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· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

Täuschung über die Vermietungsabsicht?

von Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg

| Schwarze Schafe gibt es in jeder Berufsgruppe. Eine Steuerhinterziehung durch Finanzbeamte ist gleichwohl delikat. Der folgende Fall zeigt aber, dass es Grenzfälle gibt, in denen es zwar u. U. nicht zu einem Strafverfahren kommt, die deswegen aber nicht minder strafwürdig sind. |

 

Frage des Steuerberaters: Meine Mandanten, zwei miteinander liierte Finanzbeamte, erwarben 2016 gemeinsam ein Grundstück. Das darauf befindliche Haus war mit einem Mietvertrag bis zum Ende 2018 vermietet. Die Erwerber traten in den Mietvertrag ein und erhöhten die Miete. Sie boten dem Mieter an, eine Entschädigung zu zahlen, wenn er unmittelbar ausziehen würde, um eine Selbstnutzung zu ermöglichen. Der Mieter lehnte dies ab. Meine Mandanten machten für 2017 steuerlich in erheblichem Umfang Erhaltungsaufwendungen geltend, da z. B. die Abwasserleitung defekt war. Sie erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung, die auch berücksichtigt wurden. Nach Auszug des Mieters Ende 2018 nutzten die zuvor mit ihrem Kind in beengten Räumlichkeiten lebenden Mandanten die Immobilie selbst. Ist ihr Verhalten strafrechtlich relevant?

 

Antwort des Strafverteidigers: Es ist zwischen der Frage der objektiven Strafbarkeit und der verfahrensrechtlichen Situation zu differenzieren. Damit das Verhalten der Mandanten strafrechtlich relevant sein könnte, müssten sie den Straftatbestand des § 370 AO verwirklicht haben. Dafür ist es erforderlich, dass eine Steuerverkürzung eingetreten ist.

 

Eine steuerlich relevante Vermietungstätigkeit, die zu anzuerkennenden Verlusten aus Vermietung und Verpachtung führen kann, liegt nur vor, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf Dauer durch die Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften. Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht nur in Ausnahmefällen zu verneinen. Ergibt sich aufgrund neuer Umstände eine kürzere Vermietung als ursprünglich vorgesehen, ist dies unschädlich, wenn die Vermietungstätigkeit bei Beginn der Vermietung (noch) keiner Befristung unterlag. Der Erwerber „übernimmt“ jedoch nicht die Einkünfteerzielungsabsicht vom Veräußerer (BFH BStBl. II 13, 533).

 

Vorliegend lässt sich der Entschluss, auf Dauer zu vermieten, aber nicht objektiv feststellen. Es führt zwar noch nicht allein zu einer steuerrechtlich relevanten Befristung der Vermietungsabsicht, wenn der Mietvertrag nur auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Vorliegend kommt jedoch hinzu, dass die Mandanten in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie diese in die Eigennutzung übernahmen, sie zuvor selbst in beengten räumlichen Verhältnissen wohnten und sie ihm ein Entschädigungsangebot machten, um die Eigennutzung zu ermöglichen. Folglich kann man den Sachverhalt überzeugend dahingehend würdigen, dass in Ermangelung einer Überschusserzielungsabsicht die Vermietungstätigkeit nicht steuerlich berücksichtigungsfähig ist.

 

PRAXISTIPP | An diesem Punkt müsste die Verteidigung ansetzen und vortragen, dass eine Überschusserzielungsabsicht gegeben war, was in diesem Fall allerdings kaum überzeugend gelingen wird. Die geltend gemachten Verluste führten folglich zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung und damit zu einer Steuerverkürzung i. S. d. § 370 Abs. 4 S. 1 AO.

 

Neben dem Taterfolg müsste auch eine Tathandlung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO vorliegen. Dagegen ließe sich vorbringen, dass die Mandanten vorliegend die objektiven Tatsachen ‒ Zeitpunkt des Erwerbs, Zustand des Gebäudes, Existenz des befristeten Mietvertrags, Art und Höhe der entstandenen Kosten sowie Eigennutzung ab 2019 ‒ vollständig und zutreffend erklärten. Dieser Einwand greift jedoch zu kurz, da sich die i. S. d. § 370 Abs. 1 AO relevanten Angaben auch auf subjektive Tatsachen beziehen können. Folglich stellt auch die Behauptung einer ‒ tatsächlich nicht vorliegenden ‒ Gewinn- oder Überschusserzielungsabsicht eine strafrechtlich relevante falsche Angabe über Tatsachen dar.

 

Dass die Mandanten diese innere Tatsache nicht ausdrücklich erklärt haben, führt zu keiner abweichenden Beurteilung, da sie durch die Geltendmachung der Kosten auch konkludent die subjektive Voraussetzung für die Berücksichtigung dieser Kosten mit erklärt haben. Dies mag man im Rahmen eines späteren Verteidigungsvorbringens bei einem durchschnittlichen Steuerpflichtigen noch in Zweifel ziehen können, bei Ihren Mandanten ist es jedoch aufgrund ihrer Vorbildung eindeutig.

 

Da die c‒ unzutreffende ‒ konkludente Erklärung Ihrer Mandanten über die subjektive steuerlich erhebliche Tatsache der Überschusserzielungsabsicht auch kausal für die Steuerverkürzung war, dürften sie durch ihren Verstoß gegen ihre steuerliche Wahrheitspflicht den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO verwirklicht haben.

 

Auch der Vorsatz der Mandanten dürfte zu bejahen sein, da sie einerseits um die Befristung des Mietverhältnisses und die weiteren Tatumstände wussten sowie ihnen andererseits ‒ auch aufgrund ihrer Ausbildung ‒ bekannt war, welche steuerlichen Auswirkungen ihr Verhalten haben würde.

 

Ihre Mandanten dürften sich somit nach § 370 Abs. 1 AO strafbar gemacht haben.

 

Im Hinblick auf das Strafverfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass es trotz der Verwirklichung des Tatbestands des § 370 Abs. 1 AO dazu kommen kann, dass kein Strafverfahren eingeleitet wird. Zwar besteht nach dem in § 152 Abs. 2 StPO geregelten Legalitätsprinzip die Berechtigung und Verpflichtung der Strafverfolgungsorgane, bei ausreichenden Anhaltspunkten für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat einzuschreiten. Es besteht jedoch ein gewisser Beurteilungsspielraum, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dies könnte im Hinblick auf die im obigen Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen einer Überschusserzielungsabsicht einen gewissen Spielraum lassenden Tatumstände und die Frage, ob eine Steuerhinterziehung beweisbar sein wird, durchaus von den Strafverfolgungsbehörden verneint werden. In diesem Fall würde eine Verfahrenseinleitung unterbleiben.

Quelle: Seite 23 | ID 46952800