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· Fachbeitrag · Besteuerungsverfahren

Checklisten: Finanzgerichtsverfahren ‒ was ist vom Berater zu beachten?

von RA Alexandra Mack, FA StR und RA Anja Schüller, FA StR, Streck Mack Schwedhelm, Köln Berlin München

| Finanzgerichtsverfahren sind für Berater fachlich „erfreuliche“ Verfahren: Es gibt relativ wenig Fristendruck, Finanzrichter sind ausgewiesene Steuerspezialisten, und auf der Gegenseite stehen Vertreter der Finanzverwaltung, steuerlich ausgebildet und nicht persönlich involviert. Das fördert eine sachliche Streitführung. Die meisten mündlichen Verhandlungen verdienen tatsächlich ihren Namen, es wird verhandelt. Die folgenden Checklisten orientieren sich am Ablauf des finanzgerichtlichen Klageverfahrens. Sie sollen dem Berater einen Leitfaden an die Hand geben, um Verfahrensabläufe und taktische Möglichkeiten optimal für seinen Mandanten zu nutzen und Klippen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. |

 

Checkliste I / Klagen oder nicht klagen?

  • 1. Klagegründe

Meist wird geklagt, weil der Kläger und sein Berater einen Steuerbescheid für falsch halten und die Steuern nach ihrer Ansicht zu hoch festgesetzt wurden. Wichtig ist, wie der Berater die Erfolgsaussichten einschätzt. Einen Steuerstreit ohne jede Aussicht auf zumindest einen Teilerfolg gibt es de facto nicht.

 

Das Klagerisiko ist begrenzt: Im FG-Verfahren gilt ‒ anders als im Einspruchsverfahren (§ 367 Abs. 2 AO) ‒ das Verböserungsverbot (BFH 10.3.16, X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042). Allenfalls kann das FG bis zum Betrag der angefochtenen Steuerfestsetzung kompensieren, wenn ‒ zugunsten des Klägers ‒ unerkannte Fehler erkannt werden (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO, Rn. 35 f. (Oktober 2014)).

 

Nach der offiziellen Statistik des Statistischen Bundesamtes für die Finanzgerichtsbarkeit (www.destatis.de, Publikationen, Fachserie 10, Reihe 2.5 ‒ 2017) hatten im Jahr 2017 bundesweit über 20 % der Klagen Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg. Hinzu kommen Klageverfahren, die ohne förmliche Gerichtsentscheidung abgeschlossen wurden, z.B. Erledigungen nach Abhilfen oder Teilabhilfen durch die Finanzbehörden.

 

Klageverfahren werden immer wieder auch aus rein wirtschaftlicher Notwendigkeit geführt. Der Kläger kann nicht zahlen und braucht Zeit. Voraussetzung ist, dass das FA für die Zeit des Klageverfahrens Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt ‒ sei es von sich aus, auf Antrag oder über das gerichtliche Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO. Dies zu klären, gehört dann zu den Berateraufgaben im Vorfeld.

  • 2. Zinsaspekte

Unabhängig vom aktuellen Niedrigzinsniveau belaufen sich Zinsen nach der AO auf einheitlich 6 % p.a. (zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Zinshöhe seit 2015 ‒ BFH 25.4.18, IX B 21/18, PStR 18, 188; Mack/Gomes, DB 18, 2014 ff.). Steuern zu zahlen bedeutet daher im Zweifel eine gute Kapitalanlage: 6 % Prozesszinsen (§ 236 AO), falls der Streit gewonnen wird. AdV ist dagegen ‒ falls der Streit nicht gewonnen wird ‒ mit 6 % Aussetzungszinsen (§ 237 AO) ein teurer Kredit.

  • 3. Das gerichtliche Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO

AdV ist zunächst stets beim FA zu beantragen. Erst wenn dort die AdV abgelehnt ist, kann das FG ‒ bzw. der BFH, wenn das Hauptsacheverfahren dort schon anhängig ist ‒ angerufen werden (§ 69 Abs. 3 FGO).

 

Aussetzungsverfahren sind konzipiert als Eilverfahren (schriftliches Verfahren, keine mündliche Verhandlung, nur präsente Beweismittel). Nach gerichtsinternen Vorgaben soll innerhalb von drei Monaten entschieden werden. In der Praxis ist dies allerdings nicht die Regel. Gerichtliche Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO werden häufig auch als kostengünstigere „Versuchsballons“ genutzt. Der Streitwert beläuft sich grundsätzlich nur auf 10 % der streitigen Steuer, und es entscheidet regelmäßig der gleiche Senat, der auch im Hauptsacheverfahren zuständig wäre.

  • 4. Gerichtskosten

Mit Einreichung der Klage werden regelmäßig Gerichtskosten von 284 EUR fällig (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG, § 63 Abs. 1 S. 3 GKG i.V. mit § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG): Sie werden ‒ allerdings nur vorläufig ‒ nach dem Mindeststreitwert von 1.500 EUR festgesetzt.

 

Ausnahme: Aus der Klageschrift ist bereits ein konkreter höherer Streitwert ersichtlich. Die endgültige Festsetzung der Gerichtskosten erfolgt erst nach bestandskräftigem Abschluss des Klageverfahrens.

 

Checkliste II / Prozessuale Grundsätze und Eckdaten des Steuerprozesses

  • 1. Verfahrensordnung FGO

Maßgeblich sind die Regeln der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zuständig sind in erster Instanz die FG. Eine Berufungsinstanz gibt es nicht. In Ausnahmefällen kann der BFH in München angerufen werden. Regelmäßig ist damit das FG-Verfahren die erste und auch die letzte Station des gerichtlichen Steuerstreits.

  • 2. Amtsermittlungsgrundsatz

Nach dem Gesetz gilt im Steuerprozess (anders als im Zivilprozess) der Amtsermittlungsgrundsatz: „Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen“ (§ 76 Abs. 1 FGO).

 

Die Prozesswirklichkeit sieht anders aus: Angesichts einer von der Rechtsprechung entwickelten Vielzahl von Mitwirkungspflichten des Klägers (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 76 FGO, Rn. 57 ff. (Februar 2018)) kann sich kein Kläger und kein Berater auf eigenständige oder bei Unterlassen sanktionierte Amtsermittlung durch das FG verlassen. Steuerstreite müssen insbesondere in puncto Sachverhaltsdarstellung, Beweisantritt etc. geführt werden wie Zivilverfahren, also als ob es keine Amtsaufklärungspflicht der FG gäbe.

  • 3. Verfahrensdauer

FG-Verfahren dauern lange. Im Bundesdurchschnitt zwischen 14 und 20 Monaten (die offizielle Finanzgerichtsstatistik 2017 des Statistischen Bundesamts, www.destatis.de, Publikationen, Fachserie 10, Reihe 2.5 ‒ 2017), in komplizierten Fällen auch wesentlich länger.

  • 4. Kein Vertretungszwang

Bei den FG besteht ‒ anders als beim BFH (§ 62 Abs. 4 FGO) ‒ kein Vertretungszwang. Den Kreis der zur Vertretung Berechtigten definiert § 62 Abs. 2 FGO („Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen.“).

 

Insbesondere bei Rechtsanwälten ist das FG zu einer Anforderung einer schriftlichen Vollmacht nur berechtigt und verpflichtet, wenn Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 62 FGO, Rn. 53 f. (Juli 2016)). Dann kann auch eine Frist für die Vorlage der Vollmacht gesetzt werden (§ 62 Abs. 6 S. 2 FGO), allerdings keine Ausschlussfrist.

  • 5. Gerichtsbesetzung

Bei den FG sind Senate gebildet (3 Richter und 2 ehrenamtliche Richter, § 5 Abs. 3 FGO). Zuständig für die Entscheidung in der mündlichen Verhandlung ist grundsätzlich der ganze Senat. Unabhängig davon kann der Vorsitzende einen Berichterstatter bestimmen. Der Berichterstatter ist Richter des Senats, der den Prozess vorbereitet. Entscheidungsgremium bleibt aber der Senat.

 

Unter den Voraussetzungen des § 6 FGO kann der Rechtsstreit einem Einzelrichter übertragen werden. Geschieht dies, tritt der Einzelrichter an die Stelle des Senats. Häufig erfolgt vor einer derartigen Übertragung eine Anfrage bei den Parteien.

  • 6. Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung

Grundsätzlich entscheidet das FG aufgrund mündlicher Verhandlung90 Abs. 1 FGO). Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht allerdings auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO). Vor diesem Hintergrund werden die Beteiligten im Laufe des Verfahrens häufig dazu befragt, ob sie auf mündliche Verhandlung verzichten. Aus der Sicht des Klägers empfiehlt sich ein derartiger Verzicht so gut wie nie: Im Steuerverfahren sind die Stufen des Rechtsschutzes beschränkt. Hinzu tritt, dass die mündliche Verhandlung im Regelfall eine echte Möglichkeit bietet, den Streit zu erörtern. Diese Möglichkeit nimmt sich, wer auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Ist einmal der Verzicht ausgesprochen, lässt er sich nur selten rückgängig machen.

 

Will das FG trotz fehlenden Verzichts auf die mündliche Verhandlung durch die Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden, kann es ausweichen auf die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 90a FGO. Besonderheit ist hier: Wollen die Parteien die Entscheidung nicht akzeptieren, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung beantragt werden. Geschieht dies, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen; die mündliche Verhandlung findet statt. Anderenfalls gilt der Gerichtsbescheid als Urteil (§ 90a Abs. 3 FGO). Wird eine mündliche Verhandlung beantragt, empfiehlt es sich, sich vorab schriftsatzmäßig mit der Begründung des Gerichtsbescheids kritisch auseinanderzusetzen.

 

Checkliste III / Klageerhebung

  • 1. Klagefrist

Die Klagefrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 FGO). Fehlt in der Einspruchsentscheidung die Rechtsbehelfsbelehrung oder ist sie falsch, verlängert sich die Frist auf ein Jahr (§ 55 Abs. 2 FGO).

 

Bei unverschuldetem Fristversäumnis kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 56 FGO). Der Antrag muss innerhalb von 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt und begründet werden (§ 56 Abs. 2 S. 1 HS. 1 FGO). Dies ist eine ausgesprochene Fristenfalle: Im Einspruchsverfahren beträgt die Wiedereinsetzungsfrist einen Monat (§ 110 Abs. 2 AO). Eine günstigere Sonderregelung ‒ Frist 1 Monat ‒ gilt nur für den Wiedereinsetzungsantrag bei versäumter Frist für die Begründung der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde (56 Abs. 2 S. 1 HS. 2 FGO).

  • 2. Zulässigkeitsvoraus-setzungen

Zu den wichtigsten Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört ein abgeschlossenes Einspruchsverfahren (§ 44 FGO).

 

Ausnahmefall ist die Sprungklage (§ 45 FGO). Im Zweifelsfall ist hier im Sinne des Klägers aber Zurückhaltung geboten, wenn die Finanzverwaltung Fälle in die Sprungklage „wegloben“ will. Immerhin erspart man sich so die Einspruchsentscheidung. Argument: Die Entscheidung sei vorgegeben, dem Einspruch werde und könne in keinem Fall stattgegeben werden. Dies mag de facto zutreffen oder nicht. Angesichts der im Steuerverfahren sehr eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten (Einspruchsverfahren und sodann regelmäßig nur eine einzige Gerichtsinstanz) muss gut überlegt werden, ob tatsächlich auf eine ganze Entscheidungsebene (Entscheidung des FA über den Einspruch) verzichtet werden soll.

Der Kläger muss klagebefugt und beschwert sein. Regelmäßig ist, wer eine Einspruchsentscheidung erhält, in der Eigenschaft, in der sie ihm zugestellt wird, auch beschwert (grundsätzlich zur Beschwer ‒ Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO, Rn. 32 ff. (Oktober 2014)). Soweit Personengesellschaften selbst Steuerschuldner sind (z.B. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer), sind sie auch unmittelbar klagebefugt. Für Feststellungsbescheide gelten Sonderregeln (§ 48 FGO; instruktiv auch die Übersicht über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage im Allgemeinen Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl., 2015, vor § 33).

  • 3. Form der Klage

Die Klage ist beim FG schriftlich zu erheben (oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, § 64 Abs. 1 FGO). Von einem „Anbringen“ der Klageschrift an anderer Stelle gemäß § 47 Abs. 2 FGO ist abzuraten. Fax ist zulässig und ausreichend. Eine „normale“ E-Mail genügt nicht (dazu im Einzelnen § 52a FGO und Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52a FGO, Rn. 1 ff. (April 2018)). Die Umstellung auf die elektronische Kommunikation ist im Gange (zur Nutzbarkeit des „besonderen elektronischen Anwaltspostfachs“ (beA) siehe auch die Websites der FG). Aktuell anzuraten ist aber sicherlich noch die bisherige Kommunikation über Post- bzw. Faxversendung.

  • 4. Inhalt

Der notwendige Inhalt einer Klage ist überschaubar (§ 65 FGO): Genannt sein müssen Kläger und Beklagter, der angefochtene Bescheid und die Einspruchsbegründung. Beigefügt sein soll eine Abschrift des angefochten Bescheids und der Einspruchsentscheidung. Außerdem soll das „Klagebegehren“ bezeichnet werden. Ist in der Klage das Klagebegehren nicht genannt und wird daraufhin Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 FGO gesetzt, gilt: Wird die Frist nicht gewahrt, ist die Klage unzulässig. Eine Heilung ist nicht möglich.

 

Was genau unter „Klagebegehren“ zu verstehen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 65 FGO, Rn. 11 ff. (Juli 2016)). Erforderlich ist, dass erkennbar ist, wogegen sich der Kläger wendet, was er erreichen möchte. Hier sind keine zu großen oder zu formalen Anforderungen zu stellen. Beispiel: „Mit der Klage wird unter anderem der Ansatz weiterer Werbungskosten von XX EUR bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit geltend gemacht.“ In den meisten Fällen greift das Gericht die Frage des Klagebegehrens nicht auf, sobald überhaupt etwas dazu in der Klageschrift geschrieben steht. Die Aufnahme der Formulierung „unter anderem“ empfiehlt sich, damit später auch andere Punkte noch geltend gemacht werden können.

 

Geht es um die Anfechtung von Feststellungsbescheiden (§§ 179, 180 AO), ist besondere Sorgfalt erforderlich. Nach der Rechtsprechung enthalten Feststellungsbescheide mehrere selbstständige Festsetzungen. Sollen sämtliche Festsetzungen angegriffen werden, muss dies in der Klage aus Gründen der Vorsicht ausdrücklich festgehalten werden (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 65 FGO, Rn. 13 (Juli 2016) und § 180 AO, Rn. 11 (April 2017)).

 

Nicht erforderlich ist, dass in der Klageschrift bereits ein konkreter Klageantrag gestellt oder die Klage im Einzelnen begründet wird. Die FGO schreibt hier keine festen Fristen vor. In der Klageschrift kann sogleich um eine bestimmte Begründungsfrist gebeten werden (regelmäßig nicht unter einem Monat). Oder man wartet die Eingangsbestätigung des Gerichts ab, in der normalerweise zunächst eine 1-monatige Begründungsfrist genannt ist, und beantragt sodann ‒ falls erforderlich ‒ Verlängerung.

  • 5. AdV im Auge behalten

Gewährt das FA im Einspruchsverfahren AdV, geschieht dies regelmäßig nur zeitlich begrenzt bis zum Ergehen oder bis ein Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung.Nur in Ausnahmefällen wird bis zum bestandskräftigen Abschluss des Einspruchsverfahrens, also auch für ein eventuelles Klageverfahren, AdV gewährt. Erstrebt der Steuerpflichtige eine Verlängerung der AdV (Hinweis auf die ungünstigen Zinsfolgen), darf nicht vergessen werden, parallel zur Einlegung der Klage beim FA die Verlängerung/Neugewährung der AdV für die Dauer des Steuerprozesses zu beantragen. Geschieht dies erst verspätet, kann das FA für die aussetzungslose Zeit Säumniszuschläge (12 % p.a., § 240 AO) fordern.

 

Checkliste IV / Verfahrensablauf nach der Klageeinlegung

  • 1. Reaktion des FG auf die Klageeinlegung

Zügig nach Einreichung der Klage bestätigt das FG den Eingang der Klage und teilt das Aktenzeichen des Verfahrens mit. Die beiden ersten (römischen) Zahlen des Aktenzeichens benennen den zuständigen Senat.

 

Möglicherweise wird der Berater formularmäßig gefragt, ob man damit einverstanden sei, den Rechtsstreit auf den Einzelrichter zu übertragen. Die Entscheidung über diese Frage liegt alleine beim Vorsitzenden und ist nicht abhängig vom Wunsch oder Nicht-Wunsch der Prozessparteien. Trotzdem empfiehlt es sich, auf die Anfrage zu antworten. Im Zweifel liegt es eher im Interesse des Klägers, den ganzen Senat entscheiden zu lassen. Die Chance der Objektivität und Richtigkeit ist größer, ebenso die Akzeptanz des Klägers, speziell bei einer späteren abweisenden Entscheidung in der Hauptsache. Dem Gericht kann in diesem Fall mitgeteilt werden, man halte die Voraussetzungen für eine Übertragung gemäß § 6 FGO für nicht erfüllt. Es geschieht auch, dass der Vorsitzende bei Eingang der Klageschrift sogleich einen Berichterstatter bestimmt und dies den Parteien im Bestätigungsschreiben mitgeteilt wird.

 

Regelmäßig enthält das Bestätigungsschreiben des FG eine Frist ‒ meist einen Monat ‒ für die Klagebegründung. Es handelt sich um eine einfache, grundsätzlich verlängerbare Frist. Eine Ausschlussfrist nach § 79b FGO für die Vorlage der allgemeinen Klagebegründung wäre rechtswidrig, da diese nur für spezielle Anfragen gemäß § 79b Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zulässig ist.

 

Vereinzelt wird der Klägervertreter schon in diesem Stadium gefragt, ob man auf mündliche Verhandlung verzichte. Ein Verzicht empfiehlt sich grundsätzlich nicht.

  • 2. Vorbereitung der Klagebegründung durch den Berater

Wie arbeitsaufwendig die Vorbereitung der Klagebegründung ist, hängt vom Einzelfall ab. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Darstellung und gegebenenfalls die Aufklärung des Sachverhalts durch den Berater.

 

Im FG-Verfahren hat der Kläger das Recht auf Akteneinsicht (§ 78 FGO). Durch den Blick insbesondere in die Akten der Behörde (§ 71 Abs. 2 FGO) können sich wertvolle Kenntnisse insbesondere von internen Behördenabläufen und Überlegungen ergeben. Soll auch die Handakte des Betriebsprüfers eingesehen werden, empfiehlt es sich, beim Antrag auf Akteneinsicht ausdrücklich auch die Beiziehung dieser Akte zu beantragen (BFH 25.7.94, X B 333/93, BStBl II 94, 802).

 

Die Rechtsprechung lehnt bisher die Übersendung der Akten an den Kläger und auch an dessen Berater konsequent ab (z.B. BFH 14.1.15, V B 146/14, BFH/NV 15, 517; übersichtliche Darstellung bei Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 78 FGO, Rn. 9 ff. (Juli 2017)). Die Akten müssen stattdessen beim zuständigen FG ‒ oder gegebenenfalls auch beim nächstgelegenen FG ‒ eingesehen werden. Dort können Kopien oder Scans der Akten oder von Aktenteilen gefertigt werden. Die Situation ist unerfreulich. Zumal in anderen Verfahrensarten, z.B. im Strafverfahren, Akten problemlos an Berater zur Akteneinsicht versandt werden.

 

MERKE | Im Bereich der finanzgerichtlichen Akteneinsicht ist durch den Übergang zur elektronischen Kommunikation und zur elektronischen Aktenführung mit Änderungen zu rechnen. § 52b FGO regelt die elektronische Aktenführung bei Gericht, die ab 1.1.26 verpflichtend wird. Bislang arbeiten lediglich einige Pilotsenate einzelner FG ausschließlich mit der elektronischen Gerichtsakte. Bundeseinheitliche Strukturen der elektronischen Prozessakte gibt es bislang noch nicht.

 

Die elektronische Kommunikation auf Ebene der Finanzverwaltung regelt § 87a AO. Gemäß § 71 Abs. 2 FGO hat im Rahmen des Finanzgerichtsprozesses das beteiligte FA „die den Streitfall betreffenden Akten“ nach Empfang der Klageschrift an das Gericht zu übermitteln. Eine besondere Problematik besteht (dazu Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 71 AO, Rn. 4 (Februar 2018)), soweit die behördliche Akte nur elektronisch geführt wird. Nach bisheriger Praxis wird dem FG dann ein Papierausdruck der elektronischen Akte bzw. der elektronischen Aktenbestandteile vorgelegt. Ob und wann es einen Online-Lesezugriff geben wird, der dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Berater für Zwecke der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt wird, ist derzeit noch nicht abzusehen.

  • 3. Die gute Klagebegründung

Zu den Angelpunkten in Klageverfahren gehören nicht selten Sachverhaltsfragen, sodass die Angabe von Beweismitteln (Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen) von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Hier ist die gleiche Sorgfalt erforderlich wie im Zivilprozess (vorstehend zur De-facto-Nichtgeltung des Amtsermittlungsgrundsatzes). Alle notwendigen Ermittlungen des Gerichts müssen sich aus dem Vorbringen des Klägers ergeben (im Einzelnen zu Beweismitteln, Beweisanträgen und dem Beweisaufnahmeverfahren ‒ Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 FGO, Rn. 12 ff. (Juli 2015)). Kommt das FG bis zum Ende der mündlichen Verhandlung nicht allen gestellten Beweisanträgen nach, darf dies nicht klaglos akzeptiert werden.

 

Beweisanträge darf auch das FG grundsätzlich nur ablehnen nach den bekannten, auch im Zivilprozess geltenden Rechtsgedanken, diese ergänzt durch die Grundsätze des § 244 StPO (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 FGO, Rn. 45 ff. (Juli 2015)).

 

Zur Beweislastverteilung im Steuerprozess: Das FA trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für steuerbegründende und steuererhöhende Tatsachen (z.B. steuerpflichtige Einnahmen, Vorliegen eines Gewerbebetriebs). Der Kläger ist darlegungs- und feststellungsbelastet für steuerbefreiende und/oder steuermindernde Tatsachen (z.B. Betriebsausgaben, Sonderausgaben, Steuerbefreiungstatbestände).

 

Gehört Steuerhinterziehung zum Tatbestand einer Steuernorm, ist nachweispflichtig stets die Finanzverwaltung, die sich darauf beruft (z.B. Rückgriff auf steuerlich normalverjährte Zeiträume, die nur noch im Fall der Steuerhinterziehung zu erreichen sind (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO; § 71 AO (Hinterzieherhaftung); § 235 AO (Hinterziehungszinsen); § 173 Abs. 2 AO (Bescheidänderungen nach erfolgter Betriebsprüfung)).

 

Die Klagebegründung formuliert sodann auch einen Klageantrag und präzisiert damit das Klagebegehren. Eine Bezifferung ist nicht erforderlich und sollte abgelehnt werden, selbst wenn ein Gericht dies ausnahmsweise fordern sollte. Ausreichend ist eine Formulierung, die das Klageziel erkennen lässt. Beispiel: „Es wird beantragt, den Einkommensteuerbescheid (VZ, Datum des Bescheids) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend abzuändern, dass weitere Betriebsausgaben i.H. von XX EUR bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Tätigkeit berücksichtigt werden.“ Wird stattdessen ‒ spätestens in der mündlichen Verhandlung ‒ ein bezifferter Klageantrag gestellt, läuft der Kläger Gefahr, dass durch einen (Rechen-)Fehler zu viel oder zu wenig beantragt wird und das FG formal diesen Antrag zugrunde legt mit den entsprechenden negativen Folgen für den Kläger.

 

In der Klagebegründung sollte auch eine kurze Äußerung enthalten sein, ob auf die mündliche Verhandlung verzichtet wird. Grundsätzlich sollte nie auf die mündliche Verhandlung verzichtet werden, das sollte dem Gericht in der Klagebegründung auch ausdrücklich mitgeteilt werden („Auf mündliche Verhandlung wird nicht verzichtet.“).

  • 4. Klageerwiderung des FA

Auf die Klagebegründung folgt die Klageerwiderung des FA. Behördenintern zuständig sind hier die sogenannten Rechtsbehelfsstellen, die auch bereits die Einspruchsentscheidungen geschrieben haben. In vielen Fällen beschränkt man sich darauf, auf die Einspruchsentscheidung zu verweisen. Soweit erforderlich, kann sich weiterer Schriftsatzaustausch zwischen den Parteien anschließen.

 

Hält das FG konkrete Punkte für aufklärungsbedürftig, kann es den Kläger und/oder das beklagte FA zu weiteren Angaben auffordern. Nur, wenn der Kläger aufgefordert wird,

  • Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen oder
  • Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen oder elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist,

 

kann dem Aufgeforderten eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 und 3 FGO gesetzt werden. Allzu häufig geschehen derartige Fristsetzungen nicht. Erfolgen sie dennoch, sind sie gefährlich: Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist vorgetragen werden, können vom Gericht zurückgewiesen werden. Allerdings handelt es sich hier ‒ anders als bei einer Ausschlussfristsetzung des FA im Einspruchsverfahren nach § 364b AO ‒ um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Im Zweifelsfall sollten deshalb auch noch nach Ablauf der Frist Sachverhalte präsentiert werden, soweit sie der Klägerposition förderlich sein können. Die FG legen es in der Praxis nicht auf Zurückweisungen an. In der Regel erkennen sie Entschuldigungen der Klägerseite an, bzw. sie gehen mehr oder weniger stillschweigend davon aus, dass der verspätete Vortrag nicht zu einer Gesamtverzögerung des Rechtsstreits führt (Voraussetzungen gemäß § 79b Abs. 3 FGO).

 

Checkliste V / Die Wartezeit

  • 1. Der Schriftwechsel ist abgeschlossen

Haben Kläger und Beklagter ihre Schriftsätze ‒ gegebenenfalls mehrfach ‒ ausgetauscht, schließt sich normalerweise eine längere Zeit des Wartens an. In dieser Zeit hört man nichts vom FG. Dies ist nicht ungewöhnlich. Mandanten werden manchmal unruhig. Ob dies die Ruhe vor dem Sturm zu ihren Lasten sei? Sie ist es nicht, diese Wartezeit ist normal.

  • 2. Aktivwerden des Klägers?

Kontaktaufnahmen mit dem Gericht ‒ zweckmäßigerweise mit dem Berichterstatter ‒ durch den Klägervertreter sind jederzeit möglich, sei es durch schriftliche Anfragen nach dem Prozessstand, sei es telefonisch. Das Gericht zu drängen, macht im Normalfall wenig Sinn.

 

Ein Sonderfall ergibt sich, wenn zeitgleich zum Steuerprozess ein Steuerstrafverfahren anhängig ist. Wird im Strafverfahren nicht der Ausgang des Steuerprozesses abgewartet bzw. wird das Strafverfahren nicht nach § 396 AO ausgesetzt, empfiehlt es sich, den Kontakt mit dem FG zu suchen und den zuständigen Vorsitzenden bzw. Berichterstatter über die Abläufe zu informieren. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass das FG seine Entscheidung im Steuerprozess vorzieht ‒ selbst BFH-Senate finden sich hierzu bereit ‒, damit nicht im Strafverfahren vollendete Verhältnisse geschaffen werden.

 

Sinn kann es auch machen, nach längerem „Liegen“ des Verfahrens beim Gericht einen Erörterungstermin anzuregen. Die Geneigtheit von Richtern, Verfahren zu erörtern, ist sehr unterschiedlich. Schaden kann eine solche Erörterung und die entsprechende Bereitschaft des Klägers dazu aber sicher nie. Für manchen Kläger ist die Zeit des Wartens auch positiv: Ist die streitige Steuernachforderung bezahlt, bedeutet jeder zusätzliche Tag des Streits eine gute Verzinsung, falls das Verfahren gewonnen wird.

  • 3. Änderungsbescheid

Erlässt das FA während des Klageverfahrens einen Änderungsbescheid, wird dieser automatisch Gegenstand des Verfahrens (§ 68 FGO). Es läuft hier also zunächst keine Frist, und es bedarf keiner aktuellen Verfahrenshandlung durch den Kläger.

Das weitere Verfahren hängt vom Inhalt des Änderungsbescheids ab: Hat das FA mit dem Änderungsbescheid dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben, ist das Rechtsschutzbegehren für das Klageverfahren entfallen, der Rechtsstreit kann/muss also für in der Hauptsache erledigt erklärt werden. Dieser Fall ist allerdings selten. Häufiger ist eine Teilstattgabe. In diesem Fall ist der Klageantrag zu überprüfen und entsprechend einzuschränken.

 

Der häufigste Fall ist allerdings, dass der Änderungsbescheid aus Gründen ergeht, die mit dem Klageverfahren nichts zu tun haben, z.B. es werden Konsequenzen aus einem zwischenzeitlich ergangenen Grundlagenbescheid gezogen, ohne Bezug zum Klageverfahren. Trotzdem ist auch hier zu klären, ob die Änderungen zu akzeptieren sind oder nicht. Anderenfalls muss der Klageantrag entsprechend erweitert werden.

 

Aus Gründen äußerster Vorsicht können Änderungsbescheide auch zusätzlich mit einem Einspruch angefochten werden. In umfangreichen Verfahren empfiehlt sich dies durchaus, zumal die Finanzverwaltung selbst Änderungsbescheiden so gut wie immer die ganz normale Rechtsbehelfsbelehrung anfügt. Nur im Ausnahmefall findet sich der ausdrückliche Hinweis, der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens. Außerdem: Für den Fall der (hypothetischen Möglichkeit der) Unzulässigkeit der anhängigen Klage wird der Änderungsbescheid nie Gegenstand des Verfahrens; ein Einspruch ist deshalb, auch wenn er möglicherweise überflüssig und unzulässig ist, kein Schaden für den Kläger.

  • 4. Tod oder Insolvenz des Klägers

Stirbt der Kläger, wird das Klageverfahren unterbrochen (§ 155 FGO, § 239 Abs. 1 ZPO). Fortgesetzt wird es erst bei Aufnahme durch den Erben. War der verstorbene Kläger vertreten, tritt die Unterbrechung nicht ein. Erst auf Antrag des Prozessbevollmächtigten oder des FA wird das Verfahren ausgesetzt (§ 155 FGO, § 246 Abs. 1 ZPO). Gleiches gilt bei der Insolvenzeröffnung: Das Klageverfahren wird durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen (§ 155 FGO, § 240 ZPO), bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird.

  • 5. Erörterungstermin

Die Beteiligten können zur Erörterung des Sach- und Streitstands geladen werden (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FGO). Einen solchen Erörterungstermin können auch die Beteiligten anregen werden. Einen Anspruch auf einen Erörterungstermin haben die Parteien nicht. Zwingende Formalitäten und Inhalte schreibt das Gesetz für den Erörterungstermin nicht vor. Klassischerweise werden Sachverhaltsfragen erörtert. Der Termin kann auch Anlass sein, auf Anregung des Richters ‒ klassischerweise des Berichterstatters ‒ über eine einvernehmliche Beendigung des Streits zu sprechen.

 

Ein Erörterungstermin kann insbesondere in Schätzungsfällen nach einer Betriebsprüfung sinnvoll sein, um die Möglichkeit des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung auszuloten.

 

Der Kläger kann zu einem Erörterungstermin auch persönlich geladen werden. In der Praxis geschieht dies selten. Ein Teilnahmerecht steht ihm jedoch stets zu. Ob die Teilnahme sinnvoll ist, liegt letztlich in der Entscheidungskompetenz des Beraters.

 

Erfolgt im Erörterungstermin ein Erledigungsvorschlag durch den Berichterstatter, wird dieser protokolliert. Beide Seiten erhalten dann regelmäßig Frist zur Stellungnahme.

 

Kommt es auch nach dem Erörterungstermin nicht zu einem einvernehmlichen Abschluss des Streitverfahrens, kann der Kläger nicht sicher davon ausgehen, es folge jetzt umgehend die mündliche Verhandlung und Entscheidung des Gerichts nach. Der Fortgang des Verfahrens kann sich durchaus noch Monate hinziehen.

 

Checkliste VI / Die mündliche Verhandlung

  • 1. Ladung

Zur mündlichen Verhandlung ist mit einer Ladungsfrist von mindestens 2 Wochen zu laden (beim BFH beträgt die Ladungsfrist mindestens 4 Wochen, § 91 Abs. 1 S. 1 FGO). In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Ladungsfrist abkürzen (§ 91 Abs. 1 S. 2 FGO).

 

In der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO). Das Gericht kann das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen (§ 80 Abs. 1 FGO) und dies auch erzwingen, wenn der Kläger unentschuldigt fernbleibt. Es kann ein Ordnungsgeld verhängt werden. In der Praxis ist dies allerdings so gut wie nie zu erleben. Es entscheidet regelmäßig der ganze Senat in der Besetzung von 3 Berufsrichtern und 2 ehrenamtlichen Richtern.

  • 2. Vorbereitung des Beraters

Klassischerweise ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung für den Berater Anlass, die Klagebegründung noch einmal zu überprüfen. Ergeben sich Ergänzungsnotwendigkeiten, sind diese zweckmäßigerweise in einem Schriftsatz zusammenzufassen und rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung dem FG zu übersenden. Gegebenenfalls kann der Schriftsatz auch noch in der mündlichen Verhandlung überreicht werden. Ist nicht ausnahmsweise vom Gericht im Vorfeld eine Ausschlussfrist nach § 79b FGO gesetzt, muss das FG grundsätzlich allen Sachverhaltsvortrag bis zum Ende der mündlichen Verhandlung berücksichtigen. Der Senat, der den neuen Sachverhalt erst in der mündlichen Verhandlung präsentiert erhält, wird sich selten erfreut zeigen. Allerdings: Im finanzgerichtlichen Verfahren ist die mündliche Verhandlung konzipiert als echte Verhandlung und nicht als bloßer Termin zur Wiederholung des bisher Gesagten bzw. Geschriebenen. Erst recht gilt dies selbstverständlich für neue juristische Überlegungen. Hier gibt es keinerlei Zeitgrenzen. Wird neuer Sachverhalt mündlich in der mündlichen Verhandlung präsentiert, empfiehlt es sich, dies ausdrücklich protokollieren zu lassen.

 

Zur Vorbereitung des Beraters gehört es, auf Fragen des Vorsitzenden nach den Anträgen vorbereitet zu sein. Darüber hinaus ist der Überblick über die eigenen Beweisanträge und Ermittlungsanträge unverzichtbar.

  • 3. Öffentlichkeit

Die mündliche Verhandlung ist öffentlich (§ 52 FGO i.V. mit § 169 GVG). Gemäß § 52 Abs. 2 FGO kann auf Antrag des Klägers die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Dem FA steht dieses Recht nicht zu. Der Antrag muss nicht begründet werden und kann vom FG nicht abgelehnt werden. Infrage kommen kann ein solcher Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit insbesondere, wenn unangemeldet ganze Schulklassen oder Gruppen von Steuerberatern an Tagen der offenen Tür im Zuschauerraum sitzen oder z.B. auch wenn Pressevertreter anwesend sind.

  • 4. Ablauf

Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung (§ 92 Abs. 1 FGO). Zu Beginn der Sitzung trägt der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor (§ 92 Abs. 2 FGO). Der Vortrag dient insbesondere der Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter, die vor der mündlichen Verhandlung keine Aktenkenntnis haben. Nicht selten lässt dieser Vortrag des Berichterstatters bereits Tendenzen erkennen. Im Anschluss daran fragt der Vorsitzende die Beteiligten regelmäßig, ob der vorgetragene Sachverhalt zutreffend ist. Vermisst ein Beteiligter wichtige Sachverhaltsdetails, kann dies bereits hier angemerkt und vorgetragen werden.

 

Der weitere Ablauf ist unterschiedlich. Ist eine Beweisaufnahme vorgesehen, schließt sie sich regelmäßig jetzt an. Ohne Beweisaufnahme gilt: Es gibt Vorsitzende, die im Anschluss an den Sachvortrag den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigen unmittelbar auffordern, das Plädoyer zu halten und die Anträge zu stellen. Die Regel ist dies allerdings nicht, in den meisten Fällen eröffnet der Vorsitzende nach dem Sachvortrag des Berichterstatters

die Erörterung der Streitsache93 Abs. 1 FGO). Jedes Mitglied des Gerichts hat ein Fragerecht (§ 93 Abs. 2 FGO). Tatsächlich findet häufig das Gespräch mit dem gesamten Senat statt. Es gibt nur wenige Senate, die Wert darauf legen, sich in der mündlichen Verhandlung nicht „in die Karten blicken zu lassen“, und sich auf sphinxhaftes Zuhören beschränken. Sodann schließen sich das Plädoyer des Klägervertreters und die Formulierung der Anträge an.

 

Zu den Hauptklippen des Finanzgerichtsprozesses, speziell in der mündlichen Verhandlung, zählt die Gefahr, dass der Klägervertreter unbewusst auf Rügen verzichtet. Insbesondere auf die Rüge, das FG habe den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt: Sind Beweisanträge gestellt, ist in der mündlichen Verhandlung sorgsam darauf zu achten, wie das FG mit diesen Beweisanträgen verfährt.

 

Werden angebotene Beweise in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben, darf in keinem Fall darauf verzichtet werden, ausdrücklich zu Protokoll zu erklären, dass alle unerledigten Beweisanträge aufrechterhalten bleiben, und muss darüber hinaus ‒ ebenfalls zu Protokoll ‒ die Übergehung der Beweisanträge vorsorglich bereits jetzt als Verfahrensfehler gerügt werden (hierzu Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 115 FGO, Rn. 92 (Oktober 2012) m.w.N.). Werden diese Erklärungen versäumt, gilt dies als Verzicht auf die Beweisanträge bzw. als Verzicht auf die spätere Rüge, das FG sei angesichts der unterbliebenen Beweiserhebung seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen; die Nichterhebung des Beweises kann in einem späteren Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht mehr als Verfahrensverstoß gerügt werden, es sei denn, die weitere Sachaufklärung hätte sich dem FG auch ohne Beweisantrag „aufdrängen“ müssen (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 115 FGO, Rn. 91 (Oktober 2012)). Dies ist jedoch ein steiniger Weg.

  • 5. Zusage eines stattgebenden Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung

Erklärt sich das FA ‒ möglicherweise auf entsprechenden Hinweis des FG hin ‒ bereit, dem Klagebegehren stattzugeben und einen Abhilfebescheid zu erlassen, regen FG regelmäßig an, der Klägervertreter möge sofort das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklären. Das FG kann dann die Akte schließen.

 

Hier ist Zurückhaltung geboten, in dieser Situation sollte die Erledigung (noch) nicht erklärt werden. Der Abhilfebescheid ist in diesem Verfahrensstadium lediglich angekündigt. Drängt das FG gleichwohl zu einer Erklärung, kann es sich als Mittelweg empfehlen, zu Protokoll zuzusagen, der Rechtsstreit werde nach Erhalt des Abhilfebescheids umgehend für erledigt erklärt. Die Abgabe der eigentlichen Erledigungserklärung jedoch ist grundsätzlich ‒ bis auf wenige Ausnahmen (siehe hierzu auch Hendricks/Hildebrand, Ubg 18, 124, die anregen, sich dem Ansinnen des Gerichts nach einer vorzeitigen Erledigungserklärung nicht zu verschließen; sowie Wulf, Stbg 18, 408, der dies unter Hinweis auf BFH 14.6.17, I R 38/15, BStBl II 18, 2, nur in ganz bestimmten Konstellationen empfiehlt) ‒ bis zum Erlass der Änderungsbescheide zurückzustellen.

  • 6. Entscheidung des FG

Über die Klage wird durch Urteil entschieden (§ 95 FGO). Das Urteil wird normalerweise am Ende des Sitzungstags verkündet. Telefonisch kann es dann am nächsten Morgen bei der Geschäftsstelle abgerufen werden. In besonderen Fällen kann auch ein besonderer Verkündungstermin anberaumt werden, der nicht später als nach 2 Wochen stattfinden soll (§ 104 Abs. 1 FGO). Statt der Verkündung ist auch die Zustellung des Urteils zulässig (§ 104 Abs. 2 FGO).

  • 7. Exkurs: Rechtsbehelfe gegen finanzgerichtliche Urteile

Finanzgerichtliche Urteile können nur mit der Revision angegriffen werden (§ 115 FGO). Voraussetzung ist, dass das FG die Revision zugelassen hat. Schweigt das Urteil zu diesem Punkt, gilt die Revision als nicht zugelassen. Der Weg zum BFH führt dann über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 FGO; im Einzelnen siehe insbesondere die Kommentierungen von Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, §§ 115 FGO ff.).

 

Checkliste VII / Kosten

  • 1. Grundsätze

Das Gericht entscheidet von Amts wegen über die Kosten. Wer verliert, trägt die Kosten (§ 135 FGO). Wer die Klage zurücknimmt, hat stets verloren, trägt also auch die Kosten (§ 136 Abs. 2 FGO). Wird die Klage teilweise gewonnen, teilweise verloren, sind die Kosten entsprechend dem jeweiligen Obsiegen zu teilen (§ 136 Abs. 1 FGO). Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands (§ 138 Abs. 1 FGO).

 

Ausnahmsweise sind dem Obsiegenden die Kosten aufzuerlegen, wenn der Erfolg nur auf (schuldhaft) verspätet dargelegten Tatsachen (z.B. Unterlagen, Belege, Erklärungen) beruht und das FA nach Vorlage der Unterlagen unmittelbar abhilft (§ 137 FGO). In diesem Fall kann sich ein Kostenantrag anbieten, der sich mit der Frage der Verspätung beschäftigt, um die negative Kostenfolge des § 137 S. 1 FGO zu verhindern.

  • 2. Kostenfolgen

Gewinnt der Kläger, zahlt er keine Gerichtskosten und erhält die Kosten seiner Vertretung erstattet. Hierzu zählen auch die Kosten für die Vertretung im Einspruchsverfahren (§ 139 Abs. 1 FGO). Gewinnt der Steuerpflichtige bereits im Einspruchsverfahren, trägt er seine Anwaltskosten allerdings alleine, es sei denn, er kann Erstattung nach den Grundsätzen der Amtshaftung geltend machen.

 

Verliert der Kläger, zahlt er die Gerichtskosten (in der Regel 4,0-fache Gebühr Nr. 6110 KV GKG, bei Klagerücknahme oder Hauptsacheerledigung vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung Ermäßigung auf 2,0-fache Gebühr Nr. 6111 KV GKG) und trägt seine Anwaltskosten alleine. Positiv: Aufwendungen des FA sind nicht zu erstatten (§ 139 Abs. 2 FGO).

 

Verliert das FA, muss es dem Kläger nur die Anwaltskosten erstatten. Gerichtskosten zahlt das FA nie, auch nicht, wenn der Kostentenor vorsieht, das FA trage die Verfahrenskosten.

 

Die Gerichtsgebühren werden mit der Beendigung des Verfahrens oder mit der unbedingten Kostenentscheidung fällig (§ 9 Abs. 2 GKG). Wird das FG-Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten, liegt noch keine unbedingte Kostenentscheidung vor.

  • 3. Keine Klagerücknahme nach Abhilfebescheid

Erlässt das FA im laufenden FG-Verfahren einen Abhilfebescheid, wird der Kläger den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklären. Das Gericht wird die Kosten in der Regel dem FA auferlegen. In der Praxis ergeht gleichwohl in dieser Situation manchmal der Vorschlag an den Klägervertreter, er habe sein Ziel erreicht und möge die Klage zurücknehmen. Diesem Rat ist nicht zu folgen: Wer die Klage zurücknimmt, trägt die Kosten.

  • 4. Vorsicht vor bestimmten Kostenteilungsvorschlägen

Ist das Streitverfahren einvernehmlich abgeschlossen worden, schlägt das FG für die Kosten manchmal vor, das FA trage die Gerichtskosten und der Kläger verzichte im Gegenzug auf Kostenerstattung. Da das FA aber niemals Gerichtskosten zu erstatten hat, gibt es dort de facto keine Belastung. Anders beim Kläger, der aufgrund dieser Regelung seine Anwaltskosten selbst tragen müsste. Es ist gegebenenfalls eine Kostenteilung günstiger, bei der die Gesamtkosten anteilig verteilt werden.

  • 5. Positiveres Einigungs-ergebnis durch Verzicht auf Kostenerstattung

Enden mündliche Verhandlungen bzw. Erörterungstermine mit einer Einigung der Prozessparteien, heißt es nicht selten aus dem Mund des Finanzamtsvertreters, der Klägervertreter verzichte ‒ selbstverständlich ‒ auf Kostenerstattung. Eine Selbstverständlichkeit ist dies keineswegs. Hintergrund eines derartigen Vorschlags ist, dass es finanzamtsintern separate, relativ bescheidene Etats für Kostenerstattungen nach FG-Verfahren gibt. Es besteht deshalb ein Interesse des Finanzamtsvertreters daran, diesen Etat nicht zusätzlich zu belasten. Vor diesem Hintergrund kann sich ein Gegenvorschlag des Klägervertreters anbieten, man verzichte auf Kostenerstattung, wenn dazu im Gegenzug das steuerliche Einigungsergebnis etwas mehr zugunsten des Klägers ausfalle. Hier kann es dann durchaus eine Kompensation ‒ gegebenenfalls sogar eine Überkompensation zugunsten des Klägers ‒ geben.

 
Quelle: Seite 281 | ID 45533686