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· Fachbeitrag · Barrierefreiheit

Technologien und Eingabehilfen für eingeschränkte Mandanten

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

| Dieser Beitrag informiert, wie Sie Mandanten beim Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit nach Erkrankungen oder Unfällen unterstützen. Beratungsstellen und Hersteller bieten Hilfsmittel und Software an, Fördermaßnahmen erleichtern die Finanzierung. |

1. Berufstätigkeit, Bedarf und Kosten

Nach einem Unfall oder einer Krankheitsdiagnose ist häufig unklar, ob und inwieweit der Mandant seinen bisherigen Beruf noch ausüben kann. Dabei ist die Erwerbstätigkeit vieler Personen mit Bildschirmarbeit und dem Umgang mit Office-, Grafik- oder sonstigen Programmen sowie Peripheriegeräten verbunden. Wichtig sind daher häufig spezielle Modelle (Maus, Tastatur, Drucker etc.), die sich mit körperlichen Einschränkungen bedienen lassen. Viele Hersteller konzentrieren sich auf die Produktion innovativer Hilfen, bieten z.B. Sondertastaturen mit Braillezeilen (Blindenschrift) oder spezielle Mäuse mit unterschiedlichen Formen und Bedienkomfort an.

 

Hinweis | Die Erwerbstätigkeit des Mandanten ist Beratern und Bevollmächtigten bekannt. Recherchieren Sie frühzeitig Anlaufstellen, Projekte und Hersteller von Hilfsmitteln. Erfolgversprechend ist das direkte Ansteuern von Linklisten auf den Internetseiten, die auf weitere Angebote verweisen.

 

Gleichzeitig ist zu prüfen, welcher Kostenträger infrage kommt. So tragen neben den Krankenkassen bei unfallbedingten Erkrankungen oder Behinderungen die Berufsgenossenschaften die Kosten für mögliche Hilfsmittel, wobei häufig mit besseren Leistungen zu rechnen ist. Steht die Wiederherstellung bzw. Wiedereingliederung und der Erhalt der Arbeitsfähigkeit im Vordergrund, sind die Chancen für Kostenübernahmen grundsätzlich günstig einzuschätzen. Die gesetzliche Grundlage bildet das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen).

 

Hinweis | Prüfen Sie frühzeitig, ob die Beantragung der Schwerbehinderteneigenschaft sinnvoll ist. Der Antrag kann jederzeit und kostenfrei gestellt werden (Noe, SR 14, 167). Je früher eine Beantragung erfolgt, desto schneller sind ggf. ein besonderer Kündigungsschutz zu erreichen oder die Voraussetzungen für die Kostenübernahme notwendiger Sitz- und Arbeitsmöbel.

2. Was wird benötigt?

Unterstützen Sie Ihre Mandanten vorausschauend, welche Hilfsmittel geeignet bzw. einzuplanen sind. Der Einbezug der behandelnden Ärzte, deren Beurteilung zu Perspektiven und Krankheitsverläufen ergänzen dies. Mit einer einfachen, dreispaltigen Skizze wie im nachfolgenden Beispiel können Sie eine Zusammenfassung erstellen, den Bedarf eingrenzen und daran Ihre weiteren Recherchen ausrichten.

 

Checkliste / Die richtigen Hilfsmittel zur jeweiligen Erkrankung

Welche Erkrankung liegt vor/ betroffene Extremitäten?

Werden Geräte benötigt?

Sind besondere Möbel notwendig?

Wird Software benötigt?

Arme, Beine, Kopf, Lähmungen

Kopf- und Fußmäuse, Rollstuhl, Gehhilfen, Fernsteuerungen, Hand- und Armstützen, Schreibtisch

Spezielle Büroprogramme? Was leistet bereits vorhandene Software?

Motorische Einschränkungen

Trackball- und Tastenmäuse, Joysticks

Apps für Tablets/Smartphones

Sehbehinderungen, Sprach- und Ausdrucksfähigkeit

Tastaturen und Mäuse, spezielle Brillen, Spracheingabe/Diktiersysteme

Blicksteuerung, logopädisches Training, Hörgeschädigten-pädagogik

Belastbarkeit, Erschöpfungen, Konzentrationseinschränkungen nach Unfällen/Operationen

Wochenplaner als Flipboards (TimeTable), spezielle Uhren

Lernprogramme und Konzentrationstrainer, ergotherapeutische Maßnahmen

Wiedereingliederung/Umgestaltung Arbeitsplatz

Kontakt mit Arbeitgeber/Disability-Manager/ Kassen/Berufsgenossenschaften/Verbänden/ Kosten und Förderungen klären

 

Steht der Mandant in einem Arbeitsverhältnis, sollte rasch mit dem Arbeitgeber sondiert werden, inwieweit der Arbeitsplatz barrierefrei gestaltet werden kann. Dabei ist möglicherweise die Kontaktaufnahme mit dem betrieblichen „Disability-Manager“ notwendig, der als Schnittstelle beim Arbeitgeber tätig ist und Kontakt zu Ärzten, Versicherungsträgern und Reha-Einrichtungen hält. Verschiedene Leistungsträger bieten unterstützende Förderprogramme, z.B. Rehabilitationsträger wie die Unfall- oder Rentenversicherung oder die Integrationsämter. Welche Förderungen möglich sind, erläutern die Informationen der REHADAT (www.tinyurl.com/REHDAT-uebersicht) und eine Übersicht des Portals „Einfach teilhaben“ (www.tinyurl.com/einfach-teilhaben). Ergänzend gibt die Broschüre „Schritt für Schritt zurück in den Job“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Tipps und Hinweise.

3. Beratungsstellen und Hersteller

Checkliste 1 /  Beratungsstellen für technische Hilfsmittel

  • Die Stiftung „Barrierefrei kommunizieren“! Sie gehört zu den wenigen Einrichtungen, die Testräume anbieten, in denen Geräte und Software kostenlos ausprobiert werden können (z.B. Kopf- und Fußmäuse, Tastaturen, Augensteuerung etc., www.stiftung-barrierefrei-kommunizieren.de, Tel. 030/97 99 13-195)
  • Das REHADAT-Portal informiert über Hilfsmittel und Hilfsmittelversorgung, gegliedert in Bereiche wie Arbeitsplatz, Mobilität, Haushalt oder Kommunikation, einschließlich Bilder, Hersteller- und Vertriebsadressen, Preisen und genauen Leistungsmerkmalen (www.rehadat-hilfsmittelportal.de)
  • Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützte Projekt INCOBS informiert über Technologien für Blinde und Sehbehinderte. Es testet Smartphones, Tablets und Apps. Ferner beobachtet INCOBS die Entwicklungen bei den Hilfsmitteln für die Arbeitsplatzgestaltung sehbehinderter Menschen (z.B. Bildschirmlesegeräte oder PC-Betriebssysteme, www.incobs.de)

Hinweis | Häufig sind die Anschaffungskosten von Geräten oder Software zwar hoch, jedoch nicht der eigentliche Kostenschwerpunkt. Entscheidend sind vielmehr Betreuung und Unterstützung (Support) beim Umgang, notwendige Updates oder Reparaturen. Ermitteln Sie Umfang und Kosten dieser Unterstützung nach einem Kauf. Eine umfangreiche Auflistung aller Hersteller finden Sie auch mithilfe der Datenbank der Stiftung Barrierefrei kommunizieren!: http://www.barrierefrei-kommunizieren.de/datenbank/herstellerliste/?tx_txonlinedb_pi5[page]=a

 

Checkliste 2 /  Hersteller und ihre Produkte

  • Spezielle Mäuse mit großen Druckflächen, Joysticks und Adapter, mit denen elektronische Geräte aller Art gesteuert werden können, gehören zum Sortiment der Berliner DIPAX. Übersicht und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf www.dipax.de 
  • Mausersatz und ein vielseitiges Angebot an Sondertastaturen gehören zum Repertoire des österreichischen Herstellers Lifetool (www.lifetool.at), jedoch auch Netzschaltboxen, mit denen z.B. Licht und Ventilatoren am Arbeitsplatz mit einem kleinen Gerät bedient werden.
  • Der Anbieter Alea Technologies hat sich auf die Bereiche Bildverarbeitung und Augensteuerung spezialisiert. Mit Blicksteuerungssystemen werden der Bildschirm bzw. Menüs und dargestellte Internetseiten mit den Augen bedient (www.alea-technologies.de).
  • Verschiedene Hersteller bieten Büro- und Betriebsausstattung an: Schreibtische, Auflagen, Stühle, Arbeitsleuchten, Einrichtungselemente oder Bodenvorrichtungen. Hier sind zahlreiche Anbieter vorhanden, die Sie am besten über eine der oben genannten Beratungsstellen erfragen, um nahe gelegene Anbieter zu finden. Barrierefreie Sanitärsysteme bietet die HEWI Heinrich Wilke GmbH an (www.hewi.com)
  • Anbieter wie die schweizer Alexandravision entwickelt Uhren mit Vibrationstechnik für sehbehinderte Menschen (www.alexandravision.com)
 

4. Schnell gefunden: Ihr „Such-Wörterbuch“

Möchten Sie ergänzend selbst im Internet oder Bibliothekskatalogen recherchieren oder Anfragen an Hersteller richten, helfen Ihnen wesentliche Schlagworte und Oberbegriffe. Hierzu zählen u.a.

 

Alternative Eingabehilfen, assistierende Technologien, unterstützende Kommunikation, Arbeitsplatzanpassung, Barrierefreiheit, Bildschirmlesegeräte, Fingerbeweglichkeit, Motorik, (fein-)motorische Beeinträchtigungen, Augensteuerung, VRC (Voice Remote Control = Sprachsteuerung), computerunterstützte Werkzeuge, Hörtrainingsprogramm/auditive Wahrnehmung, logopädische/sprachtherapeutische Unterstützung, Arbeitsgedächtnis, kognitive Lernhilfen, Wahrnehmungsförderung, Disability-Management, Inklusion.

 

Kombinieren Sie die Begriffe mit den jeweiligen Diagnosen und medizinischen Fachbegriffen, die Ihren Mandanten betreffen und beziehen Sie die Erfahrungen von Menschen ein, die entsprechende Hilfsmittel benutzen.

Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 3 | ID 42985543