· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Aktuelle Beratungsschwerpunkte rund um die Betriebsaufspaltung
von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde
| Bei einer Betriebsaufspaltung liegen Fluch und Segen dicht beieinander. Denn einerseits birgt eine unerkannte Betriebsaufspaltung die Gefahr der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven, wenn die sachliche oder personelle Verflechtung endet. Auf der anderen Seite kann die Betriebsaufspaltung als Gestaltungselement aber auch bewusst eingesetzt werden, um z. B. die Haftung zu beschränken. Nachfolgend werden aktuelle Fälle aus der Rechtsprechung näher erörtert. |
1. Vorbemerkungen
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn
- ein Unternehmen (Besitzunternehmen) eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personen- oder Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) zur Nutzung überlässt (sachliche Verflechtung) und
- eine Person oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung).
Unter diesen Voraussetzungen ist die Vermietung oder Verpachtung keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche Vermietung oder Verpachtung (u. a. BFH 12.11.85, VIII R 240/81).
Besitz- und Betriebsunternehmen sind rechtlich und wirtschaftlich eigenständig, sodass ihr Gewinn getrennt zu ermitteln ist. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass bei einer Betriebsaufspaltung durchgängig korrespondierend bilanziert werden muss (BFH 8.3.89, X R 9/86). Soweit das Besitzunternehmen seinen Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt, sind Einnahmen folglich erst zu berücksichtigen, wenn sie zufließen (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG).
2. Aktuelle Problemfelder bei der sachlichen Verflechtung
2.1 Büroräume als wesentliche Betriebsgrundlage
Büroräume sind grundsätzlich als funktional wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen. Einer spezifischen Ausstattung des Gebäudes bedarf es nicht. Dies gilt
- für ganze Bürogebäude (BFH 10.11.05, IV R 7/05),
- für eine Büroetage (BFH 10.6.08, VIII R 79/05, unter II.2.) und
- selbst für einen Büroraum in einem ansonsten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus, wenn sich dort der Mittelpunkt der Geschäftsleitung der Betriebs-Kapitalgesellschaft befindet (BFH 13.7.06, IV R 25/05).
Beachten Sie | Auch Lagerhallen können eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, wenn sie eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für das Betriebsunternehmen haben (vgl. BFH 29.11.12, IV R 37/10). Die quantitative Betrachtung (Höhe der stillen Reserven) ist bei der Betriebsaufspaltung nicht relevant.
2.2 Eigentum an den überlassenen Wirtschaftsgütern
In der Beratungspraxis wird des Öfteren verkannt: Eigentum an den überlassenen Wirtschaftsgütern ist für eine Betriebsaufspaltung nicht zwingend erforderlich. Der BFH hat schon mehrfach entschieden, dass die sachliche Verflechtung auch dann bestehen kann, wenn der Gesellschafter zwar nicht Eigentümer der von ihm an die Kapitalgesellschaft überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlage ist, sie aber aus eigenem Recht nutzen kann und zur Nutzungsüberlassung berechtigt ist. Denn Rechtspositionen, die als Grundlage für ein werbendes Unternehmen ausreichen, genügen grundsätzlich auch zur Betriebsführung in einem Pachtunternehmen, sofern der Verpächter zur Nutzungsüberlassung befugt ist (BFH 10.5.16, X R 5/14).
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E und F hatten von B ein Grundstück gepachtet, auf dem sie einen Gewerbebetrieb (die EF-GbR) unterhielten. E und F gründeten eine GmbH, an der sie beide zu jeweils 50 % beteiligt waren. Die EF-GbR schloss mit der GmbH einen Pacht- und Übernahmevertrag. Danach verpachtete die GbR ihren Betrieb an die GmbH. Zum Pachtobjekt gehörte ausdrücklich auch die Nutzung der Büro- und Geschäftsräume. Ferner wurden sämtliche in und an den Gebäuden angebrachten technischen Anlagen, Teile des beweglichen Anlagevermögens, der Kundenstamm, die Geschäftsorganisation, die Einkaufsverbindungen und der Firmenname verpachtet. Die nicht mitverpachteten Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens wurden an die GmbH verkauft.
Lösung: Zwar standen die an die GmbH verpachteten Büroräume nicht im Eigentum von E und F bzw. der GbR, sondern im Eigentum des B. Eine Betriebsaufspaltung liegt aber auch dann vor, wenn die wesentliche Betriebsgrundlage nicht im Eigentum des Besitzunternehmens steht. Dabei ist es unerheblich, ob eine echte oder unechte Betriebsaufspaltung vorliegt (BFH 10.5.16, X R 5/14). |
Beachten Sie | Auch eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung vom Eigentümer an den Besitzunternehmer kann ausreichen, um für Letzteren eine sachliche Verflechtung zu ermöglichen. Denn sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich überlassene Nutzungsbefugnisse an wesentlichen Betriebsgrundlagen berechtigen dazu, diese im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu verpachten (BFH 12.10.88, X R 5/86, unter 2.a).
2.3 Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter
Auch überlassene immaterielle Wirtschaftsgüter können eine sachliche Verflechtung begründen. Beispielsweise ist der Mandantenstamm die wesentliche Betriebsgrundlage einer Steuerkanzlei (BFH 26.6.12, VIII R 22/09) und kann als eigenständiges Wirtschaftsgut Gegenstand eines Pachtvertrags sein (BFH 8.4.11, VIII B 116/10).
Ein Freiberufler kann neben seinen freiberuflichen Einkünften (§ 18 EStG) gewerbliche Einkünfte aus einer Betriebsaufspaltung erzielen. Dies gilt auch dann, wenn zwar sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen beiden Tätigkeiten bestehen, die Verflechtung aber nicht so eng ist, dass sich die Tätigkeiten gegenseitig unlösbar bedingen (BFH 21.11.17, VIII R 17/15). In dem zugrunde liegenden Streitfall hatte ein Steuerberater seinen Mandantenstamm an eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war, zur Nutzung überlassen. Daneben hatte er in einem freiberuflichen Einzelunternehmen nur noch bestimmte Beratungstätigkeiten (z. B. Gutachtenaufträge, Testamentsvollstreckung, Liquidatortätigkeiten) ausgeübt. Nach der BFH-Entscheidung liegen hier abgrenzbare gewerbliche und freiberufliche Einkünfte vor.
Beachten Sie | Auch wenn im freiberuflichen Einzelunternehmen noch Mandate betreut werden, die an die GmbH zur Nutzung überlassen wurden, besteht wegen der Begrenzung auf bestimmte Beratungstätigkeiten allenfalls ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Beratungstätigkeit und der Nutzungsüberlassung, aber keine einheitliche Tätigkeit.
3. Personelle Verflechtung bei Betriebsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
Werden Besitz- und Betriebsunternehmen unentgeltlich auf denselben Übernehmer übertragen, gehen beide Betriebe nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten über. Aus ertragsteuerlicher Sicht problematisch ist die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. Insoweit sind diverse Konstellationen denkbar: Übertragung des Grundstücks und/oder des GmbH-Anteils jeweils gegen Nießbrauchsvorbehalt oder nur des Grundstücks/des GmbH-Anteils gegen Nießbrauchsvorbehalt. In diesem Zusammenhang hatte der BFH in jüngerer Zeit 2 Sachverhalte zu beurteilen.
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Die 70-jährige M überträgt das Eigentum an dem Besitz- und am Betriebsunternehmen auf ihre (volljährigen) Kinder S und T. Sie behält sich den Nießbrauch (an Grundstück und den GmbH-Anteilen) zurück. |
Lösung: Werden bei einer Betriebsaufspaltung sowohl das als Einzelunternehmen geführte Besitzunternehmen als auch die in der Rechtsform der GmbH betriebene Betriebsgesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, entfällt grundsätzlich die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft (BFH 21.1.15, X R 16/12). Begründung: Der Nießbraucher beherrscht zwar weiterhin das Besitzunternehmen. Ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen bewirkt aber grundsätzlich nicht, dass der Nießbraucher stimmberechtigt wird. Und auf das Stimmrecht kommt es für die personelle Verflechtung entscheidend an, weil eine GmbH (abgesehen vom Fall der faktischen Beherrschung) durch die Ausübung der Stimmrechte beherrscht wird. |
Beachten Sie | In der Literatur wird die Feststellung des BFH „der Nießbraucher beherrscht weiterhin das Besitzunternehmen“ mitunter kritisch gesehen. Wachter (GmbHR 15, 780) weist darauf hin, dass es bereits zivilrechtlich fraglich erscheint, ob der Nießbrauch so ausgestaltet werden kann, dass alle Entscheidungsbefugnisse alleine dem Nießbraucher zustehen.
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M überträgt nur die GmbH-Anteile unter Nießbrauchsvorbehalt und behält sich das Stimmrecht vor. Die personelle Verflechtung bleibt bestehen, da M auch weiterhin ihren Geschäfts- und Betätigungswillen im Betriebsunternehmen durchsetzen kann (BFH 25.1.17, X R 45/14). |
Beachten Sie | Bisweilen wird aber auch vertreten, dass das Stimmrecht aus den GmbH-Geschäftsanteilen i. d. R. alleine dem Gesellschafter (und nicht dem Nießbraucher) zusteht. Das Stimmrecht sei ein unselbstständiger Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts und notwendigerweise mit diesem verbunden. Das Stimmrecht kann demnach dem Nießbraucher nicht mit dinglicher Wirkung übertragen werden (OLG Koblenz 16.1.92, 6 U 963/91, GmbHR 92, 464 zum Vermächtnisnießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen). Der Gesellschafter könne den Nießbraucher auch nicht ermächtigen, das Stimmrecht im eigenen Namen auszuüben (Seibt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 12, § 15, Rz. 17 ff. und 217). Möglich sei lediglich die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht (Wachter, GmbHR 15, 780). Der BFH ging auf diese Problematik (leider) nicht ein.
PRAXISTIPPS | Ob eine Betriebsaufspaltung bei einer isolierten Übertragung des Grundstücks (also ohne den GmbH-Anteil) unter Nießbrauchsvorbehalt fortbesteht, wurde bisher ‒ soweit ersichtlich ‒ noch nicht entschieden. M. E. ist dies nicht der Fall, da das Grundstück beim Übernehmer keiner betrieblichen Tätigkeit mehr zugerechnet werden kann, sodass die Übertragung zu einer Entnahme des Grundstücks führen dürfte. In Betracht kommt allenfalls ‒ aus Sicht des Übernehmers ‒ ein ruhender Betrieb. Ein solcher liegt aber i. d. R. nicht vor, es sei denn, das Grundstück stellt die alleinige und prägende wesentliche Betriebsgrundlage dar.
Wegen der gezeigten Unwägbarkeiten sind Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei einer bestehenden Betriebsaufspaltung nicht zu empfehlen. Bei hohen stillen Reserven sollte im Vorfeld zumindest eine verbindliche Auskunft eingeholt werden. |
4. Beendigung der Betriebsaufspaltung
Liegen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung nicht mehr vor, führt dies zu einer gewinnrealisierenden Betriebsaufgabe. Dies ist nur dann vermeidbar, wenn
- 1. die Tätigkeit aus anderen Gründen weiterhin als gewerblich zu beurteilen ist oder
- 2. eine bisher überlagerte Betriebsverpachtung im Ganzen wieder auflebt.
4.1 Tätigkeit ist weiter gewerblich
Zur Vermeidung der ungewollten Aufdeckung von stillen Reserven (insbesondere hinsichtlich der Anteile der Betriebs-Kapitalgesellschaft) durch eine ungeplante Beendigung einer Betriebsaufspaltung kann es ggf. zweckmäßig sein, das Besitzunternehmen in eine GmbH & Co. KG einzubringen und die GmbH oder einen Nicht-Kommanditisten zum Geschäftsführer zu bestimmen. Hierdurch kommt es bei einer (z. B. ungewollten) Beendigung der Betriebsaufspaltung zu einer gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, sodass keine Betriebsaufgabe vorliegt.
4.2 Betriebsverpachtung im Ganzen
Lagen zunächst die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung und zugleich einer ‒ subsidiären ‒ Betriebsverpachtung im Ganzen vor und entfallen sodann die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung, „lebt” in diesem Moment das Verpächterwahlrecht (wieder) „auf” (BFH 15.3.05, X R 2/02).
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A überlässt seiner GmbH (100%ige Beteiligung des A) ein bebautes Grundstück, auf dem die GmbH ein Einzelhandelsgeschäft betreibt. Das Grundstück ist die einzige wesentliche Betriebsgrundlage. A veräußert 60 % seiner Anteile an B. Das Grundstück wird weiterhin durch A an die GmbH verpachtet. |
Lösung: Die Betriebsaufspaltung wird wegen Wegfall der personellen Verflechtung beendet. Da das Grundstück ‒ wie häufig beim Betrieb von Geschäften des Einzel- oder Großhandels ‒ die einzige wesentliche Betriebsgrundlage für den Betrieb darstellt, liegt keine Betriebsaufgabe, sondern ein ruhender Betrieb vor (vgl. auch H 16 Abs. 2 EStH „Betriebsunterbrechung“).
Beachten Sie | Ein solcher Betrieb gilt nicht als aufgegeben,
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PRAXISTIPP | Eine aktive Gestaltung in dieser Form sollte man allerdings nur dann wählen, wenn die überlassenen Betriebsgrundlagen eindeutig die wesentlichen Betriebsgrundlagen ausmachen. |
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Die GmbH verlegt ihren Betrieb auf ein neues Grundstück, das der Ehefrau des A gehört und von der GmbH zu einem fremdüblichen Mietzins angemietet wurde.
Lösung (vereinfacht nach BFH 29.11.17, X R 34/15): Zwar führt eine bloße Betriebsverlegung dann nicht zur Beendigung einer Betriebsverpachtung im Ganzen, wenn auch das neue Betriebsgrundstück durch den bisherigen Verpächter zur Verfügung gestellt wird. Vorliegend ist das neue Betriebsgrundstück aber nicht von A, sondern von seiner Ehefrau an die GmbH vermietet worden.
Veräußert der Verpächter bestimmte, für die Fortführung des Betriebs unerlässliche Wirtschaftsgüter, geht das übrige Betriebsvermögen im Wege der (Zwangs-)Betriebsaufgabe auch ohne ausdrückliche Erklärung ins Privatvermögen über (z. B. BFH 17.4.97, VIII R 2/95). Gleiches muss gelten, wenn der Verpächter eine funktionswesentliche Betriebsgrundlage nicht mehr nutzt. |
Weiterführende Hinweise
- Keine Buchwertfortführung bei Übertragung eines Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch (MBP 17, 210)
- BMF nimmt zur Betriebsfortführungsfiktion nach § 16 Abs. 3b EStG endlich Stellung (Günther, MBP 17, 81)
- Pro und Contra Betriebsaufspaltung - Chancen gestalten und Risiken vermeiden (Günther, MBP 13, 68)