· Fachbeitrag · Befristung
Was bedeutet „Vorbeschäftigung“ bei der sachgrundlosen Befristung?
von RA und Notar Armin Rudolf, Ritter Gent Collegen, Hannover
| Der Begriff der „Vorbeschäftigung“ sorgt aktuell für Diskussionen in der Rechtsprechung. Die „Vorbeschäftigung“ im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG untersagt eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses, wenn bereits zuvor ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis zum selben ArbG bestand. Der Beitrag zeigt den aktuellen Stand der Diskussion auf. |
1. Zwei Meinungen: LAG Baden-Württemberg versus BAG
Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG aber nicht, wenn mit demselben ArbG „bereits zuvor“ ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne dieser Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung des BAG nicht vor, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt (BAG, 6.4.11, 7 AZR 716/09, Abruf-Nr. 111301; 21.9.11, 7 AZR 375/10, Abruf-Nr. 142440).
Das LAG Baden-Württemberg (26.9.13, 6 Sa 28/13, Abruf-Nr. 133283) wendet ein, die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung seien gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzestextes und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das BAG überschritten. Dieser Auffassung hat sich auch die 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg (21.2.14, 7 Sa 64/13, Abruf-Nr. 142441) angeschlossen und die Revision zum BAG zugelassen, die unter dem Aktenzeichen 7 AZR 196/14 geführt wird.
2. Die Argumentation des LAG Baden-Württemberg
Das LAG Baden-Württemberg vertritt die Auffassung, dass für die Auslegung von Gesetzen der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich sei, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergebe. Der Wortsinn der Adverbialkonstruktion „bereits zuvor“ sei als Teil der Gesetzesfassung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG fach- und umgangssprachlich bei unbefangener Bewertung eindeutig. „Bereits zuvor“ bedeute, dass jedes frühere Arbeitsverhältnis der Befristung entgegenstehe, und zwar unabhängig davon, ob es erst wenige Tage oder viele Jahre zuvor beendet worden sei.
Auch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätige den Wortsinn. Das sollen die Gesetzgebungsmaterialien belegen, die zur Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers heranzuziehen sind. Eine sachgrundlose Befristung ist nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei einer „Neueinstellung“ zulässig.
Die vom Gesetzgeber selbst vorgenommene Definition des Begriffs der „Neueinstellung“ bezwecke in Bestätigung des Wortsinns ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. Unter Neueinstellung verstehe der Gesetzgeber die „erstmalige Beschäftigung eines ArbN durch einen ArbG“.
Die Regelungssystematik des in § 14 TzBfG untergebrachten allgemeinen Befristungsrechts spreche für ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. § 14 Abs. 1 TzBfG stelle im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses den Grundsatz auf, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann zulässig sei, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Abweichend von diesem Grundsatz gestatte der Gesetzgeber in den in § 14 Abs. 2 bis 3 TzBfG abschließend aufgeführten Konstellationen privilegierte Ausnahmen. Neben den tatbestandlich eng begrenzten Privilegierungen von Existenzgründern und den befristeten Arbeitsverträgen mit älteren, zuvor arbeitslosen ArbN sei der Ausnahmetatbestand der sachgrundlosen Befristung nur dann zulässig, wenn zwischen den Parteien des befristeten Arbeitsvertrags nicht „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
3. Die Argumentation des BAG
Das BAG hat früher die Ansicht vertreten, eine sachgrundlose Befristung scheide generell aus, wenn der betroffene ArbN bereits irgendwann einmal bei demselben ArbG beschäftigt gewesen ist (BAG 29.7.09, 7 AZN 368/09, Abruf-Nr. 140152). Seine Rechtsprechungsänderung im April 2011 hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit in § 14 Abs. 2 TzBfG ArbG die Möglichkeit eröffnen solle, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren. Für ArbN solle die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Das Verbot der „Zuvor-Beschäftigung“ diene somit nach der Auffassung des BAG dazu, Befristungsketten und den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge zu verhindern. Damit das Anschlussverbot nicht zu einem Einstellungshindernis werde, sei es - so das BAG seit seinem Urteil vom 6.4.11, 7 AZR 716/09, Abruf-Nr. 111301 - nur insoweit gerechtfertigt, als es zur Verhinderung solcher Befristungsketten erforderlich sei. Dies sei bei einer lange Zeit zurückliegenden früheren Beschäftigung typischerweise nicht mehr der Fall. Die Gefahr bestehe regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre lägen.
4. Ausblick
Es bleibt abzuwarten, ob das BAG zu seiner früheren Rechtsprechung zurückkehren wird, nach der eine wirksame sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags gem. § 14 Abs. 2 TzBfG eine wirkliche Neueinstellung eines ArbN voraussetzte. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht sollte das BAG seine aktuelle Linie beibehalten. Sie ist für ArbG praktikabel und auch für ArbN zumutbar.
Weiterführender Hinweis
- Alle hier im Beitrag genannten Urteile können Sie unter aa.iww.de abrufen.