· Fachbeitrag · Beschwerdemanagement (Teil 4)
So reagieren Sie auf Beschwerden angemessen!
von Ute Thelen, Fachwirtin für Zahnärztliches Praxismanagement und Betriebswirtin im Gesundheitswesen, Sassenberg
| Äußert ein Patient eine Beschwerde, so ist die Art und Weise, wie der als erstes damit konfrontierte Praxismitarbeiter darauf reagiert, mitentscheidend für den Erfolg der Beschwerdebearbeitung. Wird dabei gepatzt, wird es schwierig, den Patienten im weiteren Verlauf der Bearbeitung seiner Beschwerde noch zufriedenzustellen. Es folgen einige Tipps, wie Sie angemessen auf Beschwerden reagieren können. |
Beschwerdeannahme ‒ emotionale und sachliche Aspekte
Die Annahme einer mündlichen Beschwerde ‒ sei es persönlich oder telefonisch ‒ ist emotional und kommunikativ häufig nur schwierig zu bewältigen. Beschwerden und die Reaktion darauf enthalten ‒ wie die allermeisten Kommunikationen ‒ nach einem Modell des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun vier Botschaften:
- eine Sachinformation: worüber ich informiere ‒ hier also den Anlass der Beschwerde wie „überhöhte Rechnung“,
- eine Selbstoffenbarung: emotional ‒ z. B. „Ich ärgere mich darüber“,
- einen Beziehungshinweis: emotional ‒ drückt aus, was ich vom Empfänger halte ‒ z. B. „So etwas hätte ich von Ihnen nicht erwartet“
- einen Appell, also eine Aufforderung zur Handlung: was ich bei dir erreichen möchte, z. B. „Korrigieren Sie die Rechnung“.
Weil hier vier Aspekte angesprochen werden, die man sozusagen mit vier Ohren hören muss, wird dieses Modell auch „Vier-Ohren-Modell“ oder „Kommunikationsquadrat“ genannt. Daraus lassen sich auch für Mitarbeiter in Zahnarztpraxen die wichtigsten Regeln für die Beschwerdeannahme ableiten:
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Abläufe bei einer Beschwerde gestalten
Häufig haben Sie keinen Einfluss darauf, wann und wo Sie eine Beschwerde entgegennehmen. Wenn irgend möglich, sollten Sie das Gespräch an einem ruhigen, ungestörten Gesprächsort stattfinden lassen bzw. den Patienten dahin bitten. Achten Sie darauf, dass das Gespräch faktisch „auf Augenhöhe“ erfolgt: entweder es stehen beide oder es sitzen beide. Sitzt der Patient und Sie reden im Stehen mit ihm, so kann dies als „von oben herabreden“ gedeutet werden ‒ das wäre nicht zielführend.
Umgang mit telefonischen Beschwerden
Beschwert sich jemand telefonisch bei der Mitarbeiterin an der Rezeption, kann dies schwierig für sie werden, wenn andere Patienten mithören können. Dann ist besonderes kommunikatives Geschick erforderlich oder ‒ die einfachere Lösung ‒ ein schnurloses Festnetztelefon. Dann kann man das Telefonat an einem ruhigeren Ort fortsetzen.
Umgang mit stark emotional vorgebrachten Beschwerden
Trägt der Patient eine Beschwerde stark emotional vor, erfordert dies zunächst ein Eingehen auf die Emotion. Erst danach ist der Patient für eine sachliche Diskussion zugänglich. Dies ist eindeutig der schwerste Teil der Beschwerdereaktion. Bei Beschwerden geht es nicht nur darum, Empörung und Unzufriedenheit durch Zuhören abzufedern, sondern den sachlichen Kern zu ermitteln, etwa durch Formulierungen wie „Danke für Ihren Hinweis, habe ich Sie richtig verstanden, dass …“. Sogenannte „Ich-Botschaften“ eignen sich dafür, Verständnis für den sich beschwerenden Patienten zu zeigen: „Ich kann Ihren Ärger verstehen!“ Oder: „Es tut uns leid, dass Sie durch unseren Fehler einen negativen Eindruck erhalten.“
Die Beschwerde darf durch den Empfänger nicht heruntergespielt werden. Folgende Formulierungen blockieren eine weitere sachliche Auseinandersetzung mit der Beschwerde:
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Solche Negativbotschaften sind unprofessionell und verstärken den Ärger des sich beschwerenden Patienten noch.
Umgang mit ausfallenden oder beleidigenden Beschwerden
Manche Patienten finden beim Äußern ihrer Beschwerde nicht den angemessenen Ton und werden ausfallend oder beleidigend. Dennoch steht der sachliche Grund für die Beschwerdeäußerung zunächst im Vordergrund. Das Eingehen auf den unangemessenen Tonfall lenkt vom eigentlichen Problem ab, der Patient fühlt sich sehr schnell wie in einer Erziehungssituation. Es gibt natürlich Grenzen, die Sie nicht mehr akzeptieren müssen. Eskaliert die Situation, können Sie das Gespräch unterbrechen oder abbrechen. Das Gespräch wird dann z. B. in Gegenwart des Praxisinhabers weitergeführt.
Umgang mit schriftlichen Beschwerden
Schriftliche Beschwerden des Patienten sollten auch schriftlich beantwortet werden. Dies ist fast in allen Fällen derartiger Beschwerden einfacher, weil die Kommunikation nicht emotional belastet ist und es auch nicht zu Missverständnissen kommen kann, wie z. B. „Sie haben aber gesagt, dass ...“ Außerdem kann der Patient ggf. das Schreiben an seine Beihilfe oder private Kranken- und/oder Zusatzversicherung weiterleiten, falls es um die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen geht.
Praxisbeispiele Beschwerdereaktionen
In unserer Praxis halten wir uns bei der Beschwerdereaktion an die Praxisvorgaben, die wir kategorisiert haben (siehe Teil 3 dieser Beitragsserie in PPZ 08/2019, Seite 12 ff.). Das bedeutet, es ist festgelegt, wer die Beschwerde bearbeitet und wie viel Zeit dafür zur Verfügung steht.
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Susanne Meier kommt in die Praxis und beschwert sich bei der Mitarbeiterin am Empfang über die Nichterstattung der Laborkosten durch ihre private Versicherung. Die Mitarbeiterin bittet Frau Meier, kurz im Wartezimmer (oder ggf. gleich in einem Besprechungszimmer) Platz zu nehmen. Dann druckt sie das Beschwerdeannahmeblatt aus und kopiert das Schreiben der Versicherung oder scannt es ein. Im Besprechungszimmer nimmt sie dann die Beschwerde von Frau Meier im Datenblatt auf und wiederholt sie, damit alles korrekt dokumentiert ist. Die Mitarbeiterin bedankt sich und erklärt Frau Meier, dass sie innerhalb der nächsten Tage schriftlich eine Antwort auf das Versicherungsschreiben erhalten wird.
Antwortschreiben (Auszug): „Vielen Dank für das freundliche Gespräch am 01.07.2019. Gerne kommen wir Ihrer Bitte nach, die Leistungsberechnung Ihrer PKV zu überprüfen und zu dem Schreiben vom 25.06.2019 an Sie Stellung zu nehmen. Ihre Versicherung legt ihr versicherungsinternes Preis- und Leistungsverzeichnis zugrunde. Entsprechend dieser sogenannten Sachkostenliste wird unsere Rechnung an Sie erstattet. Die Anwendung einer derartigen Liste hat zur Folge, dass Sie die Differenz zwischen unserer Rechnung und dem durch Ihre Versicherung erstatteten Betrag selbst zu tragen haben.
Bitte überprüfen Sie, ob diese Sachkostenliste tatsächlich Bestandteil Ihres Versicherungsvertrags ist. Eine nach Vertragsabschluss durch Ihre Versicherung erstellte Sachkostenliste hat keine Wirkung auf Ihren bestehenden Versicherungsvertrag.“ |
Wenn das Antwortschreiben abgesendet wurde, wird das Datenblatt entsprechend ausgefüllt und zur Patientenakte zugeordnet sowie die Tabelle ergänzt.
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Beschwerdeannahme | Datum: | 01.07.2019 |
Wer: | UT | |
Beschwerdeführer: | Susanne Meier | |
Beschwerdegrund: | Erstattungsproblem Laborkosten | |
Kategorie: | 1 | |
Beschwerdebearbeitung | Bearbeitungstand: | Brief gesendet |
erledigt am: | 03.07.2019 | |
erledigt durch: | UT |
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Peter Schmidt hat eine OK Totale mit vier Locatoren auf vier Implantaten. Im Januar wurde ein Locatorring zur Friktionsverstärkung ausgetauscht. Im Juni mussten auch die anderen Locatorringe ausgetauscht werden. Die Reparatur wurde zu seiner Zufriedenheit ausgeführt und die Rechnung wurde ihm zugeschickt. Eine Woche später beschwert er sich schriftlich über den sehr hohen Eigenanteil der Reparatur gegenüber dem Eigenanteil im letzten Jahr. Er hätte im letzten Jahr 8,42 Euro für einen Locatorring gezahlt und jetzt liege der Eigenanteil für drei Locatorringe bei 90,38 Euro. Er überweist analog zur ersten Rechnung jetzt 3 x 8,42 Euro.
Unser Antwortschreiben (Auszug): „Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 01.07.2019. Der Unterschied der Rechnungsbeträge liegt ‒ bedingt durch die unterschiedliche Anzahl der Konfektionsteile ‒ im Honorar und in den Laborkosten. Hingegen wird der Festzuschuss der Krankenkasse nur pro Prothese gezahlt ungeachtet der Anzahl der auszutauschenden Konfektionsteile.
Zu Veranschaulichung haben wir Ihnen die Kostenberechnung aus den Heil- und Kostenplänen gegenübergestellt:
Wir möchten die Angelegenheit unbedingt zu Ihrer Zufriedenheit aufklären. Bitte rufen Sie uns an, wenn Sie noch Rückfragen haben. Gern können wir auch einen persönlichen Besprechungstermin vereinbaren. |
PRAXISTIPP | Wichtig bei derartigen Briefen ist, in einem Schlusssatz zu betonen, für weitere Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Auf keinen Fall darf der Patient das Gefühl bekommen, „abgewimmelt“ zu werden. |
Der komplette Vorgang wird wieder in dem Formular für die Beschwerdeerhebung abgespeichert. Das Formular wird, wenn der Vorgang abgeschlossen ist, zur Patientenakte zugefügt.
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Beschwerdeannahme | Datum: | 04.07.2019 |
Wer: | UT | |
Beschwerdeführer: | Peter Schmidt | |
Beschwerdegrund: | Eigenanteil zu hoch | |
Kategorie: | 1 | |
Beschwerdebearbeitung | Bearbeitungstand: | Brief gesendet |
erledigt am: | 05.07.2019 | |
erledigt durch: | UT in Rücksprache mit TL |
Weiterführender Hinweis
- Wie für die Abrechnung gilt auch für die Beschwerdebearbeitung ‒ sie gut zu dokumentieren ist wichtig. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe von PPZ.