Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Berufskrankheit

Immer ein Problem: Arbeit mit schweren Maschinen nachweisen

| Arbeitet jemand mit schwingungsintensiven Werkzeugen oder Maschinen, schauen Gericht genau hin. Das LSG Nordrhein-Westfalen entschied: Im Vergleich zu Druckluft- oder gleichartig wirkenden Werkzeugen haben einfache handgeführte Hammer- und Meißelwerkzeuge in der Regel keine „gleichartige“ Wirkung. Sie schädigen betroffene Knochen und Gelenke nicht derart, dass eine Berufskrankheit Nr. 2103 zuerkannt wird. |

 

Sachverhalt

Der Kläger war Maler und Lackierer und beantragte 2012, bei ihm die Berufskrankheit Nr. 2103 anzuerkennen. Seine fortgeschrittene Verschleißerkrankung (Arthrose) der rechten Schulter, sei darauf zurückzuführen, dass er berufsbedingt mit Druckluftwerkzeugen gearbeitet und auch Stemm-, Betonabbruch- und Bohrhammertätigkeiten ausgeführt habe.

 

Gutachterlich wurde bereits in einem anderen Rechtsstreit festgestellt, dass der Kläger unter einem operativ abgeschlossenen Zustand nach Verschleißerkrankung des rechten Schultergelenks litt, während das linke Schultergelenk ohne Befund war. Die beantragte Berufskrankheit wurde abgelehnt, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

 

  • Schon das erstinstanzlich SG stellte fest, dass der Kläger nicht einmal behauptete, täglich wiederholt mehrstündig mit Maschinen oder Werkzeugen mit hoher Schwingungsintensität gearbeitet zu haben.

 

  • Er nannte allerdings mit länger andauernde Überkopfarbeiten mit einem Spachtel die Erkrankung begründen.

 

Nachdem der Kläger sowohl im Widerspruchs- als auch Klageverfahren scheiterte, legte er Berufung beim LSG ein. Dieses wies sowohl die Anerkennung der begehrten Berufskrankheit als auch Ansprüche auf Rente oder Übergangsleistungen zurück (15.9.16, L 17 U 737/14, Abruf-Nr. 189661).

 

Entscheidungsgründe

Bei Berufskrankheiten kommt es darauf an, dass die Tätigkeit den Antragsteller belastet und Schadstoffe oder ähnliches auf ihn einwirken und diese Einwirkungen die Krankheit auch verursacht haben (vgl. „Kausalitäten“ in der Grafik). Eine Berufskrankheit nach Nr. 2103 lag hier nicht vor, da nicht hinreichend wahrscheinlich war, dass die Beschwerden auf den Beruf zurückgehen.

 

Das Merkblatt zur BK 2103 erfasse „Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen“ bei Vibrationen von 8 bis 50 Hertz, die über die Handgriffe auf das Schulter-Arm-System übergehen (s. Grafik).

 

Diesen Belastungen war der Kläger nur gelegentlich ausgesetzt, während viele der von ihm als belastend vorgetragenen Arbeiten nicht gefährdend im Sinne der Berufskrankheit seien. Die Arbeit mit dem Handspachtel zählt nicht zu den schwingungsbelastenden Tätigkeiten, da dieser kein Gerät mit vibrierendem Handschluss ist.

 

Da der Kläger nur gelegentlich mit schlagenden Geräten gearbeitet habe, sei auch die gemäß dem Merkblatt maßgebliche Einwirkung (hohe Schwingungsintensität von in der Regel zweijähriger, täglich wiederholter mehrstündiger Dauer) nicht nachgewiesen.

 

Auch der ärztliche Sachverständige verneinte eine berufliche Ursache. Denn jene Werkzeuge, die bei der BK 2103 zählen, werden beidhändig bedient, während beim Kläger ein einseitiger Verschleiß nur der rechten Schulter vorliegt.

 

 

Relevanz für die Praxis

Mandanten sollten zumindest in Abständen Modelle oder technische Daten der Geräte dokumentieren, mit denen sie während der Erwerbsjahre gearbeitet haben und damit auch die jeweiligen Vibrations- und Stoßwerte nachvollziehbar machen. Das ist sinnvoll, wenn nicht regelmäßig oder unterbrochen an oder mit schwingungsintensiven Maschinen gearbeitet wird.

 

Wird auch die Arbeitsdauer mit den Geräten festgehalten, kann später auch leichter der Beweis geführt werden. Dies muss natürlich nicht akribisch täglich geschehen, sondern in Abständen, sodass der Kläger konkrete Phasen oder Jahre seiner Erwerbsbiografie nachweisen kann, in denen er mit solchen Geräte gearbeitet hat.

 

Wiederholt taucht auch die Frage auf, inwieweit die Merkblätter mit den darin genannten Voraussetzungen verbindlich sind. Diese haben nach Ansicht des BSG einen Informationscharakter, sind aber nicht rechtlich bindend. Sie dienen als Interpretationshilfe und um den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu ermitteln (17.12.15, B 2 U 11/14).

 

PRAXISHINWEIS | Neben den seitens seines Mandanten dokumentierten Angaben zu Geräten und Arbeitsdauer sollte der Rechtsanwalt daher vor allem die Möglichkeit ergreifen, mit aktuellen, fachmedizinischen Gutachten die Aussagen der Merkblätter zu entkräften.

 

Insbesondere bei Berufskrankheiten sollte er im Rahmen des § 109 SGG Gutachter und Arbeitsmediziner wählen, die sich schwerpunktmäßig mit Diagnostik und Behandlung der entsprechenden Berufskrankheit beschäftigen und auch in Grenzfällen, wenn ggf. eine niedrigere Arbeitsdauer mit schwerem Gerät vorliegt, erfahren bewerten.

 

Schwierig ist und bleibt es zu argumentieren, wenn Maschinen oder Werkzeuge beidhändig zu führen sind, tatsächlich aber abweichende starke Verschleißerscheinungen vorliegen. Denn da beide Arme und Hände von den Vibrationen und Stößen betroffen sind, ist ein beidseitiger Verschleiß typisch.

 

Weiterführende Hinweise

  • Berufskrankheit: Nur die primäre Gonarthrose zählt, SR 16, 117
  • Berufskrankheit: Lärm-Grenzwerte bei Lärmschwerhörigkeit, SR 16, 98
  • Vier neue Berufskrankheiten, SR 15, 129
Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 187 | ID 44338728