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· Fachbeitrag · Arbeitsrecht

Änderungen beim Mutterschutz: Diese Regelungen gelten seit dem 01.01.2018

von Dr. Guido Mareck, stellv. Direktor am Arbeitsgericht Dortmund

| Durch die Reform des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) gelten seit dem 01.01.2018 für werdende Mütter als Arbeitnehmerinnen (ArbN) zusätzliche Regelungen: Seither profitieren mehr Frauen vom Mutterschutz, zudem wird der mutterschutzrechtliche Arbeitsschutz verstärkt. PP erläutert die wichtigsten Änderungen. |

Diese Ausnahmen gelten schon seit Ende Mai 2017

Folgende Regelungen zur verlängerten Schutzfrist nach der Geburt eines behinderten Kindes und zum Kündigungsschutz nach einer Fehlgeburt sind schon seit Ende Mai 2017 in Kraft (PP 12/2017, Seite 16):

 

  • Mütter von Kindern mit Behinderung werden künftig vier Wochen länger ‒ und damit insgesamt zwölf Wochen ‒ Mutterschutz nach der Geburt erhalten, um sich um ihre Kinder zu kümmern.
  • Zudem wird ein Kündigungsschutz für Frauen nach einer nach der zwölften Schwangerschaftswoche erfolgten Fehlgeburt neu eingeführt.

Dieser Personenkreis profitiert von den Änderungen

Die Änderungen des MuSchG weiten in erster Linie den geschützten Personenkreis aus.

 

  • Welche Frauen sind vom neuen MuSchG betroffen?

Frauen in betrieblicher Berufsbildung und Praktikantinnen nach § 26 BBiG

ja

Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind

ja

Frauen, die als Entwicklungshelferinnen tätig sind

ja

Frauen, die als Freiwillige nach dem BFDG beschäftigt sind

ja

Frauen, die als Mitglieder einer geistlichen Genossenschaft, als Diakonissen oder Angehörige einer ähnlichen Gemeinschaft auf einer Planstelle oder aufgrund eines Gestellungsvertrags für diese tätig werden, auch während der Zeit ihrer dortigen außerschulischen Ausbildung sowie Frauen, die in Heimarbeit beschäftigt sind

ja

Arbeitnehmerähnliche Selbstständige (zu solchen Arbeitsverhältnissen in der Physiopraxis siehe PP 09/2017, Seite 16 und PP 08/2017, Seite 14)

ja

Schülerinnen und Studentinnen dann, wenn die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt oder die Schülerinnen oder Studentinnen im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung ein verpflichtend vorgegebenes Praktikum ableisten

ja

Beamtinnen und Richterinnen (es gelten gesonderte Verordnungen)

nein

Soldatinnen

nein

 

 

Bisher betraf das MuSchG Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit tätig sind. Zukünftig fallen auch Frauen darunter, die in unterschiedlichen Vertragskonstellationen zu Arbeitgebern (ArbG) oder Auftraggebern stehen. Zudem betreffen die neuen Vorschriften auch Einrichtungen und Institutionen, die keine ArbN beschäftigen, aber in Rechtsbeziehungen zu „Nicht-ArbN“ stehen ‒ soweit diese im neuen MuSchG aufgeführt sind.

Lockerungen beim Verbot der Sonntags- und Nachtarbeit

Früher wurden vor allem gegenüber schwangeren Ärztinnen häufig Arbeitsverbote ausgesprochen, obwohl diese arbeiten wollten. Das soll es künftig nicht mehr geben. Auch die Möglichkeit der Sonntags- und Feiertagsarbeit soll erweitert werden, wenn die Schwangere das möchte. Dem Familienministerium zufolge wird für die Arbeit nach 20 Uhr bis 22 Uhr ein behördliches Genehmigungsverfahren eingeführt. U. a. muss die Frau sich ausdrücklich bereit- -erklären, nach 20 Uhr zu arbeiten. Während die Behörde den vollständigen Antrag prüft, kann der ArbG die Frau grundsätzlich weiterbeschäftigen. Lehnt die Behörde den Antrag nicht binnen sechs Wochen ab, gilt er als genehmigt.

Die neuen ArbG-Pflichten

Die bisher in der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) geregelten ArbG-Pflichten, wie der Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen ausgestaltet sind, sollen künftig im MuSchG selbst zu finden sein. Danach sollen Beschäftigungsverbote aus betrieblichen Gründen nur noch ausgesprochen werden können, wenn alle anderen Maßnahmen versagen. Der Gesetzgeber setzt hierfür Kernwörter ein, so zum Beispiel die Vermeidung „unverantwortbarer Gefährdungen“. Für den ArbG bedeutet dies, dass er zunächst verpflichtet werden soll, jeden konkreten Arbeitsplatz hinsichtlich des Vorliegens „unverantwortbarer Gefährdungen“ einzuschätzen.

 

  • Auszug aus § 9 MuschG (unverantwortbare Gefährdung)
  • (1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 9 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, ist der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden.
  •  
  • (2) Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.
 

 

Da der Gefährdungsbegriff im Arbeitsschutz so bisher unbekannt war, sollen die Empfehlungen von der Bundesregierung im Einvernehmen mit den Bundesländern erarbeitet werden. Diese sollen Vollzugsbehörden und ArbG die Umsetzung erleichtern und mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verfügung stehen.

 

  • Prüfung von Schutzmaßnahmen in drei Schritten
  • 1. Die Arbeitsbedingungen sind durch geeignete Schutzmaßnahmen umzugestalten.
  • 2. Wenn dieses nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, muss die Schwangere an einem anderen geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz eingesetzt werden.
  • 3. Erst wenn alle zwingend vorzunehmenden Maßnahmen nicht möglich sind, greift das betriebliche Beschäftigungsverbot.
 

Zuschüsse und Engeltfortzahlung: Regelungen gelten weiter

Zuschusspflicht und Entgeltfortzahlung bleiben gleich. So wie es derzeit aussieht, bleiben die Kernbereiche Zuschusspflicht zum Mutterschaftsgeld in den Schutzfristen vor und nach der Geburt sowie die Entgeltfortzahlung während eines Beschäftigungsverbots unverändert. Auch das System der Rückerstattungen dieser Aufwendungen durch das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG-Umlageverfahren, PP 09/2014, Seite 16) bleibt, wie es ist.

 

Checkliste / Beschäftigungsverbote bei Schwangeren

  • Liegt ein Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme über den voraussichtlichen Entbindungstermin gegen Kostenübernahme vor?
  • Schwangerschaft der Aufsichtsbehörde melden. Die staatlichen Aufsichtsbehörden haben in den Bundesländern unterschiedliche Namen: Gewerbeaufsicht, Amt für Arbeitsschutz oder Umweltamt etc. Namen und Kontaktadressen finden Sie zum Beispiel auf der Internetseite der Landesregierung oder des Landesministeriums für Arbeit, Familie und Soziales.
  • Wurde eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt? Hier müssen die Mitarbeiterin und auch der Betriebsrat informiert werden.
  • Arbeitsplatz und -bedingungen checken. Notfalls müssen diese angepasst und geändert werden. Gegebenenfalls kommt auch ein anderer Arbeitsplatz in Betracht. Schwangere gegebenenfalls von der Arbeit freistellen.
  • Beschäftigungsverbote beachten!
  • Schutzfristen anhand des voraussichtlichen Entbindungstermins herausfinden.
  • Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld abrechnen.
  • Erstattung im U2-Verfahren beantragen.
  • Aushangpflicht bei MuSchG beachten.
 

Weiterführende Hinweise

  • „Krankschreibung oder individuelles Beschäftigungsverbot? Kein Wahlrecht für schwangere Mitarbeiterinnen!“ (PP 06/2017, Seite 1)
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Leitfaden zum Mutterschutz, als PDF online unter https://tinyurl.com/y6vzn2f8
Quelle: Seite 12 | ID 45093048