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· Fachbeitrag · Arbeitsunfähigkeit

ArbN bei „Arbeitsfähigkeit“ in der Beweispflicht

| Der ArbN muss die Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG darlegen und beweisen. Ihn trifft, sofern bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit ein erneuter Anspruch geltend gemacht wird, auch die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit und eine zwischenzeitliche Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. Das Risiko, nicht mehr feststellen zu können, ob eine neue Erkrankung bereits während einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, trifft ihn ebenfalls. |

 

Sachverhalt

Der 63-jährige ArbN war von 1978 bis Ende November 2015 als Rohrnetzmonteur beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt etwa 3.560 EUR. Nach Abschluss eines Vergleichs am 17.12.14 leistete der ArbN bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.11.15 noch vier Tage seine Arbeit.

 

Am 3.7.15 bescheinigte der Hausarzt dem ArbN, dass eine Arbeitsunfähigkeit für den 3.7.15 bestehe. Dieser Bescheinigung waren diverse Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) in ununterbrochener Folge bis zum 3.7.15 vorausgegangen. Für das darauffolgende Wochenende (Samstag, den 4.7., und Sonntag, den 5.7.15) lag keine AUB vor. Am Montag, den 6.7.15, stellte der Hausarzt dem ArbN eine erneute AUB als Erstbescheinigung aus, zunächst bis einschließlich 17.7.15, später verlängert bis einschließlich 31.7.15.

 

Der ArbN verlangte vom ArbG Entgeltfortzahlung ab dem 6.7.15. Er war der Ansicht, die bisherige Arbeitsunfähigkeit sei mit dem 3.7.15 beendet gewesen und er sei ab dem 6.7.15 aufgrund einer anderen Erkrankung als zuvor arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankenkasse des ArbN teilte dazu dem ArbG mit: „Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang der Arbeitsunfähigkeit vom 16.4.15 bis zum 3.7.15 mit der aktuellen Erkrankung vom 3.8.15. Somit ist dieser Zeitraum eine anrechenbare Vorerkrankung und die Entgeltfortzahlung endete am 2.8.15.“

 

Der ArbG meint, es läge eine Fortsetzungserkrankung vor. Der ArbN habe zu keinem Zeitpunkt seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, insbesondere nicht am Wochenende nach dem 3.7.15.

 

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Es ging nach einer Beweisaufnahme durch den Hausarzt davon aus, dass keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des ArbG vor dem LAG Köln war erfolgreich (15.11.16, 12 Sa 453/16, Abruf-Nr. 192564). Die 12. Kammer führte aus, der ArbN habe für den fraglichen Zeitraum vom 6.7. bis zum 31.7.15 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG.

 

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG sei der Anspruch des ArbN auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf sechs Wochen beschränkt. Dieser Zeitraum sei ab dem 6.7.15 abgelaufen gewesen. Allerdings entstehe ein neuer Anspruch von erneut sechs Wochen, wenn der ArbN nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird und die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht. Dies gelte jedoch nicht, wenn es sich bei der neuen Erkrankung um eine Fortsetzung der früheren Erkrankung handele, die auf demselben nicht behobenen Grundleiden beruhe.

 

Darüber hinaus sei nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG auch dann auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftrete, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe (BAG 25.5.16, 5 AZR 318/15). Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein ArbN, der bereits arbeitsunfähig erkrankt sei und dessen Entgeltfortzahlungsanspruch nach sechs Wochen auslaufe, besser gestellt werden solle, nur weil eine weitere Erkrankung hinzutrete. Insofern entstehe ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet gewesen sei, in dem die weitere Erkrankung zur erneuten Arbeitsverhinderung führe. Dies sei anzunehmen, wenn der ArbN zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet habe oder arbeitsfähig gewesen sei ‒ auch nur für wenige Stunden außerhalb der Arbeitszeit. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG trage der ArbN.

 

Relevanz für die Praxis

Grundsätzlich kann sich der ArbN zunächst auf die ärztliche AUB stützen, um den Beginn und das Ende der auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit zu beweisen und darzulegen. Bringt der ArbG aber wichtige Indizien dafür, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat und zu einer Krankheit hinzugetreten ist, wegen derer der ArbN bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, muss der ArbN den von ihm behaupteten Beginn der „neuen“ krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung. Ergibt sich jedoch auch nach der Vernehmung des behandelnden Arztes eine non-liquet-Situation, geht dies aufgrund der Beweislastverteilung letztlich zulasten des ArbN.

 

Im vorliegenden Fall war dem ArbN der Beweis der wiedererlangten Arbeitsfähigkeit für den 4.7 und 5.7.15 nicht durch die Vernehmung des Hausarztes gelungen. Auch gab es keine Anhaltspunkte für einen verbesserten Gesundheitszustand. Vielmehr sei von einem durchgehenden Krankheitsbild auszugehen gewesen, so die Kammer.

 

Weiterführende Hinweise

  • Häufige Kurzerkrankungen sind nicht automatisch ein Kündigungsgrund: LAG Mecklenburg-Vorpommern in AA 17, 189
  • Kein Ausgleich der Überstunden bei Krankheit während der Freistellung: LAG Rheinland-Pfalz in AA 16, 194
Quelle: Seite 205 | ID 45011652