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· Fachbeitrag · Altersgrenze

Vertraglicher Beendigungszeitpunkt kann trotz Altersgrenze befristet hinausgeschoben werden

von RA Christian Deutz, FA Arbeitsrecht, Aachen

| Nach § 41 S. 1 SGB VI ist der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters kein Grund, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den ArbG nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Soll das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden, können die Parteien nach S. 3 während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt ‒ gegebenenfalls auch mehrfach ‒ hinausschieben. Mit dieser Regelung hat sich jüngst das BAG auseinandergesetzt. |

 

Sachverhalt

Zwischen den Parteien stand im Streit, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung zum 31.7.15 geendet hat. Der im Juli 1949 geborene Kläger war bei dem beklagten Land als Lehrer an einer berufsbildenden Schule in einem zeitlichen Umfang von 23 Wochenstunden beschäftigt. Aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme fand auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. Dessen § 44 Nr. 4 regelt das Ausscheiden von Lehrkräften an Schulen wegen Erreichens der Regelaltersgrenze dergestalt, dass das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Schulhalbjahres (31.1. bzw. 31.7.), in dem die Lehrkraft das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat.

 

Die Arbeitsvertragsparteien hatten mit Änderungsvereinbarung vom 20.1.15 vereinbart, dass abweichend von der vorgenannten tariflichen Regelung das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.7.15 endet. Mit Schreiben vom 3.2.15 hat die Schulleitung dem Kläger zudem mitgeteilt, dass er von Februar bis einschließlich Juli 2015 über die vertraglich festgelegte regelmäßige Stundenzahl von 23 Wochenstunden hinaus weitere vier Unterrichtsstunden zu erteilen habe. Mit weiterem Schreiben vom 4.3.15 teilte die Schulleitung mit, sie erhöhe die Teilzeitbeschäftigung auf eine volle Stelle mit 25,5 Wochenstunden für den Zeitraum von Februar bis einschließlich Juli 2015. Dadurch sei das vorherige Schreiben gegenstandslos geworden.

 

Der Kläger hat in der Folgezeit die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.15 gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die in dem Änderungsvertrag vom 20.1.15 vereinbarte Befristung könne nicht auf § 41 S. 3 SGB VI gestützt werden, da die Parteien nicht nur den Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben, sondern vielmehr auch die Arbeitszeit erhöht hätten.

 

Das Arbeitsgericht Göttingen hat die Klage abgewiesen. Das LAG Niedersachsen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision vor dem BAG verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das Rechtsmittel hatte jedoch keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das BAG hielt die Revision des Klägers für unbegründet (19.12.18, 7 AZR 70/17, Abruf-Nr. 206517). Das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der im Änderungsvertrag vom 20.1.15 vereinbarten Befristung am 31.7.15 geendet. Die Befristung sei wirksam. Insbesondere sei sie nach § 41 S. 3 SGB VI gerechtfertigt. Nach Auffassung des BAG erfülle die im Änderungsvertrag vom 20.1.15 vereinbarte Befristung zum 31.7.15 die Voraussetzungen des § 41 S. 3 SGB VI.

 

  • Die Parteien hätten zunächst vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zum 31.1.15 endet. Das ergebe sich aus dem Tarifvertrag, auf den der Arbeitsvertrag Bezug nehme. Der in § 44 Nr. 4 TV-L genannte Beendigungszeitpunkt knüpfe an das Erreichen der Regelaltersgrenze an. Er trage insbesondere dem Bedürfnis des Schulbetriebs Rechnung, für das gesamte Schulhalbjahr eine volle und möglichst fachbezogene Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.

 

  • Die Parteien hätten dann aber in wirksamer Weise den Beendigungszeitpunkt mit dem Änderungsvertrag während des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI hinausgeschoben. Dieser Änderungsvertrag habe zu einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geführt.
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    • Das BAG hat jedoch ausdrücklich offen gelassen, ob das Tatbestandsmerkmal des „Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts“ im vorgenannten Sinne voraussetze, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses geändert werde und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibe. Diese Frage ist umstritten.
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    • Im konkreten Einzelfall hat das BAG auf den Umstand Bezug genommen, dass zwar der Umfang der Arbeitszeit des Klägers zum 1.2.15 erhöht wurde. Dies sei jedoch nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 20.1.15 über das Hinausschieben des Beendigungstermins geschehen. Nachträgliche Änderungen seien insoweit unschädlich. Sollte das Tatbestandsmerkmal des „Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts“ ‒ ebenso wie das Tatbestandsmerkmal der „Verlängerung“ in § 14 Abs. 2 S. 1, 2. Halbsatz TzBfG ‒ voraussetzen, dass nur die Vertragsdauer geändert werde, könnte eine Befristung nicht auf § 41 S. 3 SGB VI gestützt werden, wenn im Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungstermins auch weitere Arbeitsbedingungen geändert würden.
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  • Hingegen stünde eine einvernehmliche Änderung sonstiger Arbeitsbedingungen, die weder gleichzeitig, noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts erfolgt sei, einer Befristung nach § 41 S. 3 SGB VI nicht entgegen. Eine derartige Vereinbarung unterliege nicht der Befristungskontrolle. Damit führte die Änderung der Arbeitszeit vom 4.3.15 nicht dazu, dass die im Änderungsvertrag vom 20.1.15 vereinbarte Erstreckung der Vertragslaufzeit bis zum 31.7.15 nicht als Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI verstanden werden könnte. Diese einvernehmliche Änderung der Arbeitszeit sei nämlich erst mehrere Wochen nach dem Änderungsvertrag und damit nicht im zeitlichen Zusammenhang mit diesem zustande gekommen.

 

  • Darüber hinaus hat das BAG entschieden, dass eine Befristung nach § 41 S. 3 SGB VI ‒ entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ‒ nicht das Bestehen eines Sachgrunds im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG voraussetze. Weder dem Gesetzeswortlaut, noch dem Zweck der Regelung ließen sich Anhaltspunkte für ein Sachgrunderfordernis entnehmen.

 

  • § 41 S. 3 SGB VI sei zudem mit höherrangigem Recht vereinbar und insbesondere auch unionsrechtskonform. Dies werde auch durch die Entscheidung des EuGH vom 28.2.18 bestätigt (NZA 18, 355). Dies gelte jedenfalls, wenn die Vorschrift das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts ohne Änderung der sonstigen Arbeitsbedingungen ermögliche.

 

  • Zudem begegne die genannte Regelung auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere sei die Regelung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber habe insofern mit der streitgegenständlichen Regelung den Interessen der Arbeitsvertragsparteien Rechnung getragen, nach Erreichen der Regelaltersgrenze und darauf bezogener Beendigungsvereinbarungen einvernehmlich das Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Zudem verstoße die Regelung auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Relevanz für die Praxis

Mit diesem Urteil hat sich das BAG ‒ soweit ersichtlich ‒ erstmals inhaltlich mit der Frage befasst, ob eine Befristung aufgrund von § 41 S. 3 SGB VI wirksam ist (und diese i. E. im konkreten Fall bejaht). Insbesondere hat das BAG sich mit dem Tatbestandsmerkmal des „Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts“ auseinandergesetzt.

 

Es war das Anliegen des Gesetzgebers, mit der Regelung in § 41 S. 3 SGB VI eine einfache und praktikable Befristungsmöglichkeit zu schaffen. Mit der Entscheidung des BAG dürfte hier insofern ein gewisses Maß an Rechtssicherheit eingetreten sein, um wirksam Befristungen auf diese Regelung zu stützen. Nicht gänzlich auszuschließen ist jedoch das Risiko, dass möglicherweise das BVerfG zu einer anders lautenden verfassungsrechtlichen Würdigung des Sachverhalts gelangen könnte.

 

Wie dargelegt, hat das BAG aber ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob zeitgleich mit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auch weitere Arbeitsbedingungen geändert werden können. Nach den Ausführungen des BAG empfiehlt es sich hier, jedenfalls darauf zu verzichten, die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses und die Änderung weiterer Arbeitsbedingungen gemeinsam zu regeln. Eine spätere Änderung von Arbeitsbedingungen dürfte hingegen unschädlich sein.

 

Weiterführender Hinweis

  • Regelaltersgrenze 65+ erreicht: Wie kann es weitergehen und welche Vorschriften gelten? Griese, SR 19, 177
Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 4 | ID 46282871