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· Fachbeitrag · Arbeitsverträge/Urlaub

LAG Nürnberg: Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen gelten auch für Urlaubsersatzansprüche

von Rechtsanwalt Dr. Christian Schlottfeldt, Berlin

| Der Urlaubsersatz- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt als Schadenersatzanspruch arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen und kann somit verfallen. So sieht es jedenfalls das LAG Nürnberg. Die Konsequenzen für die betriebliche Praxis erläutert LGP, gerade auch im Hinblick auf die aktuell geäußerte Ansicht des Generalanwalts beim EuGH zum Urlaubsabgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. |

Arbeitnehmerin macht Urlaubsabgeltungsansprüche geltend

Im Fall vor dem LAG Nürnberg ging die Arbeitnehmerin knapp 1 Jahr nach der Kündigung ein neues Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber ein. Erst nach Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (hier: etwa 2 Jahre nach der Kündigung), in dem die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde, macht die Arbeitnehmerin Urlaubsabgeltungsansprüche geltend. Im Arbeitsvertrag war eine 3-monatige Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen vereinbart.

 

Sicht der Arbeitnehmerin: Urlaubsanspruch nicht verfallen

Die Arbeitnehmerin begründete ihre Klage unter anderem damit, dass der Arbeitgeber von sich aus den bestehenden und zwischenzeitlich neu entstandenen Urlaub hätte festlegen müssen und dass der Urlaubsanspruch, weil der Arbeitgeber das nicht getan habe, nicht verfallen sei. Die Arbeitnehmerin verwies in diesem Zusammenhang auf das beim EuGH anhängige Verfahren zur Frage, ob der dem Arbeitnehmer zustehende Urlaub auch dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat und der Arbeitgeber auch von sich aus den Urlaub nicht festgelegt hat.

 

Sicht des Generalanwalt beim EuGH: „Initiativlast“ des Arbeitgebers

Der Generalanwalt beim EuGH vertritt die Ansicht, dass ein Arbeitnehmer, der während des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub beantragt hat, nicht automatisch einen Urlaubsabgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert. Der Arbeitgeber müsse vielmehr nachweisen, dass er dem Arbeitnehmer die Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ermöglicht und der Arbeitnehmer aus freien Stücken darauf verzichtet hätte. Insbesondere müsse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer rechtzeitig und klar mitteilen, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht tatsächlich nähme, möglicherweise am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfalle (Generalanwalt, Schlussanträge, Rs. C 619/16, C 684/16, Abruf-Nrn. 202099 und 202100).

LAG: Ausschlussfrist blockiert Ansprüche

Die Klage der Arbeitnehmerin scheiterte bereits an der 3-monatigen Ausschlussfrist. Nach Ansicht des LAG Nürnberg kam es daher nicht auf die dem EuGH vorliegende Frage an, ob der Arbeitgeber den Urlaub eines Arbeitnehmers, der keinen Urlaubsantrag stellt, von sich aus festlegen muss. Aber selbst bei Annahme einer solchen „Initiativlast“ des Arbeitgebers hätte die Arbeitnehmerin ihren Schadenersatzanspruch, der auf Gewährung von Ersatzurlaub gerichtet ist, rechtzeitig geltend machen müssen. Das hat sie nicht getan (LAG Nürnberg, Urteil vom 28.09.2017, Az. 5 Sa 133/17, Abruf-Nr. 200292, rechtskräftig).

 

  • Jeweils mit Ende des Urlaubsjahrs (31.12.) wäre der zu dem Zeitpunkt bestehende Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen.
  • Statt dessen wäre ein Schadenersatzanspruch auf ersatzweise Urlaubsgewährung entstanden.
  • Diesen Anspruch hätte die Arbeitnehmerin innerhalb der 3-monatigen Ausschlussfrist geltend machen müssen. Das hat sie nicht getan.
  • Auch die Erhebung der Kündigungsschutzklage könne nicht als Geltendmachung für Urlaubs- oder Urlaubsersatzansprüche angesehen werden.

Konsequenzen für die betriebliche Praxis

Arbeitgeber müssen wissen: Auch der gekündigte Arbeitnehmer behält nicht nur bereits erworbene Urlaubsansprüche. Er erwirbt ggf. während des Schwebezustands bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung oder anderweitigen Erledigung der Kündigungsfrage auch neue Ansprüche.

 

PRAXISTIPP | Arbeitgeber sollten 2-stufig vorgehen, wenn sie wie im LAG-Fall vom Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses ausgehen:

  • Sie sollten darauf achten, dass die Urlaubsansprüche für das Urlaubsjahr, in dem die Kündigung erfolgt, weitestmöglich durch Freistellung bis zum Wirksamwerden der Kündigung abgebaut werden.
  • Für verbleibende und neu entstehende Ansprüche könnten Arbeitgeber eine für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung hilfsweise Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub erklären. Dabei sollte der Vorbehalt (Unwirksamkeit der Kündigung) klar zum Ausdruck kommen. Der Arbeitgeber verschlechtert seine Rechtsposition im Kündigungsschutzverfahren damit nicht.
 

Das LAG geht davon aus, dass auch bei Annahme einer „Initiativlast“ des Arbeitgebers zur Gewährung des Urlaubs Ansprüche mit Ende des Urlaubsjahres verfallen. Genau das könnte aber die „Sollbruchstelle“ sein.

 

Denn wenn der EuGH, dem Generalanwalt folgend, eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers bejaht, dürfte fraglich sein, ob ein Urlaubsverfall tatsächlich mit Ende des Kalenderjahrs eintritt oder ob dies erst 15 Monate später oder überhaupt nicht der Fall ist. Letzteres hat der EuGH in der King-Entscheidung im Fall der Nichtgewährung des Urlaubs über eine Dauer von 10 Jahren angenommen (EuGH, Urteil vom 29.11.2017, Rs. C-214/16 Abruf-Nr. 198361). Das LAG Nürnberg konnte sich mit dem EuGH-Urteil im September 2017 noch nicht auseinandersetzen, sodass sich ‒ wie so oft im Urlaubsrecht ‒ wieder einmal alle Augen auf den EuGH richten, wie er in der Rs. C 619/16 und C 684/16 entscheiden wird.

Quelle: Seite 142 | ID 45344728