbildungen unterschieden. Nämlich zum einen Weiterbildungen, die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Zum zweiten kann der Arbeitgeber den Erwerb eines Berufsabschlusses fördern und unterstützen.

 

Wichtig | Durch die Gesetzesänderung ist es für den Arbeitgeber ab sofort nicht mehr nötig, einen ratierlichen Rückzahlungsvertrag mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren. Die Steuerfreiheit ist an keine weiteren Bedingungen geknüpft und soll zu Rechtssicherheit führen.

 

Abschluss der Fortbildung keine Voraussetzung mehr

Die Rechtsänderung hat zudem zur Folge, dass kein Abschluss der Fortbildung erfolgen muss.

 

  • Beispiel

Sie übernehmen als Arbeitgeber für einen Ihrer Mitarbeiter die Kosten für die Vorbereitung auf die Ausbildereignungsprüfung im Sinne des AEVO. Leider besteht der Mitarbeiter die Prüfung nicht.

 

Lösung: Da die steuerfreie Übernahme an keine Bedingungen geknüpft ist, kommt es zu keinem geldwerten Vorteil und analog zu keiner Versteuerung der Kosten als Arbeitslohn.

 

Rückwirkende Erstattung möglich

Des Weiteren bestehen keine Voraussetzungen mehr über den Zeitpunkt der Zusage der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber. Als Arbeitgeber können Sie Ihren Mitarbeitern damit Fortbildungskosten für Kurse steuerfrei erstatten, die bereits im Jahr 2019 begonnen haben. Auch hier entsteht erhebliches Steuersparpotenzial.

 

K.O.-Kriterium „Belohnungscharakter“

Wie oben erwähnt, kann der Arbeitgeber durch die Rechtsänderung auch solche Fortbildungskosten steuerfrei erstatten, die mit der grundsätzlichen Tätigkeit des Mitarbeiters nichts zu tun haben. Das geht aber nur, wenn die Weiterbildung keinen überwiegenden Belohnungscharakter hat.

 

In der Praxis wird schwer feststellbar sein, wann eine Fortbildung einen Belohnungscharakter aufweist und wann nicht. Das dürfte auch zu Streitpotenzial mit dem Finanzamt führen. Ein Indiz für die Prüfung des Belohnungscharakters ist, in welchem Verhältnis die Aufwendungen für die reine Fortbildung zu den Kosten stehen, die sonst für die Fortbildung entstanden sind.

 

  • Beispiel

Der Arbeitgeber meldet einen seiner Mitarbeiter zu einer EDV-Fortbildung auf Mallorca an. Die reine Schulung dauert vier Zeitstunden. Der Mitarbeiter ist jedoch die ganze Woche auf Kosten des Arbeitgebers auf Mallorca untergebracht.

 

Lösung: Der Anteil der Fortbildungskosten im Verhältnis zu den sonstigen angefallenen Kosten ist unverhältnismäßig klein. In diesem Fall ist es nicht möglich, die gesamten Kosten der Reise steuerfrei zu übernehmen, da der Belohnungscharakter im Vordergrund steht. Allein die Kosten für den EDV-Kurs können steuerfrei durch den Arbeitgeber getragen werden.

 

Kostenübernahme beim Führerschein steuerfrei möglich?

Die Neuregelung lässt die Frage aufkommen, wie es sich mit der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber für den Erwerb eines privaten Pkw-Führerscheins verhält. Nach bisherigem Rechtsverständnis konnten Führerscheinkosten nur dann steuerfrei übernommen werden, wenn ein ganz klarer beruflicher Zusammenhang besteht.

 

  • Beispiel

Einem Lkw-Fahrer konnte vor der Rechtsänderung zur Ausübung seiner Tätigkeit der Lkw-Führerschein steuerfrei durch den Arbeitgeber erstattet werden.

 

Bei Aufwendungen für den Erwerb eines Pkw-Führerscheins handelt es sich grundsätzlich um Kosten der privaten Lebensführung. Nach neuer Rechtslage sollen aber generell Fortbildungen gefördert werden, die die Beschäftigungsfähigkeit erhöhen. Diese Voraussetzung wäre nach Auffassung von SSP auch noch erfüllt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den privaten Führerschein bezahlt. Leider gibt es von Seiten der Finanzverwaltung zu dieser Frage noch keine klare Antwort. SSP hält Sie auf dem Laufenden.

 

Werbungskostenabzug bei selbst finanzierter Fortbildung?

Die Neuregelung hat keinen Einfluss im Bereich Werbungskosten. Eine selbstbezahlte rein private Fortbildung wird mithin nicht bereits dadurch abzugsfähig, dass sie vom Arbeitgeber steuerbegünstigt erstattet werden könnte. Arbeitsplatzbezogene Fortbildungen bleiben bei Selbstzahlung demgegenüber auch weiterhin abzugsfähig.

Quelle: Seite 22 | ID 46379225