· Fachbeitrag · Betriebskosten
Die individualvertragliche Regelung „Sämtliche Betriebskosten trägt der Mieter“ ist wirksam
von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Für die Wohnraummiete ist geklärt, welche inhaltlichen Anforderungen an eine Betriebskostenvereinbarung zu stellen sind. Die Revision gegen OLG Celle ZMR 19, 263 gibt dem XII. Zivilsenat Gelegenheit, die Anforderungen an eine individualvertraglich wirksame Betriebskostenvereinbarung auch für Gewerberaummietverhältnisse festzulegen. Die Entscheidung ist ein „Muss“ für jeden mit gewerblichen Mietverträgen befassten Berater. |
Sachverhalt
Der Mietvertrag (13.8.90) über ein bebautes Grundstück zum Betrieb eines Supermarkts mit Getränkehandel und Parkplätzen enthält zu den Betriebskosten die individualvertragliche Regelung:
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Sämtliche Betriebskosten werden von dem Mieter getragen. Hierunter fallen insbesondere die Kosten der Be- und Entwässerung sowie der Heizung einschließlich Zählermiete und Wartungskosten. (…) |
Der Kläger rechnete die für das Mietobjekt anfallende Grundsteuer bis 2011 nicht ab. 2016 machte er erstmals und vergeblich eine Grundsteuernachforderung (je 5.116,92 EUR) für 2012 und 2013 geltend.
Das OLG wies die Nachzahlungsklage ab und stellte auf Widerklage der Beklagten fest, dass diese nicht verpflichtet sei, die Grundsteuer zu tragen. Die Revision des Vermieters hatte Erfolg.
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(Abruf-Nr. 215523) |
Entscheidungsgründe
Weitergehende Anforderungen an die Transparenz einer individualvertraglichen Betriebskostenvereinbarung, wie in Leitsatz 1 beschrieben, bestehen nicht. Denn bei einer einzelvertraglichen Regelung bedarf keine Vertragspartei des Schutzes davor, dass ihr mittels vorformulierter Vertragsbedingungen ihrem Umfang nach nicht durchschaubare Pflichten auferlegt werden und auf diese Weise die Entschließungsfreiheit beim Abschluss des Vertrags eingeschränkt wird. Deshalb stellt sich hier ‒ von den Fällen des § 138 BGB abgesehen ‒ nicht die von § 307 BGB aufgeworfene Frage einer entgegen den Geboten von Treu und Glauben erfolgenden unangemessenen Benachteiligung.
Ist ein von den Vertragsparteien verwendeter Rechtsbegriff gesetzlich definiert, kann für die Auslegung regelmäßig hierauf zurückgegriffen werden, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Parteien feststellen lässt. Die gesetzliche Definition ist geeignet, die fachsprachliche Bedeutung eines Begriffs im Zusammenhang mit der Regelung rechtlicher Beziehungen zu umschreiben. Ohne Auswirkung ist insoweit grundsätzlich, ob die die Definition enthaltende Regelung auf den Vertrag anwendbar ist. Für die Auslegung des in Gewerbemietverträgen enthaltenen Begriffs der „Verwaltungskosten“ kann deshalb auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV und § 26 Abs. 1 der II. BV enthaltenen Definitionen zurückgegriffen werden, obwohl diese Bestimmungen für die Gewerberaummiete nicht gelten.
Nicht anders verhält es sich im Ergebnis bei der hier erforderlichen Auslegung des Begriffs der „Betriebskostene“. Wie der BGH (MK 16, 65, Abruf-Nr. 184100) für die Wohnraummiete bereits entschieden hat, ist der in einem Mietvertrag verwendete Begriff der Betriebskosten mit Blick auf die Gesetzeslage ohne Weiteres in diesem Sinne zu verstehen. Obwohl § 556 BGB nicht auf Gewerberaummietverhältnisse anwendbar ist, gilt für diese das Gleiche, sodass auch dort die gesetzliche Definition zur Beantwortung der Frage herangezogen werden kann, welchen Bedeutungsgehalt der in einem Mietvertrag verwendete Begriff „Betriebskosten“ hat.
In Anbetracht dieses Wortsinns fehlt es einer Vereinbarung, wonach sämtliche Betriebskosten zu tragen sind, auch im Gewerbemietrecht an der für eine Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB erforderlichen Bestimmbarkeit. Einer Bezugnahme auf das Gesetz oder der Aufzählung der einzelnen Kostenpositionen (Nachweise Urteilsgründe) bedarf es nicht. Vielmehr erfasst eine solche Regelung dann, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Vertragsparteien feststellen lässt, alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in die gesetzliche Definition ‒ hier nach § 27 II. BV i. V. m. Anlage 3 ‒ einbezogenen Kostenarten, sodass vorliegend die Grundsteuer vom Wortsinn der vertraglichen Regelung erfasst sein kann.
Relevanz für die Praxis
Das Gesetz geht ‒ wie aus dem Zusammenspiel von § 535 Abs. 1 S. 2 mit Abs. 1 S. 3 BGB folgt ‒ davon aus, dass der Vermieter die aus der Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten in die Miete einkalkuliert und diese mit dem vereinbarten Mietentgelt abgegolten werden (BGH MK 12, 153, Abruf-Nr. 121636; so schon Geldmacher in: Vereinbarung und Abrechnung von Nebenkosten im preisfreien Wohnraum, 1988, S. 11). Der Mieter ist also nicht bereits qua Gesetz verpflichtet, Betriebskosten gesondert neben der Miete zu zahlen. Das heißt: Abweichungen hiervon bedürfen der Vereinbarung, zu deren Inhalt § 556 BGB nur für die Wohnraummiete gesetzliche Vorgaben enthält und die auch konkludent getroffen werden können (BGH MK 15, 27, Abruf-Nr. 143134).
Die gesonderte Betriebskostenumlage einzelner oder aller Betriebskosten kann sowohl individualvertraglich als auch formularmäßig vereinbart werden. Die Unterschiede liegen in den jeweils einzuhaltenden Transparenzanforderungen.
Eine formularmäßige Umlagevereinbarung erfordert wegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine ausdrückliche, inhaltlich bestimmte Regelung, damit der Mieter sich zumindest ein grobes Bild davon machen kann, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können (MK 15, 8, Abruf-Nr. 143134; MK 05, 181, Abruf-Nr. 052445). Demgegenüber lässt der BGH für eine individuelle Betriebskostenvereinbarung ‒ nur um diese geht es hier ‒ ausreichen, dass sie bestimmt oder bestimmbar ist. Ihrer Wirksamkeit steht deshalb ‒ anders als es das OLG Celle angenommen hat ‒ nicht entgegen, dass sie dem Mieter keine grobe Einschätzung der auf ihn zukommenden finanziellen Belastung ermöglicht.

Ob eine Betriebskostenart durch Individualvereinbarung oder Allgemeine Geschäftsbedingung auf den Mieter umgelegt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Im ersten Fall ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (hierzu BGH GuT 12, 268) gemäß §§ 133, 157 BGB der wirkliche Wille zu erforschen. Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dagegen eine objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung geboten (BGH MK 16, 83, Abruf-Nr. 184507; NJW 05, 1183).
Hier haben die Parteien individualvertraglich vereinbart, dass der Mieter „sämtliche Betriebskosten“ zu tragen hat. Die Betriebskostenarten sind zwar nicht im Einzelnen aufgeführt, aber durch Auslegung des Begriffs „Betriebskosten“ bestimmbar. Damit sind die umlagefähigen Betriebskosten transparent beschrieben. Der XII. Zivilsenat übernimmt für das gewerbliche Mietrecht die Argumentation des VIII. Zivilsenats (MK 16, 65), dass der Begriff der Betriebskosten seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung und später durch Gesetz definiert ist. Bereits in der am 1.11.57 in Kraft getretenen II. BV (BGBl. I S. 1719) fand sich in § 27 die Definition, dass es sich dabei um die Kosten handelt, die „dem Eigentümer (…) durch das Eigentum am Grundstück (…) oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit laufend entstehen“.
Seit dem 1.1.07 ist die im Wesentlichen unveränderte Definition in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB aufgenommen. Zudem verweist § 556 Abs. 1 S. 3 BGB auf die Aufstellung der BetrKV vom 25.11.03 (BGBl. I S. 2346), die den bis 31.12.03 geltenden ‒ und seinerseits die Auflistung in § 27 Abs. 1 S. 2 II. BV ablösenden ‒ Betriebskostenkatalog in der Anlage 3 zu § 27 II. BV enthält. In beiden Regelungswerken ‒ bei Vertragsschluss galt die II. BV ‒ sind die laufenden öffentlichen Lasten und namentlich die Grundsteuer als Betriebskostenart aufgeführt. Hieraus ergeben sich auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die II. BV bzw. die BetrKV die in den Leitsätzen 2 bis 4 aufgeführten Folgerungen für die Auslegung einer individualvertraglichen Betriebskostenvereinbarung.
Beachten Sie | Für eine formularmäßige Betriebskostenvereinbarung empfiehlt sich weiterhin eine Bezugnahme auf § 2 BetrKV. Den Parteien bleibt es unbenommen, daneben auch Kostenpositionen auf den Mieter umzulegen, die im Katalog des § 2 BetrKV nicht aufgeführt sind. Sonstige Kosten werden vom Begriff der Betriebskosten regelmäßig nicht erfasst; diese müssen zwingend im Vertrag aufgelistet werden.
Zu den umlegbaren Kosten zählen nach der gewählten Formulierung „insbesondere die Kosten der Be- und Entwässerung sowie der Heizung einschließlich Zählermiete und Wartungskosten“. Das OLG hat ‒ einer verbreiteten Meinung folgend ‒ aus der Aufzählung gefolgert, dass nur die ausdrücklich genannten Kostenarten abrechnungsfähig sind, nicht aber die nicht genannten Grundsteuern. Zu Unrecht, wie der BGH feststellt. Da in Satz 1 von „sämtlichen“ Betriebskosten die Rede und der Nennung im Folgesatz ein „insbesondere“ vorangestellt ist, wird deutlich, dass es bei diesen Positionen nicht sein Bewenden hat, sondern die Aufzählung nur beispielhaft ist.
Beachten Sie | Ob das dem Vertragsschluss folgende Verhalten der Parteien ‒ hier die jahrzehntelange Nichtumlage der Grundsteuer ‒ dafür spricht, die Parteien seien nach ihrem tatsächlichen Willen und ihrem tatsächlichen Verständnis bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass die Grundsteuer nicht zu den umlagefähigen Betriebskosten zähle, wird das OLG zu klären haben.
Im Übrigen hält der BGH daran fest, dass aus der bloßen jahrelangen Nichtabrechnung einer ursprünglich als umlagefähig vereinbarten Kostenposition nur bei Hinzutreten besonderer Umstände die konkludente Abänderung der Umlagevereinbarung abgeleitet werden kann.
Weiterführender Hinweis
- Bei Wohnraummiete genügt die formularmäßige Regelung: Der Mieter trägt „die Betriebskosten“, MK 16, 65