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· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

Insolvenzstrafrechtliche Risikenin Zeiten der Corona-Pandemie

von Dr. Katharina Wild, Rechtsanwältin, FAin StR, FAin StrR, WILD Rechtsanwaltskanzlei, München

| Durch das COVInsAG werden die Risiken für Geschäftsführer und Vorstände eingeschränkt, für im Aussetzungszeitraum erfolgte verbotene Zahlungen oder wegen verspäteter Insolvenzantragstellung haftbar gemacht zu werden. Trotz Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch den Gesetzgeber bis zum 30.9.20 bestehen insolvenzstrafrechtliche Risiken für Mandant und Berater fort. |

 

Der Steuerberater fragt: Im Zuge der Corona-Pandemie haben mich in den vergangenen Wochen zahlreiche Mandanten aufgesucht und um steuerliche und wirtschaftliche Beratung im Zusammenhang mit Kurzarbeit, Insolvenz und der Beantragung von Fördergeldern aus den verschiedenen Hilfsprogrammen von Bund und Ländern gebeten. Welche insbesondere insolvenzstrafrechtlichen Risiken bestehen für den Mandanten? Und für den Berater?

 

Antwort des Strafverteidigers: Der Gesetzgeber hat im März 2020 Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ergriffen. Teil davon ist das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG, BGBl. I 2020, 569), das am 27.3.20 erlassen und rückwirkend zum 1.3.20 in Kraft getreten ist. Das COVInsAG regelt in § 1 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und enthält in § 2 Regelungen, um Haftungsrisiken von Geschäftsführern und Vorständen abzumildern und Haftungsgefahren für Kreditgeber und Gläubiger einzuschränken. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Geschäftsleiter vor den zivil- und strafrechtlichen Folgen der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO bewahrt werden. Denn die von Bund und Ländern zugesagten Hilfsprogramme können angesichts der Vielzahl der Anträge nicht schnell genug bearbeitet werden. Gelder werden verzögert ausgezahlt.

 

1. Insolvenzverschleppung im Insolvenzfall

Nach § 15a Abs. 4 InsO wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, wer einen Insolvenzantrag nicht oder nicht rechtzeitig stellt, obwohl Insolvenzreife eingetreten ist. Diese Insolvenzantragspflicht ist nun nach § 1 COVInsAG bis zum 30.9.20 ausgesetzt. Die Aussetzung gilt nur dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus beruht oder wenn keine Aussicht darauf besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Dabei vermutet der Gesetzgeber, dass die Insolvenzreife auf der Pandemie beruht und Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn der Schuldner zum 31.12.19 nicht zahlungsunfähig war, § 1 S. 3 COVInsAG.

 

Die Antragspflicht wird jedoch nur so lange ausgesetzt, wie Aussichten darauf bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Ein genereller Aufschub bis zum 30.9.20 soll nicht erfolgen. Bleiben Bemühungen, die Liquidität wiederherzustellen, erfolglos, lebt die Insolvenzantragspflicht auf. Auch besteht eine Insolvenzantragspflicht, wenn es aussichtslos ist, die Liquiditätslücke bis zum 30.9.20 zu schließen. Berater und Mandanten sollten sich deshalb nicht vorschnell auf diese Vermutungsregelung zurückziehen und eine mögliche Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit regelmäßig prüfen. Ferner sollte, um einen späteren Strafvorwurf abzuwehren, dokumentiert werden, welche Stundungen gewährt wurden und welche Kredithilfen konkret in Aussicht standen. Keinesfalls sollte darauf vertraut werden, dass über eine Verordnung nach § 4 COVInsAG die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.3.21 verlängert wird.

 

Problematisch ist auch der Fall, in dem die Frist des § 15a InsO zum Zeitpunkt des (rückwirkenden) Inkrafttretens des COVInsAG am 1.3.20 bereits abgelaufen war. Obwohl hier eine Insolvenzverschleppung schon vorlag, hält der Gesetzgeber es für möglich, dass die Insolvenzreife auf Folgen der Corona-Pandemie beruht (BT-Drucksache 19/18110, 22). Das Nichtberuhen der Insolvenzreife auf Folgen der Corona-Pandemie oder das Fehlen von Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungspflicht sei von demjenigen zu beweisen, der sich auf die Verletzung der Insolvenzantragspflicht beruft.

 

2. Strafrechtliche Verantwortung des Beraters

Täter einer Insolvenzverschleppung können die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler der Gesellschaft sein. Unterstützt der Berater die Gesellschaft nur im Innenverhältnis, kommt somit nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe nach § 27 StGB in Betracht. Da wirtschaftliche Beratung zum Beruf des Steuerberaters gehört, überschreitet diese als sog. berufstypische Handlung die Grenzen der Strafbarkeit nur, wenn das Handeln des Täters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen, und der Berater hiervon Kenntnis hat (BGH 19.12.17, 1 StR 56/17, NStZ 18, 328). Auf Risiken sollte der Berater hinweisen und dies dokumentieren. Gegen den Vorwurf der Beihilfe zur Tat des Mandanten sind Verteidigungsansätze gegeben, soweit keine bewusste Förderung der Insolvenzverschleppung des Mandanten feststellbar ist.

 

3. Verbleibende Risiken

Strafrechtliche Risiken infolge von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung bleiben für Geschäftsführer und Vorstände ungeachtet des COVInsAG weiter bestehen. Insbesondere die Tatbestände der Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB), des Bankrotts (§ 283 StGB), des Betrugs (§ 263 StGB) und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) kommen in der Krise eines Unternehmens in Betracht. Ferner bestehen zivilrechtliche Risiken fort, wie z. B. die mögliche Verletzung der Sanierungspflicht (§ 43 Abs. 2 GmbHG) sowie Schadenersatzpflichten nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, § 266a StGB oder § 830 BGB aufgrund der Eingehung neuer Verbindlichkeiten oder der Auszahlung von Geldern aus dem Vermögen des Unternehmens. Auch die steuerliche Haftung des Geschäftsführers nach §§ 34, 69 AO bleibt unberührt.

 

Für den Berater kann auch hier im Einzelfall das Risiko einer Beihilfe gegeben sein, wenn der Mandant sich im Zusammenhang mit der Zahlung von Schulden oder dem Eingehen neuer Verbindlichkeiten während der Krise beraten lässt. Eine zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters kommt in Betracht, wenn er zur Insolvenzverschleppung Hilfe geleistet hat. Dann haftet er nach den deliktsrechtlichen Vorschriften des BGB auf Schadenersatz, § 830 BGB.

Quelle: Seite 167 | ID 46606540