Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Betriebliche Altersversorgung

Eine Betriebsrente wegen Erwerbsminderung ist auf Antrag rückwirkend zu gewähren

| Eine Betriebsrente wegen Erwerbsminderung ist rückwirkend zu gewähren. Eine entgegenstehende Bestimmung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) einer Pensionskasse, die eine Antragstellung unter Vorlage von Nachweisen verlangt und zugleich die Betriebsrente erst ab dem Monat der Antragstellung gewährt, ist unwirksam. |

 

Sachverhalt

Der ArbN war von März 1973 bis September 2005 bei der Firma, der Beklagten zu 2, beschäftigt. Mit seinem Ausscheiden erwarb er eine Anwartschaft auf Betriebsrente gegenüber der Pensionskasse der Firma (Beklagte zu 1) und gegenüber der Firma. Auf seinen Antrag und nachfolgenden Widerspruch bewilligte die Deutsche Rentenversicherung dem ArbN im Jahr 2015 rückwirkend zum Jahr 2013 eine gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. 2015 beantragte der ArbN bei der Pensionskasse und der Firma Betriebsrente. Diese wurden ihm ab Ende 2015 mit knapp über 540 EUR (Pensionskassenrente) und 119 EUR jeweils brutto monatlich (Firmenleistung) bewilligt. Eine rückwirkende Leistung lehnten die Beklagten ab.

 

  • § 5 Leistungen der Kasse (Auszug aus den AVB der Pensionskasse)
  • 1. Die Kasse gewährt Mitgliedsrenten (§ 6, § 14 Nr. 3 und 4), Hinterbliebenenrenten (§ 8, § 14 Nr. 5, § 15 Nr. 7) und Beitragsrückerstattung (§ 10).
  • 2. ...
  • 3. Die Leistungen sind von der oder dem Bezugsberechtigten oder der Firma unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise schriftlich bei der Kasse zu beantragen.
  • 4. Die Rentenleistungen werden in Euro monatlich nachträglich unbar erbracht. Sie beginnen nach Eintritt des Versorgungsfalls
    • für ordentliche Mitglieder mit dem Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. mit Beginn der vorübergehenden Pensionierung durch die Firma,
    • in allen übrigen Fällen mit dem ersten Tag des Monats, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingeht, ...
 

Als vorzeitig ausgeschiedener ArbN ist der ArbN außerordentliches Mitglied der Pensionskasse, für den § 5 Nr. 4 zweiter Spiegelstrich gilt.

 

Entscheidungsgründe

Die 6. Kammer des LAG Düsseldorf (22.12.17, 6 Sa 983/16, Abruf-Nr. 200499) sprach dem ArbN rückwirkend für die Zeit von 2013 bis 2015 insgesamt knapp 22.000 EUR brutto an Betriebsrente zu. Grundsätzlich sei es zwar zulässig, bei vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeitern für die Gewährung der Betriebsrente ein Antragserfordernis vorzusehen.

 

Die Regelungen in § 5 Nrn. 3 und 4 S. 2 zweiter Spiegelstrich AVB benachteiligten die ArbN unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Danach sind bei der Antragstellung Nachweise vorzulegen. Zugleich werde die Betriebsrente erst ab dem Monat der Antragstellung gezahlt. Die Formulierung des § 5 Nr. 3 AVB als Mussvorschrift schließe eine Antragstellung ohne Nachweise aus. Dies sei unangemessen.

 

So bestehe selbst dann kein Anspruch auf Betriebsrente wegen Erwerbsminderung, wenn der Rentenversicherungsträger und/oder ein Amts- bzw. Werksarzt zunächst zu Unrecht das Vorliegen einer Erwerbsminderung verneint hätten. Der Beginn der Bezugsberechtigung werde damit davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung bzw. ein Amts- oder Werksarzt im konkreten Fall arbeite. Diesem Nachteil stehen keine schützenswerten Interessen der Pensionskasse entgegen. Zwar habe die Pensionskasse ein berechtigtes Interesse daran, nur bei nachgewiesener Erwerbsminderung Leistungen zu erbringen. Ausreichend sei es aber, ein Antragserfordernis vorzusehen, ohne dies zugleich mit der Vorlage von Nachweisen zu verbinden.

 

Ab dem Zeitpunkt des einfachen Antrags könnten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Aufgrund der unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB seien § 5 Nrn. 3 und 4 S. 2 zweiter Spiegelstrich AVB ‒ jedenfalls bezogen auf die Erwerbsminderungsrente ‒ unwirksam. Der ArbN könne die Betriebsrente rückwirkend verlangen. Für die Firmenleistung gelte nichts anderes. Das LAG ließ die Revision zu.

 

Relevanz für die Praxis

Das LAG Düsseldorf gibt im Grunde Pensionskassen und ArbG selbst weiterhin die Möglichkeit, den Zahlungstermin für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung mit der Antragstellung durch den Berechtigten zu verknüpfen. Dies gilt aber nicht mehr, wenn über die Antragstellung hinaus weitere Nachweise ‒ etwa der Höhe oder des Grads einer Erwerbsminderung ‒ in den AVB verlangt werden. Da diese AVB an den §§ 305 ff. BGB zu messen sind, sollten ArbG, die direkt oder über Dritte Leistungen der AV zusagen, eine entsprechende Prüfung vornehmen.

 

Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 95 | ID 45314116