· Fachbeitrag · Arzneimittelversorgung
Arzneimittelversorgung im Luftverkehr: Medizinische Hilfe über den Wolken
von Alexandra Schramm, Medienbüro Medizin (MbMed), Hamburg
| Notfälle kennen weder Zeit noch Raum - auch hoch über den Wolken kann es zu medizinischen Zwischenfällen kommen. Daher sind alle deutschen Flugzeuge mit einem Arzt- und einem Erste-Hilfe-Koffer ausgestattet. Außerdem sind die Rettungshubschrauber der DRF Luftrettung ein fester Bestandteil des Rettungswesens in Deutschland: Sie werden immer dann alarmiert, wenn sie das schnellste notarztbesetzte Rettungsmittel darstellen. Wie die medizinische Ausstattung im Detail aussieht und welche Medikamente am häufigsten zum Einsatz kommen, erfahren Sie in diesem Beitrag. |
Eine Apotheke mit Verantwortung für die Notfallausstattung
Die AirService-Abteilung der Antonius-Apotheke aus Deggendorf versorgt seit über zehn Jahren die Deutsche Lufthansa AG und weitere Airlines, Flugzeuge der Bundesluftwaffe sowie die Reiseflotte der Bundesregierung mit der Notfallausstattung an Bord - ohne startet keine Maschine. Die Apotheke ist verantwortlich für die Bestückung und Check-ups aller medizinischen Kits. Dies erfolgt stets in Absprache mit den zuständigen Ärzten und wird für jede Airline je nach Ausstattungswünschen und Notwendigkeiten maßgeschneidert durchgeführt. Besonders wird dabei auf das zur Verfügung stehende Volumen und das Gewicht der Artikel geschaut, denn in der Luft zählt jedes Gramm. Außerdem berücksichtigt die Apotheke luftfahrtrechtliche Vorschriften, wie beispielsweise die Brandklassen der Gegenstände.
Welches Kit für welche Indikation?
Etwa 60 Millionen Passagiere fliegen im Jahr mit der Lufthansa. Circa 3.000 medizinische Zwischenfälle registrierte die Airline 2009 auf ihren Flügen. Rein statistisch ist auf jedem Flug ein Arzt dabei. Damit Flugreisende bei Bedarf medizinisch versorgt werden können, gibt es in jedem Flugzeug speziell zugeschnittene Notfall-Sets. Je nach Flugzeuggröße und Anzahl der Passagiere stehen mindestens ein Notfall- bzw. Arztkoffer (Doctor’s-Kit), ein Erste-Hilfe-Koffer (First-Aid-Kit) und ein Medical-Kit zur Verfügung.
Doctors-Kit
Wie der Name schon sagt, ist der Gebrauch eines Doctor´s-Kit einem Arzt vorbehalten, da es auch verschreibungspflichtige Medikamente enthält. Zudem beinhaltet es verschiedene Sets: Das Diagnose-Set ist dazu gedacht, den Blutdruck oder Blutzuckerspiegel zu messen. (Diese Messgeräte dürfen auch geschulte Flugbegleiter benutzen.) Des Weiteren gibt es das Beatmungs-Set mit Intubationshilfen und Pumpen, das Katheter-Set und Infusions-Set mit sterilem Equipment sowie das Ampullarium, das sämtliche Injektionsarzneimittel zur Akutbehandlung mit Einmalspritzen und Kanülen sowie Desinfektionsmöglichkeiten enthält.
First-Aid-Kit
Wenn es aufgrund von Turbulenzen zu Brüchen oder Schnitten kommen sollte, ist das First-Aid-Kit die erste Wahl, um die Verletzungen von Passagieren zu behandeln. Enthalten sind unter anderem Verbandsmaterialien, Schienen und Rettungsdecken.
Medical-Kit
Bei klassischen Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen, Durchfall, Übelkeit oder Sodbrennen, helfen die Flugbegleiter mit dem Medical-Kit weiter.
Vom Boden in die Luft - Hilfe im Rettungshubschrauber
Insgesamt sind bei Passagierflügen eher selten Patienten an Bord, die dringend versorgt werden müssen. Die Hubschrauber der DRF (Deutsche Rettungsflugwacht Förderverein) Luftrettung hingegen sind fliegende Intensivstationen: Sie dienen allein dem Transport von Patienten und sind für deren medizinische Versorgung ausgerüstet. Die DRF Luftrettung betreibt 31 Stationen in Deutschland, Österreich und Dänemark. Die Besatzungen haben seit Start des Einsatzbetriebs im Jahr 1973 rund 700.000 Mal schnelle Hilfe geleistet.
Als eine der größten Luftrettungsorganisationen in Deutschland ist die DRF Luftrettung somit wichtiger Bestandteil des Rettungswesens. Ihre Hubschrauber kommen bei Notfällen - beispielsweise Verkehrsunfällen, Herzinfarkten und Vergiftungen - zum Einsatz oder werden für schnelle und schonende Transporte von Intensivpatienten zwischen Kliniken eingesetzt, etwa um einen Patienten zu einer Herzoperation in das für ihn geeignete Krankenhaus zu fliegen. Darüber hinaus werden spezielle Intensivtransporte mit mobilen Systemen an Bord durchgeführt, zum Beispiel für kritisch kranke Patienten mit akutem Atemnot-Syndrom (ARDS) oder Herz-Kreislauf-Versagen, die in Spezialkliniken behandelt werden müssen.
Vorhandene Notfallausstattung
Die medizinische Ausstattung der Luftfahrzeuge ist nach der Europäischen Norm 13718 vorgegeben. Grob kann diese in die drei Kategorien Medizingeräte, Verbrauchsmaterialien und Arzneimittel eingeordnet werden:
- Zu den Medizingeräten gehören beispielsweise ein 12-Kanal-EKG, ein Überwachungsmonitor, ein Beatmungsgerät und ein Sauerstoffmessgerät.
- Zu den Verbrauchsmaterialien zählen unter anderem Verbandsmaterialien wie Kompressen, Mullbinden und Leukoplast sowie Einmalspritzen, Kanülen, Schienungsmaterial und elektrische Wärmedecken.
- Arzneimittel liegen hauptsächlich in Ampullenform für einen schnellen Wirkungseintritt vor. Ebenso kommen Sprays bei Asthmatikern, allergischen Reaktionen oder Rauchgasvergiftungen zum Einsatz. Zudem sind stets zwei bis drei Notfallrucksäcke an Bord. Darunter befindet sich auch immer ein Kindernotfallrucksack, in dem die Arzneiwirkstoffe und Dosierungen speziell für Kinder geeignet sind. Außerdem befindet sich ein Set für Infektionstransporte an Bord, das unter anderem besondere Schutzkleidung enthält.
Medikamenteneinsatz
Christian Müller-Ramcke, der stellvertretende Fachbereichsleiter Medizin der DRF Luftrettung, überwacht den Medikamentenverbrauch aus wirtschaftlicher Sicht, um den Einkauf der Medikamente optimal steuern zu können. Die Zahlen belegen, dass unabhängig von der Diagnose nahezu jeder Patient einen Zugang und eine Infusion mit beispielsweise einer Kochsalz- oder Stärkelösung erhält. Am zweithäufigsten werden Schmerzmittel verabreicht, davon hauptsächlich Opiate. Zudem kommen Arzneimittel zur Wiederbelebung und Kreislaufstabilisierung sowie Medikamente zur Narkose-Einleitung (Sedativa oder Hypnotika) zur Anwendung.
Jede Luftrettungsstation hat ihr eigenes medizinisches Depot (Arzneimittelbevorratung). Mithilfe eines Warenwirtschaftssystems wird der Bestand turnusmäßig geprüft. In der Regel ist hierfür ein Rettungsassistent zuständig, bei Opiaten ein Arzt. Opiate unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz und damit sind ein spezieller Bestellprozess, eine besondere Lagerung, Dokumentation und Sorgfaltspflicht notwendig.
Medikamentenbeschaffung: Apotheken beliefern Stationen
Die benötigten Medikamente erhalten die einzelnen Luftrettungsstationen von Apotheken. In der Regel sind das Klinikapotheken, weil auch die Hubschrauber oftmals direkt an Kliniken stationiert sind und die Arzneimittelausstattung für Intensivstationen der Krankenhäuser und Rettungshubschrauber sehr ähnlich ist. Im Prinzip können aber auch andere niedergelassene Apotheken des gleichen Bundeslandes einen Arzneimittelversorgungsvertrag nach § 14 Apothekengesetz (ApoG) schließen.
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