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· Fachbeitrag · Seniorengerechtes Wohnen

Altersgerechter Umbau im Wohnungseigentum

| Soll eine Eigentumswohnung altersgerecht umgebaut werden, sind neben den Vorschriften des BGB auch die des WEG zu beachten. Hieraus ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten. |

1. Grundlagen

§ 22 Abs. 2 WEG stellt für den wohnungseigentumsrechtlichen Modernisierungsbegriff auf § 555b Nr. 1 bis 5 BGB ab . Deshalb kann zunächst festgestellt werden, dass die Einordnung des altersgerechten Umbaus als mietrechtliche Modernisierung im Wohnungseigentumsrecht ebenso greift. Das bedeutet, dass auch bei einer Eigentumswohnung der Mieter nach § 554a BGB gegenüber seinem Vermieter die Rechte auf Herstellung eines barrierefreien Zugangs sowie einer barrierefrei nutzbaren Wohnung geltend machen kann. Da es im Rahmen baulicher Veränderungen nach § 22 Abs. 2 S. 1 WEG eines Beschlusses der WE-Gemeinschaft mit doppelt qualifizierter Mehrheit bedarf, muss der Vermieter diesen herbeizuführen (AG Stuttgart WuM 12, 288).

2. Negativer Beschluss der Eigentümergemeinschaft

Gelingt dem Vermieter dies nicht, kann er zwar gegen den Negativbeschluss im Wohnungseigentumsverfahren vorgehen, aber nicht selbst tätig werden, um dem Anspruch seines Mieters aus § 554a BGB genüge zu tun. Auch der Mieter kann nicht aus § 554a BGB barrierefrei verändern, selbst wenn ihm dies im Mietprozess gestattet worden ist. Er setzt sich sonst einem Unterlassungsanspruch der WE-Gemeinschaft aus § 1004 BGB aus.

 

Grundsätzlich sollen aber in diesem Fall dem vermietenden Wohnungseigentümer dieselben Rechte gegen die übrigen Mitglieder der WE-Gemeinschaft zur Seite stehen, wie er sie hätte, wenn er selbst behindert wäre. Denn die Grundrechtsposition des altersgebrechlichen Mieters - Verbot der Benachteiligung Behinderter aus Art. 3 Abs. 3 S. 3 GG, §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG - soll auch auf das Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern ausstrahlen können. Deshalb müsse dem Vermieter eine sozialadäquate Vermietung durch die WE-Gemeinschaft ermöglicht werden (Derleder ZWE 04, 118, 128).

3. Anspruch des Mieters auf sachenrechtlicher Grundlage

Ein direkter Anspruch gegenüber der WE-Gemeinschaft dürfte dem Mieter aus § 554a BGB nicht zustehen. Es fehlt an einer Sonderverbindung zwischen dem Wohnungsmieter und der WE-Gemeinschaft. Allerdings könnte erwogen werden, ein direktes gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Mieter und der WE-Gemeinschaft als Verband wie auch zwischen den einzelnen Mitgliedern insgesamt auf sachenrechtlicher Grundlage wie folgt zu konstruieren:

 

Wie unmittelbar selbstnutzende Mitglieder der WE-Gemeinschaft ist der Mieter Besitzer seiner Wohnung und Mitbesitzer der Gemeinschaftsanlagen. Sein Besitzrecht ergibt sich unmittelbar aus dem Mietvertrag. Wird der Mieter altersgebrechlich oder sonst barrierebehaftet, richtet er sodann das Ansinnen an die übrige WE-Gemeinschaft, auf eigene Kosten Barrierearmut in den Außenanlagen und sonstigen Gemeinschaftsanlagen im Inneren des Hauses bis zur Wohnungstür herzustellen, und lehnen die übrigen Wohnungseigentümer dies ab, so könnte man von einer Besitzstörung zulasten des altersgebrechlichen Wohnungsmieters sprechen. Denn § 21 Abs. 4 und 5 Nr. 2 WEG sowie § 554a BGB belegen eindeutig die bevorrechtigte Zielsetzung des Gesetzgebers, den endgültigen Wohnungsnutzer auf jeden Fall barrierefrei zu stellen und ihm dafür einen eigenen Rechtsanspruch zuzubilligen. Zwar kann nach hier vertretener Auffassung § 554a BGB im Verhältnis zur übrigen WE-Gemeinschaft mangels mietrechtlicher Verflechtung nicht greifen, doch lässt sich die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung im Rahmen einer sachenrechtlichen Betrachtung fruchtbar machen: Wer einem barrierebehafteten Mieter nicht gestattet, die Wohnung auf eigene Kosten barrierefrei auszustatten, begeht im Hinblick auf den durch Zugangsschwierigkeiten gestörten Wohnungsbesitz verbotene Eigenmacht, was das System der possessorischen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche eröffnet (§§ 861, 862, 865 BGB). Im Interesse des notwendigen Schutzes behinderter und barrierebehafteter Menschen erscheint es allerdings rechtspolitisch geboten, durch einen eigenen Anspruch des Mieters gegenüber der WE-Gemeinschaft insoweit Klarheit zu schaffen, so wie diese Klarheit bereits über den wohnungseigentumsrechtlichen Anspruch auf Durchführung ordnungsgemäßer Verwaltung im Fall des selbstnutzenden Eigentümers bereits besteht.

4. Duldungspflicht des Mieters

Keine Besonderheiten bieten sich endlich im Verhältnis des Vermieters zu Mieter, wenn er die Duldung eines altersgerechten Umbaus aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der WE-Gemeinschaft verlangt. Tritt der Mieter dann mit persönlichen oder wirtschaftlichen Härtegründen im Verhältnis zum Vermieter seiner Duldungspflicht entgegen, bleibt zu untersuchen, ob er diese Position auch erfolgreich gegenüber der übrigen WE-Gemeinschaft durchsetzen kann. Nach wohl überwiegender Ansicht soll die Gemeinschaft den Mieter zur Duldung nach mietrechtlichen Kautelen verpflichten können. Gewonnen wird dieses Ergebnis dadurch, dass die WE-Gemeinschaft den Duldungsanspruch des Mieters - ihres Mitgliedes - vergemeinschaftet (§ 555d Abs. 1 BGB, 10 Abs. 6 S. 3 WEG) oder sich zur Durchsetzung dessen Anspruchs gegen seinen Mieter ermächtigen lässt (Lehmann-Richter, WuM 13, 82). Dann aber ist es nur folgenrichtig, dem Mieter dagegen auch Härteeinwände nach § 555d Abs. 2 BGB zuzugestehen.

 

Nach anderer - allerdings umstrittener Auffassung (Horst, NZM 12, 289; dagegen Lehmann-Richter, WuM 13, 82) - kann die WE-Gemeinschaft den Mieter bereits aus § 1004 BGB verpflichten, seine ablehnende Haltung gegenüber den beabsichtigten Baumaßnahmen aufzugeben. Ein mietrechtliches Vorgehen soll ihr dagegen mangels mietvertraglicher Verflechtung zum Wohnungsnutzer abgeschnitten sein, mit der Folge, dass der Mieter sich im Rahmen von § 1004 Abs. 2 BGB nicht auf den mietrechtlich eröffneten Einwand von Härtegründen gegen die Baumaßnahme stützen kann.

Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 221 | ID 43107486