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· Fachbeitrag · Arbeitnehmerentsendung

Wachsende Herausforderungen durch neue Compliance-Anforderungen bei Entsendungen

von RA Roland Falder, FA für Arbeitsrecht, München; RA Dr. Constantin Frank-Fahle, LL.M., Abu Dhabi

| Arbeitnehmerentsendungen erfreuen sich in einer zunehmend globalisierten Welt nach wie vor großer Beliebtheit. Entsandte Arbeitnehmer bewegen sich dabei im Spannungsfeld zwischen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen sowohl ihrem entsendenden Unternehmen als auch dem lokalen Arbeitgeber gegenüber. Bereits im Vorfeld der Entsendung sind daher umfangreiche Regelungen zu treffen, um Loyalitätskonflikte zu vermeiden und den Arbeitnehmer umfassend zu schützen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die damit verbundenen Herausforderungen unter dem Gesichtspunkt neuer Compliance-Anforderungen. |

1. Ausgangsüberlegungen

Entsendungen von Arbeitnehmern in das Ausland sind in der exportorientierten deutschen Wirtschaft nach wie vor an der Tagesordnung. Dies stellt Unternehmen und Mitarbeiter in einem zunehmend regulierten Umfeld vor wachsende Herausforderungen. Insbesondere dort, wo meist aus aufenthaltsrechtlichen Gründen, zum Teil aber auch aus gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen die Notwendigkeit besteht, zusätzlich zu dem heimischen Arbeitsvertrag (und einer Zusatzvereinbarung zur Entsendung) einen lokalen Arbeitsvertrag abzuschließen, entstehen Konfliktlagen. Wenn die Interessen der Beteiligten im In- und Ausland divergieren oder zwingende Gesetzesregelungen des Einsatzlandes entscheidend von den deutschen Vorschriften abweichen, können Arbeitnehmer in Zwangslagen geraten.

 

Dabei sind im Wesentlichen zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Zum einen geht es um Loyalitätskonflikte resultierend aus einer Mehrzahl von Arbeitgebern und deren unterschiedlichen Interessen. Zum anderen handelt es sich um das rechtliche Spannungsfeld, das aus der Anwendung (mindestens) zweier unterschiedlicher Rechtsordnungen auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt (die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Ausland) resultiert.

 

Aus Sicht des deutschen Arbeitgebers stellt sich die Frage, wie weit seine Fürsorgepflicht reicht. Fraglich ist insbesondere, wie den beschriebenen potenziellen Konfliktlagen im Wege der Vertragsgestaltung sowie der angemessenen Vorbereitung und Betreuung eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers Rechnung getragen werden kann.

2. Compliance-Anforderungen

2.1 Fürsorgepflicht des deutschen Arbeitgebers bei Auslandsentsendungen

Die Grenzen der Fürsorgepflicht des deutschen Arbeitgebers während eines Auslandsaufenthaltes sind in der arbeitsrechtlichen Literatur zu Recht als „rechtliche Grauzone“ bezeichnet worden. In der Praxis werden durch eine Mischung aus Versicherungsleistungen und Arbeitgeberentschädigungen materielle Nachteile des Arbeitnehmers (einschließlich Schäden an der Gesundheit) ausgeglichen, ohne dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Dennoch ist die Frage nicht obsolet und sie wird sich mit neuen Compliance-Anforderungen in verschiedenen Teilen der Welt künftig auch verstärkt stellen.

 

MERKE | Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird aus § 241 Abs. 2 BGB hergeleitet und verpflichtet zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Es handelt sich um Nebenpflichten des Arbeitsverhältnisses, die im Übrigen auch dann bestehen bleiben, wenn ‒ z. B. im Rahmen eines vereinbarten Ruhens des deutschen (Haupt-)Arbeitsverhältnisses ‒ die beiderseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert wurden.

 

Für die Fürsorgepflicht des deutschen Arbeitgebers sind die Regelungen des Internationalen Privatrechts (IPR-Regelungen), insbesondere im Hinblick auf die arbeitsvertragliche Haftung, wichtig. Bei einer vorübergehenden Entsendung, gleich welcher Dauer, wird es in aller Regel so sein, dass das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes und damit deutsches Recht Anwendung findet. Dies bedeutet, dass bei einer Verletzung der Fürsorgepflichten und einer Schädigung des Arbeitnehmers eine Haftung des deutschen Arbeitgebers ausgelöst wird. In diesem Zusammenhang gilt die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens des Arbeitnehmers. Insofern trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass ein Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten bzw. ordnungsgemäßer Belehrung eingetreten wäre.

 

Beachten Sie | Der Arbeitgeber haftet hinsichtlich der Beauftragung anderer Arbeitnehmer oder Dienstleister nach § 278 BGB für deren Verschulden. Zwar wird in der Regel ein Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB zu berücksichtigen sein, jedoch sind die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anzuwenden, die bei einem Auslandseinsatz oft dazu führen, dass der Arbeitnehmer bei jedenfalls leichter Fahrlässigkeit keiner persönlichen Haftung unterliegt. Im Übrigen ist unbestritten, dass in einen fremden Rechts- und Kulturkreis entsandte Mitarbeiter besonders schützenswert sind.

 

Es ist eine Abwägung im Einzelfall, ob sich der deutsche Arbeitgeber im Schadensfall darauf berufen kann, dass es sich um die Realisierung von privaten Lebensrisiken handelt. Tatsächlich gehen die Fürsorgepflichten umso weiter, je fremder der Arbeitsort hinsichtlich seiner politischen und kulturell-religiösen Prägung ist. In vielen Staaten genügt schon eine kritische Äußerung über ein Staatsoberhaupt oder das politische System, um strafrechtliche Konsequenzen auszulösen. Eine bislang unbeantwortete Frage ist insoweit, ob Äußerungen des Mitarbeiters in sozialen Medien dazu führen, dass der Arbeitgeber aus seiner Fürsorgepflicht heraus den Arbeitnehmer erst gar nicht entsenden darf oder ihn schnellstmöglich zurückbeordern muss.

 

  • Beispiel 1

Ein in den USA tätiger Chinese wurde Anfang 2020 nach seiner Rückkehr in China verhaftet, weil er in einer Twitter-Nachricht eine Karikatur des chinesischen Staatschefs verwendete, in der dieser ähnlich einem bekannten (Comic)-Verbrecherboss dargestellt wurde. Ähnliches ist aus Thailand im Hinblick auf (gesetzlich unter Strafe gestellte) Kritik am Königshaus bekannt. Auch aus Saudi-Arabien ist die strafrechtliche Verfolgung wegen (privater) Blogbeiträge kritischen Inhalts (über das Königshaus) bekannt.

 

Dem deutschen Arbeitgeber eines Entsandten wird dabei nicht helfen, dass der lokale Arbeitsvertrag für den ausländischen Arbeitgeber auch Fürsorgepflichten entfaltet. Ein Vertrauen des deutschen Arbeitgebers in eine hinreichende Aufklärung des Arbeitnehmers durch den lokalen Arbeitgeber wird zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Fürsorgepflicht nicht genügen. Ohnehin ist regelmäßig unbekannt, welche Fürsorgepflichten nach ausländischem Recht bestehen und die Grenzen zwingenden ausländischen Rechts können nicht verdrängt werden.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Fürsorgepflicht des entsendenden Arbeitgebers oft weitergehende Maßnahmen als in der Heimat erfordert und sich sowohl auf die Vertragspraxis als auch die praktische Handhabung der Entsendung auswirkt.

 

2.2 Loyalitätskonflikte

Auslandsentsendungen, insbesondere zu einem Joint Venture mit einer lokalen Firma oder zu einer Auslandsgesellschaft, bei denen (auch) ein ausländischer Gesellschafter beteiligt ist, führen in der Praxis häufig zu Loyalitätskonflikten. Regelmäßig wird das entsendende Unternehmen daran interessiert sein, Berichte über die Entwicklung des Geschäfts im Einsatzland zu bekommen. Dabei verlässt sich das deutsche Unternehmen auf den Entsandten als seinen Interessenvertreter. Oftmals bleibt dabei außer Acht, dass der Entsandte auch im Rahmen seines lokalen Anstellungsvertrages Loyalitätsverpflichtungen gegenüber dem Joint-Venture-Partner bzw. Gesellschafter hat. Insbesondere dann, wenn der Entsandte in verantwortungsvoller Position, also etwa als Geschäftsführer des Joint Ventures, eingesetzt ist, bestehen gesellschaftsrechtlich auch Berichts-, Informations- und Interessenwahrungsverpflichtungen gegenüber der lokalen Gesellschaft. Dabei müssen die Interessen der lokalen Gesellschaft nicht immer identisch sein mit denjenigen des ausländischen Unternehmens. Da aber niemand gleichzeitig zwei „Herren“ dienen kann, besteht so ein evidenter Loyalitätskonflikt, der gelöst werden muss.

 

  • Beispiel 2

Mitarbeiter A wird von der deutschen Spezialmaschinen GmbH für die Dauer von zwei Jahren in ein Joint Venture (Special Machines Middle East LLC) zwischen der Spezialmaschinen GmbH und einem emiratischen Konglomerat (Almanara LLC) nach Abu Dhabi entsandt. In der Entsendungsvereinbarung verpflichtet er sich dazu, über seine Tätigkeiten in der Special Machines Middle East LLC an die Spezialmaschinen GmbH zu berichten. Da der Mitarbeiter einen lokalen Arbeitsvertrag abschließt, unterliegt er (auch) emiratischem Arbeitsrecht.

 

Erfüllt der Mitarbeiter A seine Verpflichtungen aus der Entsendungsvereinbarung, läuft er Gefahr, dass der Arbeitgeber im Gaststaat, die Almanara LLC, das Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitsgesetz der VAE (Art. 120 Nr. 7 UAE Federal Law No. 8/1980) kündigt. Je nachdem, wie ausgeprägt die Entscheidungsrechte der Spezialmaschinen GmbH im Joint Venture sind, besteht möglicherweise keine Einflussmöglichkeit auf die Kündigungsentscheidung. In strafrechtlicher Hinsicht kann die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowohl in der Gast- als auch in der Heimatjurisdiktion Konsequenzen entfalten:

 

  • Legt der Mitarbeiter im o. g. Beispiel der Spezialmaschinen GmbH bestimmte Informationen aus seiner Tätigkeit im Joint Venture offen, besteht das Risiko einer Strafbarkeit nach Art. 379 des VAE-Strafgesetzbuches (Federal Law No. 3/1987).

 

  • Im Übrigen können gemäß § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) unter Umständen Geld- und Freiheitsstrafen drohen, soweit es sich bei den Informationen um Geschäftsgeheimnisse im Sinne des Gesetzes handelt.

 

  • Daneben steht eine potenzielle Strafbarkeit nach § 203 StGB unter dem Aspekt eines Geheimnisverrats im Raum.

 

Nicht nur die Definition des Geschäftsgeheimnisses kann in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich sein. Noch wichtiger für den entsandten Mitarbeiter ist die Frage, wem gegenüber er welches Geschäftsgeheimnis zu wahren hat. So wäre es denkbar, dass die Wahrung eines Geschäftsgeheimnisses des Joint Ventures bzw. Joint-Venture-Partners gegenüber dem deutschen Unternehmen den bestehenden Berichtspflichten widerspricht. Eine Offenbarung des Geschäftsgeheimnisses könnte jedoch nicht nur den Interessen des Joint-Venture-Partners im Ausland widersprechen, sondern sogar erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben.

 

PRAXISTIPP | Die Definitionen des Geschäftsgeheimnisses nach deutschem Recht (Geschäftsgeheimnisgesetz) und ausländischem Recht müssen abgeglichen und eine gemeinsame Definition entwickelt werden. Noch wichtiger ist indes, zwischen den beiden beteiligten Unternehmen zu klären, was der jeweilige Geschäftspartner als Geschäftsgeheimnis geschützt wissen will. Die entsprechenden Geschäftsgeheimnisse sind so genau wie möglich zu umschreiben, in den Mitarbeiterverträgen (deutscher Arbeitsvertrag/Entsendungsvereinbarung und lokaler Arbeitsvertrag) ist der Mitarbeiter ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Geschäftsgeheimnisse beider Unternehmen nach der gemeinsam vorgenommenen Definition zu verpflichten.

 

Ähnliches gilt auch im Bereich der Wettbewerbsverbote. Die Wettbewerber des entsendenden Unternehmens und des Joint Ventures können aufgrund der unterschiedlichen Märkte ganz andere sein. Auch in diesem Fall ist für den entsandten Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung, dass er genau weiß, welche Regeln er einzuhalten hat.

 

Ungeachtet der Anwendbarkeit zwingenden staatlichen Rechts im Einsatzstaat wird es in allen vorgenannten Bereichen entscheidend auf die vertraglichen Vereinbarungen aller beteiligten Parteien ankommen. So ist es dringend erforderlich und empfehlenswert, sowohl in der Entsendungsvereinbarung als auch im lokalen Arbeitsvertrag klare und handhabbare Regelungen zu treffen, die sich nicht widersprechen. Des Weiteren müssen die Regelungen den lokalen (und im Zweifel auch extraterritorial anwendbaren deutschen) Gesetzen entsprechen. Hierzu wird es unerlässlich sein, in den Vertrag zwischen den beiden beteiligten Unternehmen, sei es die Joint-Venture-Vereinbarung, der Gesellschaftsvertrag und/oder die Vereinbarung über den Einsatz des aus Deutschland entsandten Mitarbeiters, klare Abgrenzungsregelungen zu installieren.

 

2.3 Rechtskonflikte

Rechtliche Konflikte, in denen sich der entsandte Mitarbeiter befinden kann, resultieren zum Teil aus vertraglichen Vorgaben eines oder gar beider Arbeitgeber, aber auch aus verbindlichen öffentlich-rechtlichen und gegebenenfalls sogar strafrechtlichen Regelungen des Einsatzlandes.

 

In die erstere Fallkategorie fallen Bindungen des Arbeitnehmers an unternehmenseinheitliche Regelungen, wie ein für das Arbeitsverhältnis vereinbarter „Code of Conduct“. Selbst wenn im lokalen Unternehmen ein solches Regelwerk nicht existieren sollte, kann allein der Inhalt einer deutschen Verhaltensrichtlinie, wie er immer mehr zum Standard der Unternehmenspraxis wird, Probleme hervorrufen. Regelmäßig finden sich in derartigen, zum Teil sehr allgemein formulierten Regelwerken scheinbar unverfängliche Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte einschließlich der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Religionsfreiheit, der sexuellen Orientierung und der politischen Einstellung. Derartige Regelungen können elementar zwingenden Bestimmungen oder kulturellen Beschränkungen im Einsatzland widersprechen. Insoweit sei an die keinesfalls in allen Staaten bestehende Religionsfreiheit, das Verbot der Kritik an der politisch machthabenden Partei in vielen Ländern der Welt, die Geschlechterbenachteiligung und das strafrechtlich bewährte Verbot homosexueller Handlungen in zahlreichen Staaten gedacht. Fraglich ist, wie sich ein entsandter Arbeitnehmer, der einerseits an den „Code of Conduct“ des Heimatunternehmens gebunden ist, andererseits im Einsatzland rechtskonform tätig werden muss, verhalten soll.

 

  • Beispiel 3

Der „Code of Conduct“ des entsendenden Unternehmens enthält u. a. die Verpflichtung, keinerlei diskriminierendes Verhalten gegenüber Mitarbeitern oder Bewerbern aufgrund der ethnischen Herkunft, der Nationalität, des Geschlechts, der Schwangerschaft oder Elternschaft, des Familienstandes, des Alters, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder aus anderen unter das Diskriminierungsverbot fallenden Gründen zu dulden. Mitarbeiter M ist in die Vertriebsorganisation in den Iran entsandt. Dort ist Homosexualität nicht nur illegal, sondern es droht sogar die Todesstrafe. Mitarbeiter M wird angewiesen, einen (angeblich) homosexuellen Mitarbeiter anzuzeigen. Er steht auf dem Standpunkt, das entsendende Unternehmen müsste sich aufgrund der eigenen Verhaltensrichtlinien auch im Iran schützend vor ihn stellen.

 

Das Beispiel zeigt, dass nicht nur mit hinreichender Sensibilität vorgegangen werden muss, auch ist bei der Formulierung weltweit gültiger Verhaltensrichtlinien sowie entsprechender vertraglicher Vereinbarungen mit entsandten Mitarbeitern darauf zu achten, dass den lokal geltenden Gesetzen, gleich ob man sie befürwortet oder nicht, Geltung zu verschaffen ist.

 

Beachten Sie | Die Antwort an dieser Stelle ist hierzulande reichlich unpopulär, aber es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass sich ein entsandter Mitarbeiter vorrangig an die lokalen kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten anpassen muss. Dem Entsandten hieraus einen Vorwurf zu machen oder ihm gar eine Vertragsverletzung vorzuwerfen, erscheint unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers unangemessen und nicht durchsetzbar.

 

Weitere Probleme ergeben sich durch divergierende, jedoch den extraterritorialen Geltungsbereich beanspruchende Regelungen, die insbesondere im Datenschutz üblich sind. Sowohl die Datenschutzgrundverordnung als auch der US-amerikanische Cloud Act und das Cyber Security Law in China beanspruchen weltweite Gültigkeit. Hier ist es für einen einzelnen Arbeitnehmer geradezu ein Ding der Unmöglichkeit, ohne klare Handreichung der beteiligten Unternehmen rechtskonform arbeiten zu können.

 

MERKE | Die Datenschutzgrundverordnung macht die Übermittlung personenbezogener Daten in das Nicht-EU-Ausland davon abhängig, ob ein hinreichender gleichwertiger Schutz persönlicher Daten besteht. Der US Cloud Act verlangt von Unternehmen, Daten, auf die das Unternehmen ‒ gleich auf welchem Server weltweit sie sich befinden ‒ Zugriff hat, auf Anforderung amerikanischer Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen. Das chinesische Cyber Security Law verlangt, personenbezogene Daten, die sich auf chinesische Unternehmen und dortige Mitarbeiter beziehen, ausschließlich auf chinesischen Servern zu speichern. Zudem enthält das Gesetz das ausdrückliche Verbot, „sensible“ Personendaten oder Daten, die Geschäfts- oder Staatsgeheimnisse betreffen, ohne staatliche Zustimmung in das Ausland zu transferieren.

 
  • Beispiel 4

Die deutsche A-GmbH, ein Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns, betreibt seinerseits Tochtergesellschaften in China. Dort ist Mitarbeiter M tätig. Er wird von der entsendenden A-GmbH aufgefordert, die Personaldaten der in China tätigen Mitarbeiter an die Zentrale in den USA zu übermitteln, da man dort eine Jobdatenbank einrichten will.

 

Ein Mitarbeiter, der eine derartige Anweisung von seinem Vertragsarbeitgeber in Deutschland erhält, befindet sich in einer erheblichen Zwangslage. Er hat einerseits der Anweisung zu folgen, andererseits besteht die erhebliche Gefahr, nicht nur lokale Rechtsvorschriften, sondern auch extraterritorial geltende europäische und amerikanische Datenschutzvorschriften zu verletzen. Hier ist es evident, dass international agierende Unternehmen über eine Datenschutzrichtlinie verfügen müssen, die sämtliche Rechtsordnungen analysiert und adäquate Lösungen bereithält. Den Mitarbeitern muss eine klare Handlungsanweisung an die Hand gegeben werden.

 

Letztlich zeigen diese bereits wenigen beispielhaften Ausführungen, wie wichtig aus Sicht des deutschen entsendenden Unternehmens klare Regeln für den Auslandseinsatz von Mitarbeitern sind. Viele große internationale Konzerne verfügen demgemäß über ein detailliertes Regelwerk für Auslandsentsendungen. Gerade im Bereich des Mittelstandes kleinerer und mittlerer Unternehmen der Exportwirtschaft ist dies jedoch bislang oft nicht der Fall.

 

Allerdings werden eine bloße schriftliche Unterrichtung und ein Hinweis darauf, sich doch bitte gründlich zu erkundigen und stets auf dem Laufenden zu halten, nicht ausreichen, um der Fürsorgepflicht des deutschen Arbeitgebers zu genügen. Tatsächlich wird man in vielen Fällen fordern müssen, eine gründliche Schulung des Mitarbeiters (und seiner Familie!) vor Antritt einer Auslandstätigkeit in einem fremden Kultur- und Rechtskreis vorzunehmen. Da sich Regeln immer wieder ändern, führt auch an einer laufenden Betreuung ins Ausland entsandter Mitarbeiter durch das Heimatunternehmen kein Weg vorbei. Dementsprechend muss dann auch die Kompetenz vorhanden sein, laufend Rechtsentwicklungen im jeweiligen Ausland zu beobachten und hierauf unmittelbar zu reagieren.

 

PRAXISTIPP | Entsendende Arbeitgeber müssen ins Ausland entsandte Arbeitnehmer und deren Angehörige vor allem dann hinreichend schulen und betreuen, wenn die Entsendung in einen fremden Rechts- und Kulturkreis erfolgt. Ist im Unternehmen selbst kein hinreichendes Know-how vorhanden, muss dieses extern beschafft werden.

 

3. Zusammenfassung

Der ins Ausland entsandte Mitarbeiter, insbesondere bei einer Entsendung in einen fremden Rechts- und Kulturkreis sowie zu Joint Ventures bzw. Unternehmen mit ausländischem (Teil-) Besitz, bedarf einer gründlichen Vorbereitung und laufender Betreuung. Die Fürsorgepflicht des deutschen Arbeitgebers gebietet es zudem, unmissverständliche vertragliche Regelungen zu treffen, die den Mitarbeiter im Ausland praktisch unterstützen und Loyalitätskonflikte sowie Rechtsverstöße vermeiden helfen.

 

Zu den Autoren | Roland Falder ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Emplawyers in München. Kontakt: roland.falder@emplawyers-muenchen.de; Dr. Constantin Frank-Fahle, LL.M. ist Rechtsanwalt und Legal Consultant, Managing Partner, Germela Law LLP, Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate). Dr. Frank-Fahle war zuvor an den Standorten Berlin, Jakarta, München, Bangkok und Dubai tätig. Kontakt: frank-fahle@germela.law.

Quelle: Seite 236 | ID 46381465