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· Fachbeitrag · Versorgungsausgleich

Diese Voraussetzungen gelten zur Totalrevision alter Versorgungsausgleichsentscheidungen

| Der BGH hat in einem Beschluss vom 16.5.18 (XII ZB 466/16, Abruf-Nr. 202153 ) zu alten Versorgungsausgleichsentscheidungen nach dem bis zum 1.9.09 gültigen Recht eine Entscheidung verkündet, die in der Praxis wenig Beachtung gefunden hat. Dabei kann sie für die betroffenen Personen immense Konsequenzen haben. Die Betroffenen sind ganz überwiegend Senioren, die sich bereits im Ruhestand befinden. |

1. Die Entscheidung des BGH

Ist ein Versorgungsausgleich nach altem Recht zugunsten des früheren Ehegatten durchgeführt worden und dieser zwischenzeitlich verstorben, kann dies zur Totalrevision des durchgeführten Versorgungsausgleiches führen. Dann wird der Versorgungsausgleich ab dem sogenannten Abänderungsstichtag auf null gesetzt. Der betroffene Ehegatte erhält seine Versorgungsanrechte wieder so, wie es ohne Versorgungsausgleich gewesen wäre. Es geht dabei oft um mehrere Hundert EUR im Monat, manchmal sogar vierstellige Summen. Das zeigt die wirtschaftliche Dimension der Entscheidung.

 

Hintergrund ist § 51 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG), der es bei einer wesentlichen Wertänderung ermöglicht, auf Antrag den sogenannten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich zu ändern. Bis zur BGH-Entscheidung ist dabei fraglich gewesen, inwieweit die allgemeine Regelung aus § 31 VersAusglG Anwendung findet. Danach kann ein Ausgleich nur in Richtung des überlebenden (insgesamt Ausgleichsberechtigten) Ehegatten stattfinden (Holzwarth in: Handbuch Scheidungsrecht, 8. Auflage 2019, § 12 Rn. 580). Dies hat für den Ausgleichspflichtigen und überlebenden Ehegatten die Konsequenz, dass ein Versorgungsausgleich im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG nicht mehr stattfindet.

2. Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein

Für die Betroffenen ist wichtig, was die Voraussetzungen für eine solche mögliche Abänderung auf null sind:

 

  • Zunächst geht es um alte Versorgungsausgleichsentscheidungen vor dem 1.9.09. Daher betrifft das Thema überwiegend Senioren.

 

  • Für die betroffenen Personen muss es seit Erlass der Versorgungsausgleichsentscheidung vor dem 1.9.09 für ihn günstige Wertveränderungen bezüglich der in der Ausgangsentscheidung einbezogenen Versorgungsanrechte gegeben haben.

 

  • Diese Wertänderungen müssen eine sogenannte Wesentlichkeitsgrenze erreichen. Damit will der Gesetzgeber geringfügige Änderungen von der Abänderung ausnehmen.

 

  • Es muss sich um eine Entscheidung im Rahmen des sogenannten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs gehandelt haben.

 

Ob eine sogenannte Altentscheidung vorliegt, lässt sich anhand des Scheidungs- bzw. Versorgungsausgleichsbeschlusses relativ einfach feststellen.

 

Dann ist zu prüfen, ob es zu berücksichtigende nachträgliche Änderungen bei einem oder gar mehreren Ausgleichswerten gibt. Solche Änderungen können auf Rechtsänderungen (z. B. neuen rentenrechtlichen Bestimmungen, Änderungen einer Versorgungsregelung etc.), aber auch auf tatsächlichen Umständen (z. B. vorzeitige Dienstunfähigkeit oder vorzeitiges Ruhegehalt etc.) beruhen. Typische Beispiele sind rechtliche Verschlechterungen in der Beamtenversorgung oder erhebliche Veränderungen in der Mütterrente.

 

Wird eine solche Veränderung festgestellt, ist zu prüfen, ob die Wesentlichkeitsgrenze erreicht wird. Diese beträgt mindestens 5 Prozent des bisherigen Ausgleichswerts (sogenannte relative Wesentlichkeitsgrenze) und für den Rentenbetrag mindestens ein Prozent, ansonsten bei Kapitalwerten mindestens 120 Prozent der zum Stichtag Ehezeitende maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Beim Rentenbetrag sind dies derzeit 31,15 EUR und beim Kapitalbetrag 3.738,00 EUR.

3. Handlungsempfehlungen

Die Materie Versorgungsausgleich ist so kompliziert, dass sie von nur wenigen Fachleuten in Deutschland beherrscht wird. Innerhalb des Themenkreises Versorgungsausgleich ist die Abänderung von früheren Entscheidungen ihrerseits noch einmal ein Spezialthema. Es kommt hinzu, dass solche Abänderungsverfahren in der Praxis selten sind. Dies mag daran liegen, dass die Betroffenen lange Zeit nach der Ehescheidung entweder überhaupt nicht daran denken, dass eine Abänderung in Betracht kommen könnte oder mit dem früheren Ehegatten und dem Familiengericht einfach nichts mehr zu tun haben wollen. Hierzu befragte Familienrichter bestätigen die Seltenheit solcher Abänderungsverfahren, obwohl nach Meinung der wenigen Spezialisten des Versorgungsausgleiches ein hoher Prozentsatz ergangener Versorgungsausgleichsentscheidungen abzuändern wäre.

 

Auf diesem Hintergrund ist von Selbstversuchen von Beteiligten ohne kompetente fachliche Hilfe absolut abzuraten. Selbst Fachanwälte für Familienrecht werden bei verantwortungsbewusstem Handeln für ihre Mandanten im hier in Rede stehenden Bereich Spezialisten einschalten, Qualifikation z. B. Sachverständiger für den Versorgungsausgleich oder Institut für Versorgungsausgleich in Duisburg. Mit deren Hilfe lässt sich mit einiger, wenn auch nicht absoluter Sicherheit, das Ergebnis von Abänderungsverfahren prognostizieren und durchaus auch mögliche negative Verfahrensausgänge mit Verschlechterung bestehender Entscheidungen verhindern.

 

Weiterführender Hinweis

  • Urteilsanmerkungen zu obigen Entscheidung des BGH: Norpoth, FamRB 18, 350 und Schwamb, NZFam 18, 744
Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 197 | ID 46147690