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· Fachbeitrag · Verfahrensrecht

Die Zuständigkeit für Klagen bei Ansprüchen aus dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz

von RA Michael Drasdo, Neuss

| Trotz der Anlehnung der Regelungen des WBVG an die mietrechtlichen Bestimmungen des BGB sind bei den Zuständigkeiten der Gerichte davon bestehende Abweichungen zu beachten. |

1. Ausgangslage

Leistungen i.S. des WBVG werden nicht nur aufgrund vertraglicher Abreden geleistet. Die überwiegenden Zahlungen erfolgen durch die Träger der Pflegeversicherungen und der Sozialhilfe. Demnach muss bei Verfahren oftmals danach abgegrenzt werden, ob eine zivil- oder sozialrechtliche Streitigkeit vorliegt. Letztlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Verwaltungsrechtsweg wegen vertraglicher Fragen eröffnet ist.

2. Sozialrechtliche Bezüge

Viele Bestimmungen des WBVG nehmen Bezug auf das Sozialrecht. Mit § 15 WBVG ist sogar festgelegt, dass die nach dem WBVG zivilrechtlich ausgestalteten Verträge mit Verbrauchern, die Leistungen nach dem SGB XI in Anspruch nehmen, die Vereinbarungen den Regelungen der §§ 69 ff. und §§ 82 ff. SGB XI sowie den aufgrund dieser Normen getroffenen Regelungen entsprechen müssen. Vereinbarungen, die diesen Regelungen nicht entsprechen, sind unwirksam. Durch § 16 WBVG wird dieses Abweichungsverbot noch verstärkt.

 

Das SG entscheidet gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG unter anderem über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (SGB XI). Dies gilt auch, wenn durch diese Angelegenheiten dritte Personen betroffen werden sollten. Seine Zuständigkeit ist im Allgemeinen aber nicht für Streitigkeiten zwischen Privatpersonen gegeben. Dies ist auch der Fall, wenn Auswirkungen auf sozialrechtliche Verhältnisse gegeben sind.

 

Die Regelung greift nicht ein, soweit das SG nach § 51 Abs. 2 SGG auch über privatrechtliche Streitigkeiten bei der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen z.B. der Pflegeversicherung entscheidet. Dies gilt auch, wenn dadurch Dritte betroffen sind. Denn ein Streit zwischen Vertragsparteien des WBVG wird davon nicht berührt. Eine Zuständigkeit des SG für Streitigkeiten zwischen dem Unternehmer als Betreiber einer Pflegeeinrichtung und dem Bewohner als Verbraucher ist damit nicht gegeben.

3. Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit

Aus den vorherigen Ausführungen ergibt sich, dass Streitigkeiten zwischen dem Unternehmer und dem Bewohner, die auf den Bestimmungen des nach dem WBVG geschlossenen Vertrags beruhen, im Wege der ordentlichen Gerichtsbarkeit geklärt werden müssen. Bei einem nach WBVG abgeschlossenen Vertrag handelt es sich nicht wie beim Heimvertrag nach alter Rechtslage um einen typengemischten Vertrag (BGH NZM 03, 613). Vielmehr liegt ein Vertrag sui generis nach der Neubeurteilung durch das WBVG vor (LG Berlin SR 14, 78). Damit findet auch der für Wohnraummietverhältnisse geltende § 23 Nr. 2a GVG, der eine ausschließliche Zuständigkeit des AG begründet, keine Anwendung. Dies gilt auch, wenn der die Wohnraumüberlassung betreffende Teil des Vertrags ausnahmsweise überwiegen sollte. Daher bleibt es bei Streitigkeiten aus Verträgen nach dem WBVG bei der allgemeinen, von der Höhe des Streitwerts abhängigen Zuständigkeitsregelung nach § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

 

Auf das „Betreute Wohnen“ ist das WBVG laut § 1 Abs. 1 S. 3 WBVG nicht anzuwenden. Soweit ein typengemischter Vertrag vorliegt, überwiegen die mietrechtlichen Komponenten (LG Koblenz NZM 03, 264; Drasdo, NZM 08, 665). Damit ist gemäß § 23 Nr. 2a GVG erstinstanzlich immer das AG zuständig.

4. Höhe des Streitwerts

Für die Ermittlung des Streitwerts liegen im Rahmen des WBVG keine besonderen Bestimmungen vor. Daher gelten die allgemeinen Grundsätze. Dies hat zunächst zur Folge, dass bei einem Streit um Zahlungsansprüche nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO deren Wert anzusetzen ist. Maßgeblich ist der jeweils geltend gemachte Betrag. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen kalkulatorischen Positionen des § 3 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 WBVG ist nicht vorzunehmen. Denn der Vertrag als eigenständiger Vertragstyp differenziert nicht nach selbstständig zu bewertenden Leistungen.

 

Für Räumungsklagen ist bei der Bemessung des Streitwerts das jährliche Nutzungsentgelt entscheidend (§ 41 Abs. 2 GKG), dass der Verbraucher an den Unternehmer entrichten muss (LG Essen BeckRS 13, 19310). Auch hier wird nicht zwischen den einzelnen kalkulatorischen Grundlagen des Vertrags unterschieden. Dies gilt im Rahmen des § 12 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a und b WBVG bereits für die Beurteilung der Kündigungsmöglichkeiten wegen des Rückstands des Entgelts. Damit ist nicht nur auf den auf die Raumüberlassung entfallenden Teil des Entgelts abzustellen. Sollten in dem Nutzungsentgelt auch Betriebskosten i.S. der BetrKV enthalten sein, erhöhen diese nach § 41 Abs. 2 GKG den Streitwert nur, wenn es sich um eine Pauschale handelt. Eine Ausnahme ergibt sich nach § 41 Abs. 1 GKG nur, wenn der Restzeitraum der Nutzung unter einem Jahr liegen sollte. Da der Vertrag regelmäßig unbefristet abgeschlossen wird, ist dies nur vorstellbar, wenn eine wirksame Befristung nach § 4 Abs. 2 WBVG im Interesse des Bewohners vereinbart wurde.

 

FAZIT | Verfahren, die ihre Grundlage in Verträgen nach dem WBVG haben, sind bisher nicht häufig zu beobachten gewesen. Daher gibt es auch wegen der Zuständigkeiten und der Höhe der Streitwerte oft Unklarheiten. Es wird sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis die Rechtsprechung die Rechtslage geklärt hat. Auffallend ist jedenfalls, dass in den Kommentierungen zum Streitwert die Fragen des Heimaufenthalts nicht angesprochen werden (z.B. MüKo/Wöstmann, ZPO, 4. Aufl., § 3 ZPO Rn. 16; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn 16).

 
Quelle: Sonderausgabe 01 / 2018 | Seite 13 | ID 45203509