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· Fachbeitrag · Auslagenerstattung

Erstattungsfähigkeit der Kosten eines vom Anwalt beauftragten Terminsvertreters

von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| In der gerichtlichen Praxis spielen Terminsvertretungen eine große Rolle. Regelmäßig beauftragt der Prozessbevollmächtigte dazu im eigenen Namen einen auswärtigen Anwalt mit der Terminsvertretung vor einem auswärtigen Gericht. Wenn dafür eine pauschale Vergütung vereinbart wird, wird im Rahmen der Kostenfestsetzung aber immer wieder eingewendet, dass es sich dabei nicht um gesetzliche Auslagen handelt. |

1. Der aktuelle Fall

Im Streitfall hatte der Kläger K aus dem Saarland die dort ebenfalls ansässige Rechtsanwältin R mit seiner Vertretung in einem Rechtsstreit vor dem AG Berlin-Mitte beauftragt (Streitwert: 1.000 EUR). Da R nicht zum Termin nach Berlin fahren wollte, beauftragte sie dort Rechtsanwältin T mit der Terminsvertretung. R erteilte den Auftrag im eigenen Namen und vereinbarte mit T eine Pauschalvergütung von 100 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. In dem Kostenfestsetzungsverfahren meldete R die zu erstattenden Kosten des K an, und zwar eine Verfahrensgebühr, eine Terminsgebühr nebst Postentgeltpauschale sowie 100 EUR Auslagen für die Terminsvertretung zuzüglich Umsatzsteuer. Die Beklagte B war demgegenüber der Auffassung, bei dem Pauschalhonorar handele es sich nicht um eine gesetzliche Vergütung, sodass diese nicht zu erstatten sei. Das AG Berlin-Mitte hat dennoch die Pauschale festgesetzt (11.3.20, 122 C 3032/19, Abruf-Nr. 217095).

2. Diese beiden Modelle der Terminsvertretung sind möglich

Soll ein Terminsvertreter für einen auswärtigen Termin beauftragt werden, so kommen zwei Modelle in Betracht.

 

a) Terminsvertreter im Namen der Partei

Ein Terminsvertreter kann im Namen der Partei beauftragt werden. Dann kommen zwei Anwaltsverträge zustande, nämlich:

  • zwischen der Partei und dem Prozessbevollmächtigten, was nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG abzurechnen ist und
  • zwischen der Partei und dem Terminsvertreter, was nach den Nrn. 3401 ff. VV RVG abzurechnen ist.

 

Jeder der beteiligten Anwälte rechnet also die im jeweiligen Auftragsverhältnis anfallende Vergütung mit dem Mandanten separat ab.

 

b) Terminsvertreter im Namen des Prozessbevollmächtigten

Der Terminsvertreter wird von dem Prozessbevollmächtigten selbst beauftragt (wie hier im Fall des AG Berlin-Mitte). Der Terminsvertreter wird quasi „Subunternehmer“ des Prozessbevollmächtigten und rechnet nicht mit der Partei, sondern mit dem Prozessbevollmächtigten ab.

 

 

 

3. So wird abgerechnet und erstattet

Übernimmt ein auswärtiger Kollege die Vertretung des Rechtsanwalts im auswärtigen Gerichtstermin, gelten für die Abrechnung folgende Grundsätze:

 

a) Abrechnung bei Beauftragung im Namen der Partei

Wird der Terminsvertreter im Namen der Partei beauftragt, rechnet der Hauptbevollmächtigte nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG und der Terminsvertreter nach den Nrn. 3401 ff. VV RVG ab.

 

  • Beispiel

Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem auswärtigen AG wird im Namen der Partei ein Terminsvertreter bestellt, der an dem Termin im Mai 2020 teilnimmt. Der Streitwert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Lösung

Der Hauptbevollmächtigte hat die 1,3-Verfahrensgebühr nebst Auslagen verdient. Der Terminsvertreter erhält die hälftige Verfahrensgebühr des Hauptbevollmächtigten (also 0,65) und die 1,2-Terminsgebühr nebst Auslagen.

I. Prozessbevollmächtigter (Wert: 1.000 EUR)

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

104,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

23,56 EUR

147,56 EUR

II. Terminsvertreter (Wert: 1.000 EUR)

0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV RVG

52,00 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG

96,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

31,92 EUR

199,92 EUR

 

Die Mehrkosten des Terminsvertreters, hier die 0,65-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3401, 3100 VV RVG sowie die zweite Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG), sind nach der BGH-Rechtsprechung erstattungsfähig, soweit sie die ersparten Reisekosten nicht wesentlich übersteigen (BGH 16.10.02, VIII ZB 30/02, NJW 03, 898; RVG prof. 15, 14). Als wesentlich wird eine Abweichung von mehr als 10 Prozent angenommen.

 

b) Abrechnung bei Beauftragung im Namen des Prozessbevollmächtigten

Beauftragt der Prozessbevollmächtigte den Terminsvertreter im eigenen Namen, rechnet nur er mit der Partei ab. Soweit er für den Terminsvertreter ein Pauschalhonorar zahlt, stellt er dieses dem Mandanten neben den Gebühren der Nrn. 3100 ff. VV RVG als Auslagen ebenfalls in Rechnung.

 

  • Abwandlung

Für den Termin vor dem auswärtigen AG hat der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen einen Terminsvertreter beauftragt und mit ihm ein Honorar i. H. v. 100 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart.

 

Der Terminsvertreter rechnet daraufhin gegenüber dem Prozessbevollmächtigten wie folgt ab:

Pauschalhonorar

100,00 EUR

19 Prozent USt.

19,00 EUR

119,00 EUR

Der Prozessbevollmächtigte rechnet gegenüber dem Mandanten wie folgt ab:

1,3-Verfahrensgebühr aus 1.000 EUR, Nr. 3100 VV RVG

104,00 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG

96,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Auslagen Terminsvertretung

100,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

60,80 EUR

380,80 EUR

 

MERKE | Immer wieder wird gegen diese Abrechnung Folgendes eingewendet: Bei dem Pauschalhonorar, das der Hauptbevollmächtigte an den Terminsvertreter zahlt, handele es sich nicht um gesetzliche Auslagen.

 

Dies ist jedoch unzutreffend. Gesetzliche Auslagen i. S. d. RVG sind nicht nur die in den Nrn. 7001 bis 7008 VV RVG ausdrücklich aufgeführten Auslagentatbestände. Hierzu gehören vielmehr auch verauslagte Kosten, die der Anwalt nach den §§ 675, 670 BGB aufwendet, wie sich aus der Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG eindeutig ergibt. Folglich handelt es sich bei dem Pauschalhonorar, das der Hauptbevollmächtigte an den Terminsvertreter zahlt, um gesetzliche Auslagen.

 

Die gesetzlichen Auslagen für den Terminsvertreter sind auch grundsätzlich erstattungsfähig. Es gilt hier nichts anderes als für die Kosten, die durch einen vom Mandanten beauftragten Terminsvertreter entstanden sind. Dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte einen Terminsvertreter vor Ort beauftragt, vermeidet er eigene ‒ erstattungsfähige ‒ Reisekosten.

 

MERKE | Soweit das Pauschalhonorar für den Terminsvertreter unterhalb der erstattungsfähigen Kosten einer eigenen Reise des Prozessbevollmächtigten liegt, muss dieses selbstverständlich auch erstattungsfähig sein. Wäre im vorliegenden Fall R selbst nach Berlin zu dem Termin gereist, so wären ihre Kosten erstattungsfähig gewesen.

 

Denn nach der BGH-Rechtsprechung darf sich eine Partei grundsätzlich eines Anwalts an ihrem Sitz bzw. Wohnsitz bedienen. Dessen Reisekosten sind in vollem Umfang erstattungsfähig, selbst wenn ein Terminsvertreter günstiger gewesen wäre (BGH 16.10.02, VIII ZB 30/02, NJW 03, 898). Die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten hätten hier weit höher gelegen als das vereinbarte Pauschalhonorar in Höhe von 100 EUR, sodass die vom Anwalt verauslagten 100 EUR damit erstattungsfähig sind (vgl. auch LG Flensburg AGS 20, 46; KG KGR 04, 393; AG Hannover NJW-Spezial 20, 381; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, Vorb. 7 Rn. 23 a. E.; Nr. 3104 Rn. 137).

 

Weiterführende Hinweise

  • BGH: Diese Reisekosten sind einem außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Anwalt zu erstatten, RVG prof. 10, 165
  • Auswärtiger Anwalt aus dem Gerichtsbezirk erhält Reisekosten erstattet, RVG prof. 16, 81
  • Immer wieder umstritten: Reisekosten in Strafverfahren, RVG prof. 17, 57
  • Never ending story: Reisekosten des PKH-Anwalts, RVG prof. 16, 202
Quelle: Seite 163 | ID 46698131