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· Fachbeitrag · Krankenversicherung

Im EU-Ausland lebende Rentner bleiben pflichtversichert

| Lebt ein Rentner im EU-Ausland und bezieht ausschließlich deutsche Rente, bleibt er in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Kann er zu einem Gerichtstermin krankheitsbedingt nicht anreisen, kann er nicht verlangen, dass ihn das Gericht via Videokonferenz zuschaltet. |

 

Sachverhalt

Der 69-jährige Kläger lebte in den Jahren 2008 bis 2015 in Spanien. Seit Juli 2010 bezog er Altersrente für schwerbehinderte Menschen sowie zwei betriebliche Altersversorgungen. Seit dem 1.12.10 wurde er auf eigenen Antrag nach einem Kassenwechsel bei der Beklagten als Mitglied geführt. Aus seiner Altersrente wurden seitdem Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und zur Pflegeversicherung abgeführt. Seit dem 1.12.10 wurden auch die Leistungen der beiden betrieblichen Altersversorgungen beitragspflichtig einbezogen.

 

Seine Klage darauf, dass eine Zwangsmitgliedschaft während seines Auslandsaufenthalts nicht vorliege, wies das SG ebenso wie seine Leistungsklage (Rückerstattung von gezahlten Beträgen) als unzulässig zurück. Das LSG Berlin-Brandenburg schloss sich weitgehend dem SG an und wies die Berufung ab (10.1.18, L 9 KR 149/17, Abruf-Nr. 199876).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage nach § 55 Abs. 1 SGG war unzulässig, weil das Versicherungsverhältnis und die Beitragsforderungen der Beklagten auf Verwaltungsakten beruhen, die vorliegend alle bestandskräftig waren.

 

Vorrangig hätte der Kläger diese mit einer Anfechtungs- und nicht mit einer Feststellungsklage angreifen müssen. Da er auch während seines mehrjährigen Aufenthalts in Spanien Pflichtmitglied bei der Beklagten gewesen sei, seien die Beitragsbescheide rechtlich auch nicht zu beanstanden. Die Leistungsklage schließlich sei sowohl unzulässig als auch unbegründet, denn auch der verlangten Rückzahlung stünden die Bescheide entgegen.

 

Seine Mitgliedschaft bei der Beklagten hatte der Kläger bei einem Kassenwechsel selbst beantragt. Diese Mitgliedschaft dauerte auch fort, als er sich vorübergehend im Ausland aufhielt (2008 bis 2015). Zudem sei die Rechtsprechung des BSG eindeutig: Wer ausschließlich eine deutsche Rente in einem anderen EU-Land bezieht, bleibt in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert (5.7.05, B 1 KR 4/04 R).

 

MERKE | Ältere Mandanten leben häufig temporär oder fortdauernd im Ausland. Sie dürfen sich keinesfalls darauf verlassen, dass stets eine Videoübertragung möglich ist und sie nicht nach Deutschland kommen müssen.

 

 

 

Relevanz für die Praxis

Gerichte müssen nicht zwingend eine Videokonferenztechnik vorhalten (so ausdrücklich in BT-Drucksache 17/1224, S. 12 r. Sp.). Wurde das persönliche Erscheinen angeordnet, oder will man in jedem Fall persönlich am Termin teilnehmen, ist frühzeitig bei Gericht zu erfragen, ob diese technische Möglichkeit angeboten wird. Ist man nicht reisefähig, muss dies belegt werden.

 

PRAXISHINWEIS | Ausländische Krankschreibungen werden als Grund für eine Terminsverschiebung anerkannt, wenn die gesetzlichen Anforderungen an ein deutsches Attest eingehalten werden oder wenn Sozialversicherungsabkommen bestehen. Daher kann grundsätzlich die Transport- bzw. Reiseunfähigkeit auch durch einen ausländischen Arzt nachgewiesen werden. Der Nachweis muss allerdings wesentliche Punkte enthalten, z. B.:

  • zwingend eine Diagnose,
  • akute Einschränkungen, die (Flug-)Reisen unmöglich machen (z. B. Gehfähigkeit, Sturzgefahr),
  • ggf. weitere Angaben zu körperlichen oder geistigen Einschränkungen (z. B. bezüglich Gedächtnis- und Erinnerungsleistungen, derzeit notwendige medizinische Überwachung nach OP, neu eingestellte Medikamente),
  • ggf. geschätzte Dauer notwendiger Zeiten der Rekonvaleszenz.
 

Es besteht keine grundsätzliche Pflicht, diesen Nachweis in deutscher Sprache vorzulegen. Auch wenn die Gerichtssprache Deutsch ist, dürfen fremdsprachige Urkunden ohne Übersetzung verwertet werden (LAG Düsseldorf 30.3.12, 6 Sa 1358/11). Es steht im Ermessen des Gerichts, ob für eine Urkunde in fremder Sprache (hier: eine AU-Bescheinigung) eine Übersetzung vorgelegt werden soll. Können das Gericht und die Parteien die Urkunde auch so verstehen, steht einer Verwertung ohne Übersetzung nichts im Wege.

 

Weiterführender Hinweis

  • Rentner im Ausland: Diese Steuerfallen lauern, SR 17, 193
Quelle: Ausgabe 03 / 2018 | Seite 39 | ID 45131062