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· Fachbeitrag · Annahmeverzug

Schadenspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB bei Verzug mit Vergütungszahlung

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Ist der ArbG mit der Zahlung der geschuldeten Vergütung in Verzug, hat der ArbN auch Anspruch auf Zahlung der Schadenspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB. Liegt der Zahlungsverzug für mehrere Monatsvergütungen vor, entsteht der Anspruch auf Zahlung der Schadenspauschale für jede einzelne Teilvergütung. |

 

Sachverhalt

Die ArbN war als Rechtsanwältin für den ArbG tätig. Die Parteien streiten über rückständige Vergütung sowie die Zahlung von Schadenspauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB. Der ArbG ist der Ansicht, dass § 288 Abs. 5 BGB einen pauschalen Schadenersatzanspruch normiere. Er dürfe daher im Arbeitsrecht gemäß § 12a ArbGG nicht angewendet werden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Norm sowie aus der Anrechnungsvorschrift des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB. Zudem sei der Zahlungsverzug im Arbeitsrecht nicht ausdrücklich von der europäischen Zahlungsverzugsrichtlinie (Richtlinie 2011/7/EU vom 16.2.11) umfasst worden.

 

Die ArbN meint dagegen, dass die Schadenspauschale keine Schadenswiedergutmachung sei, sondern lediglich Präventivwirkung entfalte. Sie sei deshalb auch im Arbeitsrecht anzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Das LAG Berlin-Brandenburg (6.10.17, 9 Sa 593/17, Abruf-Nr. 204428) sprach in Bestätigung der ersten Instanz der ArbN die Schadenspauschalen für 2 rückständige Monatsvergütungen ‒ also insgesamt 80 EUR ‒ zu.

 

Die Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB auch für das Arbeitsrecht folge aus Art. 229 § 34 EGBGB. Darin befinde sich gerade keine Bereichsausnahme oder Anwendungssperre für das Arbeitsrecht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 288 Abs. 5 BGB seien dadurch erfüllt, dass sich der ArbG mit einem Teil der geschuldeten Vergütung in Verzug befunden habe. Auch sei der ArbG Unternehmer gemäß § 14 BGB. Der deutsche Gesetzgeber habe ganz bewusst die europarechtlichen Vorgaben der Zahlungsverzugsrichtlinie übererfüllt. Eine Regelungslücke, die über § 12a ArbGG zu schließen sei, liege deshalb nicht vor.

 

Der ArbG legte gegen das Berufungsurteil Revision ein. Er begehrte die Abweisung der Klage in Bezug auf die Schadenspauschale.

 

Relevanz für die Praxis

Das BAG hatte keine Gelegenheit mehr, in der Sache abschließend zu entscheiden (BAG 8 AZR 581/17), da die Parteien sich geeinigt haben. Dies ist umso bedauerlicher, da damit die Unsicherheit in der Rechtspraxis geblieben ist. Es liegen zwar bereits Berufungsurteile vor, die die Schadenspauschale des § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsrecht anwenden (LAG Baden-Württemberg 13.10.16, 3 Sa 34/16; LAG Köln 22.11.16, 12 Sa 524/16; LAG Hamm 19.4.18, 17 Sa 1484/17; LAG Niedersachsen 20.4.17, 5 Sa 1263/16). Allerdings hat das LAG Köln auch anders entschieden (4.10.17, 5 Sa 229/17, Abruf-Nr. 198149) und die Pauschale nicht zugesprochen.

 

Dogmatisch dürfte der Anwendung der Schadenspauschale im Arbeitsrecht wenig im Wege stehen. Der deutsche Gesetzgeber hat in Kenntnis der Zahlungsverzugsrichtlinie den § 288 Abs. 5 BGB formuliert. Er hat damit die Entscheidung getroffen, diesen in das bestehende System des Zahlungsverzugs zu implementieren. Dabei wurden gerade keine Anwendungssperren geschaffen. Die Anwendung wurde durch Art. 229 § 34 EGBGB nur zeitlich konkretisiert. Für eine entsprechende Anwendung des § 12a ArbGG verbleibt daher kein Raum.

 

Bis die Streitfrage endgültig geklärt ist, muss sich die Anwendungspraxis darauf einstellen, dass die Arbeitsgerichte weiter uneinheitlich entscheiden. Inwieweit von der unterlegenen Partei der Instanzenzug bemüht wird, dürfte indes von der gesamten Beschwer abhängen, bei der die Schadenspauschale allein unter prozessökonomischen Gesichtspunkten eine geringe Rolle spielt.

 

 

Weiterführender Hinweis

  • ArbG muss bei verspätetem Lohn 40 EUR Schadenersatz zahlen: LAG Köln in AA 17, 11
Quelle: Seite 165 | ID 45485556