· Fachbeitrag · DRG-Abrechnung
OPS 8-980: Ärztliche Behandlungsleitung bedeutet nicht ständige Anwesenheit!
von RA Malte Brinkmann, armedis Rechtsanwälte, Seesen, armedis.de
| Der OPS-Code 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) verlangt im Rahmen seiner strukturellen Mindestmerkmale eine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Der Wortlaut der Mindestmerkmale gibt allerdings keinen Aufschluss darüber, in welcher Art und in welchem Umfang die Behandlungsleitung auf der Station organisiert und sichergestellt sein muss. Dementsprechend ist diese Frage häufig Gegenstand sozialgerichtlicher Verfahren. Das Sozialgericht (SG) München hat jetzt eine bemerkenswerte ‒ und für die Organisation der Behandlungsleitung relevante ‒ Entscheidung getroffen (Urteil vom 23.07.2020, Az. S 15 KR 2143/18). |
Was waren die Einwände der Kostenträger?
Der Kostenträger erhob Leistungsklage beim SG München und machte geltend, dass das Krankenhaus nicht über die Strukturvoraussetzung der Behandlungsleitung verfügen würde, um den OPS 8-980 abrechnen zu können. An Wochenenden und Feiertagen sei die Behandlungsleitung ausschließlich an den Rufdienst delegiert worden. Nach Ansicht des Kostenträgers sei jedoch die tägliche Anwesenheit der Behandlungsleitung mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin auf den behandelnden Stationen notwendig. An Wochenenden und Feiertagen sei ein Rufdienst nicht ausreichend, um eine angemessene Anwesenheit auf der Intensivstation strukturell sicherzustellen. Eine verbindliche Anwesenheit der Behandlungsleitung auf der Intensivstation habe sich nicht ableiten lassen. Der Beurteilung des klagenden Kostenträgers lagen Strukturgutachten des MDK zugrunde.
Was wurde vom Krankenhaus bzgl. der Einwände erwidert?
Das Krankenhaus führte aus, dass das Merkmal der Behandlungsleitung erfüllt sei, da eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation gewährleistet gewesen sei und nur diese vom Wortlaut der Mindestmerkmale des OPS-Codes 8-980 vorausgesetzt werde. Eine ständige Anwesenheit des Behandlungsleiters sei nach dem Wortlaut des OPS nicht vorausgesetzt.
Hiervon unabhängig konnte auf den behandelnden Stationen aufgrund der hohen Qualifikation der oberärztlichen Mitarbeiter sichergestellt werden, dass jederzeit ein Arzt mit der für die Behandlungsleitung geforderten Zusatzqualifikation vor Ort anwesend war.
Eine Behandlungsleitung ausschließlich über eine Delegation an einen Rufdienst habe nicht stattgefunden und an den Wochenenden und Feiertagen sei die Behandlungsleitung vor Ort durch einen entsprechend qualifizierten Facharzt ausgeübt worden. Dieser befand sich regulär von 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr im Dienst, um die Visiten ‒ als Kerntätigkeit der Behandlungsleitung ‒ sicherstellen zu können. Erst nach dem Regeldienst sei der Dienst in einen Rufdienst übergegangen.
Was hat das Gericht entschieden?
Das SG München hat die Klage des Kostenträgers abgewiesen, da das Krankenhaus durch Vorlage von Dienstplänen nachweisen konnte, dass durchgehend 24 Stunden pro Tag ein Ärzteteam auf den behandelnden Intensivstationen anwesend war.
Nach Ansicht des SG München sei lediglich die 24-stündige Anwesenheit sowie die akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen, notwendig. Eine 24-stündige Anwesenheit der Behandlungsleitung werde vom Wortlaut hingegen nicht vorausgesetzt. Nach dem klaren Wortlaut des OPS 8-980 ist es unerheblich, ob die behandlungsleitenden Ärzte am Wochenende und/oder feiertags Dienst hatten, denn für die Leitung bedürfe es bereits nach dem Wortlaut des OPS keinesfalls einer täglichen sowie ständigen (24-stündigen) Anwesenheit.
Es genüge ‒ so das SG München ‒, wenn ein leitender Arzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ die Geschicke der Intensivabteilung lenkt. Die Rechtsansicht des Kostenträgers könnte nur vertreten werden, wenn dem Wortlaut des OPS-Codes 8-980 eine Notwendigkeit einer fortwährenden Behandlungsleitung ‒ auch nachts und am Wochenende ‒ zu entnehmen wäre. Das SG führt darüber hinaus aus, dass die Einrichtung einer Rufbereitschaft eine überobligatorische Anstrengung des Krankenhauses darstelle, die für die Kodierung des strittigen OPS nicht erforderlich gewesen wäre.
Die übliche medizinische Leitung in Krankenhäusern verdeutlicht vielmehr, dass eine ständige Präsenz des Chefarztes gerade nicht erforderlich ist, da die Leitung immer auch die Möglichkeit der temporären Delegation von Aufgaben und nicht die ständige Anwesenheit des leitenden Organs beinhaltet.
FAZIT | Das SG München stellt in dieser aktuellen Entscheidung in nicht zu beanstandender Art und Weise auf den Wortlaut der Mindestmerkmale des OPS-Codes 8-980 ab und folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Hieraus folgt, dass für die Organisation der Behandlungsleitung und zur Erbringung des intensivmedizinischen Komplexcodes keinesfalls eine ständige Anwesenheit der Behandlungsleitung notwendig ist. „Behandlungsleitung“ im Sinne der Mindestmerkmale meint nur, dass ein Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ die medizinische Verantwortlichkeit trägt, diese aber temporär delegieren kann.
Dies bedeutet wiederum für die Organisation einer intensivmedizinischen Fachabteilung, dass anhand der strukturellen Abläufe und der Dienstpläne nachweisbar sein muss, dass ein leitender Arzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ die Geschicke der Intensivabteilung lenkt. Die entsprechende Ausgestaltung dieser Leitungsfunktion muss im Einzelfall beurteilt werden und bedarf einer kritischen Überprüfung für jede Fachabteilung, die eine intensivmedizinische Leistung erbringt. Wenn jedoch sichergestellt wird, dass ein Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ die täglichen Visiten durchführt und die Behandlungsleitung an Wochenenden und Feiertagen innerhalb von kurzer Zeit durch Rufbereitschaft erreichbar ist, sollte das Mindestmerkmal erfüllt sein. |