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· Fachbeitrag · Krankheit

Vorsicht Kostenfalle: Kostenübernahme bei selbstbeschaffter Reha-Maßnahme

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, Leipzig

| Nicht selten schließen sich einem Krankenhausaufenthalt älterer Mandanten Reha-Maßnahmen an. Dann stellt sich oft das Problem einer rechtzeitigen Zusage der Kostenübernahme. Wie Sie Ihren Mandanten vor der Kostenfalle warnen und wann ein Mandant ein Selbstbeschaffungsrecht hat, erläutert dieser Beitrag anhand einer aktuellen Entscheidung des LSG Hessen (24.6.15, L 5 R 418/14, Abruf-Nr. 145057 ). |

1. Der Fall des LSG Hessen

Strittig zwischen den Parteien war die Kostenübernahme für eine selbstbeschaffte Reha-Maßnahme. Nach einer Knieoperation wurde die Klägerin entlassen. Direkt am Entlassungstag begab sie sich in eine selbst gewählte Klinik zwecks einer Anschluss-Reha. Erst während der laufenden Reha-Maßnahme ging der Bewilligungsantrag der Klägerin bei der beklagten Krankenkasse ein.

 

PRAXISHINWEIS | Grundsätzlich kommt ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Reha-Maßnahmen gem. § 9 SGB VI i.V. mit § 15 SGB IX in Betracht, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen (Erstattungsverpflichtung). Liegen Krankenhausaufenthalt und geplante Reha-Maßnahme zeitlich nahe beieinander, kann die Krankenkasse auch im Eilverfahren über die Kostenübernahme entscheiden.

 

Die Krankenkasse bewilligte eine dreiwöchige Reha-Maßnahme, jedoch in einer anderen Klinik. Sie lehnte es ab, die Kosten für die von der Klägerin gewählte Klinik zu erstatten, da die hierfür erforderliche vorherige Genehmigung nicht vorlag. Die Klägerin wies darauf hin, dass die Reha-Maßnahme durch die Klinik beantragt worden sei, in der sie operiert wurde. Diese habe dann auch die Unterbringung dort vermittelt und der Klägerin mitgeteilt, dass alles geregelt sei. Die Beklagte erteilte einen Widerspruchsbescheid, gegen den die Klägerin klagte.

 

Das SG wies die Klage ab und erklärte, dass keine Erstattungsverpflichtung der Beklagten bestehe. Begründung: Der Leistungsantrag wurde erst nach Beginn der Reha-Maßnahme gestellt und der Beklagten keine angemessene Frist zur Bewilligung gesetzt, verbunden mit der Erklärung, sich nach Fristablauf die Leistung selbst zu beschaffen. Die Leistung sei auch nicht zu Unrecht abgelehnt worden, da die Beklagte zum Zeitpunkt des Reha-Beginns keine Kenntnis hiervon hatte. Die Klägerin habe weder dazu vorgetragen, dass die Reha unaufschiebbar war noch hätten hierfür erkennbare Anhaltspunkte vorgelegen. Der Reha-Bedarf war im Zusammenhang mit der Operation vorhersehbar gewesen. Ein Kostenerstattungsanspruch komme nur in Betracht, wenn es dem Versicherten aus medizinischen oder anderen Gründen nicht möglich oder nicht zuzumuten gewesen sei, rechtzeitig zuvor einen Antrag zu stellen. Genau dies hatte die Klägerin vorliegend nicht getan, da sie davon ausgegangen war, dass die Kostenfrage mit der Krankenkasse geklärt ist.

 

Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein. Sie verlangt die vollständige Kostenübernahme. Die Krankenkasse trug im Berufungsverfahren ergänzend vor, dass selbst bei einer von der Klägerin behaupteten Transportunfähigkeit nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen werden könne. Eine Kostentragungspflicht bestehe auch nicht deshalb, weil sich die Klägerin auf die Angabe ihrer Ärzte verlassen habe. Diese hätten weder in ihrem Auftrag gehandelt noch sei nachweisbar, dass die Ärzte eine solche Aussage überhaupt gemacht hätten. Die Klägerin habe in der Reha-Klinik einen eigenen Vertrag als Privatpatientin unterschrieben.

 

Wichtig | Eine Ermessungsreduzierung auf Null setzt voraus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt keine Umstände vorliegen, die eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zulassen. Die Umstände müssen also derart eingeschränkt sein, dass allein die Bewilligung der konkret begehrten Leistung als rechtmäßig anzusehen ist. Das Gericht überprüft eine Ermessensentscheidung (hier: Art, Einrichtung, Dauer, Umfang einer Reha-Maßnahme) lediglich insoweit, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BSG 9.11.10, B 2 U 10/10 R).

2. So hat das LSG Hessen entschieden

Das LSG hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen (24.6.15, L 5 R 418/14). Der Leistungsbewilligung muss ein entsprechender Antrag vorausgehen, sodass dem Leistungsträger ausreichend Zeit für die Ermessensentscheidung bleibt. Eine selbst beschaffte Reha-Maßnahme wäre nur zulässig, wenn die Leistung nach Antragstellung trotz Fristsetzung nicht rechtzeitig erbracht wird (§ 15 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Wird nach Fristablauf die Leistung selbst beschafft, besteht eine Erstattungspflicht unter Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (so auch das Bayerische LSG 23.1.13, L 19 R 694/09).

 

Die Leistung wurde auch nicht zu Unrecht abgelehnt (§ 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX), denn auch eine Ablehnung bedarf einer vorherigen Antragstellung. Die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf null hätten nur vorgelegen, wenn die beantragte Reha-Maßnahme die einzige korrekte Entscheidung gewesen wäre. Die Klägerin hat aber eben nicht erklärt, dass die Maßnahme ausschließlich in der gewählten Reha-Klinik durchgeführt werden konnte bzw. dass dort ein spezielles Behandlungsangebot besteht, wie es in anderen Einrichtungen nicht der Fall ist.

 

Auch die behauptete Transportunfähigkeit ließ sich nicht klar feststellen. Die Klägerin hatte insofern die Anreise in die gewählte Einrichtung bei einer Strecke von 125 km bewältigen können.

 

Die Beklagte hatte außerdem auf mehrere Reha-Einrichtungen verwiesen, die deutlich näher am Operationsort lagen, als die von der Klägerin gewählte Klinik.

 

Das von der Klägerin geltend gemachte Wunsch- und Wahlrecht liegt innerhalb der Grenzen des für den Träger geltenden Leistungsrechts und der Vorgaben zu Leistungen nur in Einrichtungen, mit denen ein Vertrag besteht. Ein solcher bestand mit der von der Klägerin gewählten Klinik nicht. Es handelte sich auch nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Der Anschluss-Reha war eine geplante Operation vorausgegangen und damit der Sicherung und Festigung des Behandlungserfolgs diente.

 

Beachten Sie | Das LSG hat betont, dass die Voraussetzungen einer Ermessungsreduzierung auf null in der Rechtsprechung einen seltenen Ausnahmefall darstellen. Diese sind daher in streitigen Verfahren nur selten und auch schwierig schlüssig darzulegen.

3. Das ist dem Mandanten zu empfehlen

Der nachstehende Überblick zeigt, wie bei Notwendigkeit von Reha-Maßnahmen vorzugehen ist.

 

Checkliste / Das ist beim Antrag auf Reha-Leistungen zu beachten

  • Grundsätzlich gilt: Schriftliche Antragstellung unter Verwendung der entsprechenden Formulare und Anlagen.

 

  • Das Ausfüllen der Formulare sollte nicht unterschätzt werden, es werden
    • Angaben zur Arbeitsplatzbeschreibung und
    • Anforderungen im Beruf angefragt,
    • Erkrankungen sowie
    • behandelnde Ärzte und
    • frühere Begutachtungen sind anzugeben.
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  • Dabei benötigen die Mandanten häufig Unterstützung.
  •  
  • Immer eine schriftliche Bestätigung der Kostenübernahme einfordern (nicht auf mündliche oder Zusagen von Dritten (z.B. Ärzte) verlassen).

 

  • Wenn Operation und eine Anschlussrehabilitation absehbar: Mit Ärzten früh geeignete Reha-Einrichtungen besprechen, dann dem Leistungsträger die gewünschte Klinik im Reha-Antrag mitteilen.

 

  • Wird bereits während des Krankenhausaufenthaltes eine Anschluss-Reha notwendig, kümmert sich der Sozialdienst des Krankenhauses um die Einleitung und hängt die Antragsformulare aus.
 

 

PRAXISHINWEIS | Ein Reha-Antrag kann auch durch Bevollmächtigte (anwaltliche Bevollmächtigte, in Vorsorgevollmacht benannte Personen) gestellt werden. Sind Sie für Ihre Mandanten bevollmächtigt, halten Sie Antragsformulare stets bereit und kontaktieren Sie die behandelnden Ärzte, ob ein Reha-Bedarf entstehen könnte und hierzu schnell ein Arztbericht angefertigt werden kann.

 

 

Formulare für Reha-Anträge halten die Rentenversicherung sowie deren Auskunfts- und Beratungsstellen und Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation bereit (www.reha-servicestellen.de oder Service-Telefon Rente/Rehabilitation: 0800/1000 4800). Außerdem kann der Antrag auch bei der Krankenkasse gestellt werden.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Kontenklärung: Auch Reha-Zeiten für Rentenhöhe wichtig, SR 15, 3
  • Rehabilitation und Erwerbsminderung bei Depression, SR 14, 175
  • Technologien und Eingabehilfen für eingeschränkte Mandanten, SR 14, 3
Quelle: Ausgabe 08 / 2015 | Seite 138 | ID 43527746