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· Fachbeitrag · Berufsrecht

Erfolgshonorare, Prozessfinanzierung & Co. ‒ diese neuen Anwaltsleistungen werden möglich

von RA Udo Henke, Unna

| Für Mandate zur Inkassodienstleistung und für Mandate bis zu einem Gegenstandswert von 2.000 EUR sollen in Zukunft Erfolgshonorare vereinbart werden können. Dies sieht ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) für ein „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ (abrufbar unter iww.de/s4348 ) vor. |

1. Diese Neuerungen sind geplant

Um die geplanten Erfolgshonorare zu ermöglichen, werden in verschiedenen Bereichen weitere Gesetzesänderungen erforderlich. Betroffen sind:

 

  • Änderungen im anwaltlichen Berufsrecht (BRAO)
  • Änderungen im Rechtsdienstleistungsrecht (RDG)
  • Änderungen im Bereich Legal Tech (RDG)
  • Änderungen für Anwälte und für Inkassobüros (RDG)

2. Das sind die Überlegungen des Ministeriums

Inkassodienstleister können ihre Leistungen bereits heute gegen ein Erfolgshonorar anbieten. Zugleich ist es ihnen möglich, als Prozessfinanzierer aufzutreten. Insofern verpflichten sie sich, im Fall des Misserfolgs Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen.

 

Rechtsanwälte sind dagegen bislang in ihrer Berufsausübung nach den Bestimmungen aus BRAO und RVG dahingehend beschränkt, dass sie Erfolgshonorare nur in Ausnahmefällen vereinbaren dürfen. Auch die Prozessfinanzierung ist ihnen vollständig untersagt. Dadurch haben Inkassodienstleister derzeit in bestimmten Bereichen erhebliche Wettbewerbsvorteile. Mit den geplanten Neuregelungen sollen Anwälte dieselben Möglichkeiten erhalten.

 

Beachten Sie | Trotz der geplanten Änderungen soll aber der bisherige, durch die Beschränkungen bei der Vereinbarung von Erfolgshonoraren und Kostenübernahmen bestehende Schutz der Unabhängigkeit der Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege erhalten bleiben.

3. So wird das Erfolgshonorar geregelt

Nach dem Gesetzentwurf sollen Anwälte bei Mandaten zur Inkassodienstleistung und bei Mandaten bis zu einem Gegenstandswert von 2.000 EUR unter erleichterten Voraussetzungen Erfolgshonorare vereinbaren und Verfahrenskosten übernehmen können.

 

a) Das sind die rechtlichen Grundlagen

Die für Erfolgsvergütungen einschlägige Norm in § 4a Abs. 1 RVG soll deshalb um zwei wesentliche Fallgruppen erweitert werden:

 

  • § 4a Abs. 1 Nr. 1 RVG-E:
  • Eine neue Nr. 1 erlaubt Erfolgshonorare unter den reduzierten Bedingungen des neu formulierten § 4a Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 RVG, soweit sich die gesetzlichen Gebühren nach dem Gegenstandswert richten und dieser den Betrag von 2.000 EUR nicht überschreitet.

 

MERKE | In Angelegenheiten, bei denen die Höhe der Anwaltsgebühren sich nicht am Gegenstandswert orientiert, sind derart erleichterte Erfolgsvereinbarungen nicht vorgesehen. Das sind also Straf-, Bußgeld- und Disziplinarsachen sowie die meisten Sozialrechtsmandate.

 
  • § 4a Abs. 1 Nr. 2 RVG-E:
  • Die neue Nr. 2 sieht das Gleiche für die Erbringung von Inkassodienstleistungen vor ‒ sei es außergerichtlich oder in den für Inkassodienstleister zulässigen gerichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO. Inhaltlich ist es bei Inkassodienstleistungen außerdem erlaubt, dass der Anwalt sogar ganz auf eine Vergütung verzichtet (§ 4 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 RVG-E).

 

MERKE | Leider gibt der Gesetzentwurf keinerlei Orientierung, wann eine zulässige Inkassodienstleistung vorliegt, obwohl zahlreiche Rechtsfolgen daran anknüpfen. Das Ministerium möchte die Abgrenzung zwischen Inkassodienstleistung einerseits und Rechtsdienstleistung (Geltendmachung von Forderungen) der Rechtsprechung überlassen. An diesem Punkt besteht also Rechtsunsicherheit, welche konkreten Angelegenheiten erleichtert mit Erfolgshonorar durch Anwälte übernommen werden dürfen.

 
  • § 4a Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 4a Abs. 2 RVG-E:
  • Im Übrigen bleibt in der neuen Nr. 3 des § 4a Abs. 1 RVG-E die bisherige Hauptvorgabe für Erfolgshonorare erhalten. Danach sind diese nur zulässig, wenn der Auftraggeber im Einzelfall ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Allein für diese Konstellation gilt dann der in § 4a Abs. 2 RVG formulierte Katalog weiterer Voraussetzungen des heutigen § 4a Abs. 1 S. 2 RVG für gerichtliche Verfahren (Reziprozität der Ab- und Zuschläge bei Misserfolg oder Erfolgsfall).

 

  • § 4a Abs. 2 RVG-E i. V. m. § 4a Abs. 1 Nr. 1 RVG-E:
  • Allerdings soll diese Vorgabe künftig auch für die Angelegenheiten des neuen § 4a Abs. 1 Nr. 1 RVG-E weiter gelten, also für Fälle mit Gegenstandswerten bis 2.000 EUR. Konkret bedeutet das für eine Erfolgshonorarvereinbarung bei geringwertigen Gegenstandswerten bis 2.000 EUR: Sieht die Vereinbarung vor, dass für den Fall des Misserfolgs keine Vergütung zu zahlen ist, muss für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbart werden.
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  • Bei einer Erfolgsaussicht von 50 Prozent wäre rechnerisch ein Zuschlag von 100 Prozent angemessen, also das Doppelte der RVG-Vergütung. Der Zuschlag für den Erfolgsfall sollte umso höher ausfallen, je geringer die Erfolgsaussichten sind.

 

  • § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO-E:
  • Letztlich wird auch das anwaltliche Berufsrecht in § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO-E entsprechend angepasst (RefE unter iww.de/s4260; Beitrag in AK 20, 206). Das heißt: Bei den neuen Erfolgshonoraren für Inkasso- oder geringwertige Mandate dürfen sich Anwälte gegenüber den Mandanten außerdem verpflichten, Gerichts-, Verwaltungs- oder Beteiligtenkosten zu tragen. Für andere als die in § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO-E aufgeführten Aufträge ist die verpflichtende Übernahme von Kosten durch den Anwalt weiterhin verboten.

 

b) So vereinbaren Sie das Erfolgshonorar nach § 4a Abs. 3 RVG

Für alle Arten von Angelegenheiten ‒ egal ob sie erleichtert für ein Erfolgshonorar zugänglich sind oder nicht ‒ gelten die Vorgaben des § 4a Abs. 3 RVG. In die Erfolgsvereinbarung sind also auch bei Inkassomandaten oder geringwertigen Angelegenheiten zukünftig aufzunehmen:

  • nach Nr. 1 die Angabe, welche Vergütung bei Eintritt welcher Bedingungen verdient sein soll,
  • nach Nr. 2 die Angabe, ob und welchen Einfluss die Vereinbarung auf Gerichtskosten etc. und eine Kostenerstattung haben soll, und
  • nach Nr. 3 die Benennung der wesentlichen Gründe, die für die Bemessung des Erfolgshonorars bestimmend sind.

 

Beachten Sie | Nur für die künftig nicht erleichterten Erfolgshonorar-Angelegenheiten des § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG-E gilt zusätzlich § 4a Abs. 3 Nr. 4 RVG-E mit der Maßgabe, dass die voraussichtliche gesetzliche Vergütung und ggf. alternative Vergütungsoptionen in der Vereinbarung anzugeben sind.

 

Beachten Sie außerdem | Bei anderen Angelegenheiten als den in § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RVG-E genannten Inkassodienstleistungen (also bei geringwertigem Streitwert oder wenn der Auftraggeber ohne Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde) ist die o. g. Reziprozität der Ab- und Zuschläge bei Misserfolg oder Erfolgsfall gemäß Abs. 2 einzuhalten.

 

c) So berechnen Sie das Erfolgshonorar

Maßgebend für die Berechnung des Erfolgshonorars sind

  • als Grundlage die rechtliche Gültigkeit der Vergütungsvereinbarung,
  • die Kriterien in der Vergütungsvereinbarung über erfolgsbezogene Zu- und Abschläge zur gesetzlichen Vergütung oder über die anteilige Vergütung am Erfolg,
  • die Bewertung über den realisierten Erfolg bzw. Misserfolg und
  • die Einhaltung der nicht abbedungenen oder nicht abdingbaren gesetzlichen Vorgaben.

 

Die für die Vereinbarung vorgeschriebene Angabe, welche Vergütung bei Eintritt welcher Bedingungen verdient sein soll (§ 4a Abs. 3 Nr. 1 RVG-E), ist der Maßstab für die Bewertung, ob die Angelegenheit im Ergebnis vollständig, teilweise oder gar nicht erfolgreich erledigt wurde.

 

PRAXISTIPP | Um Meinungsverschiedenheiten mit der eigenen Partei vorzubeugen, sollten Sie in der Vergütungsvereinbarung möglichst konkret festlegen, welches Endergebnis als optimaler Erfolg und welche Teilergebnisse als Teilerfolg anzusehen sind und was dies jeweils für die Bewertung der Vergütungshöhe bedeutet. Es kann nicht schaden, auch die Konstellationen eines Misserfolgs konkret zu beschreiben und wie sich dies auf die Reduzierung der Vergütung auswirkt. Je nach der Bezugsgröße (gesetzliche Gebühren oder erstrittener Betrag bzw. rechtlicher Vorteil) sind dann die jeweiligen Zu- oder Abschläge oder die Anteile zu errechnen.

 

Beachten Sie | Die in der Vereinbarung in das Risiko des Anwalts übernommenen Gerichts-, Verwaltungs- oder Beteiligtenkosten sind ggf. in der Kostenfestsetzung im Rahmen der gesetzlich zulässigen Beträge zu vereinnahmen. Dazu sind im Vorfeld die notwendigen Abtretungserklärungen der Partei zu dokumentieren.

4. So wird die Prozessfinanzierung geregelt

In Angelegenheiten, bei denen Anwälte in erleichterter Weise ein Erfolgshonorar gemäß § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 RVG-E vereinbaren dürfen, erlaubt die Änderung in § 49b BRAO-E dem Anwalt, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen (Prozessfinanzierung). Damit will das Ministerium einen Gleichlauf mit den Regelungen des RDG für Inkassobüros herstellen. Dies schafft eine neue Problematik im Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt: Durch die Risikobeteiligung werden verstärkt wirtschaftliche Eigeninteressen des Anwalts geschaffen, die den eigentlichen Mandanteninteressen zuwiderlaufen können.

 

Das Justizministerium bewertet die wirtschaftlichen Risiken für Anwälte durch eine Prozessfinanzierung in den vorgesehenen Angelegenheiten als überschaubar. Die Finanzierung von etwaigen Gerichts- und Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter stelle im Zusammenhang mit dem bereits aus der Vereinbarung über das Erfolgshonorar folgende Risiko, ohne eigene Vergütung zu bleiben, lediglich einen weiteren wirtschaftlichen Aspekt von begrenztem Umfang dar. Im Fall des § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG-E seien die in Betracht kommenden Kosten in Anbetracht des im unteren Bereich liegenden Gegenstandswerts von bis zu 2.000 EUR begrenzt und überschaubar. Im Fall des hauptsächlich die außergerichtliche Geltendmachung betreffenden § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RVG-E würden ohnehin nur in Ausnahmefällen Kosten i. S. d. § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO entstehen. Diese würden dann auch eher gering sein.

 

DAV und BRAK sind der gegenteiligen Ansicht und lehnen die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch Rechtsanwälte in ihren aktuellen Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf ausdrücklich ab (DAV-Stellungnahme Nr. 88/20 vom 8.12.20, S. 6 f. und BRAK-Stellungnahme Nr. 81/20 von Dezember 2020, S. 3 und 14).

 

Beachten Sie | Besondere Formen des Erfolgshonorars gibt es heute auch schon in den Fällen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 RVG (FMP 08, 12). AK wird Sie über die Entwicklung der neuen Gesetze auf dem Laufenden halten.

Quelle: Seite 23 | ID 47056919