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· Fachbeitrag · Gesetzesänderung

Widerruf fehlerhafte Kreditverträge: Die Zeit eilt

von RA Karl-Heinz Steffens, Berlin

| Der Gesetzgeber plant, das Widerrufsrecht für zwischen 2002 und 2010 geschlossene Immobilienkreditverträge mit fehlerhafter Belehrung 2016 enden zu lassen. Zurzeit gilt dieses Recht von Kreditkunden unbefristet. Betroffen sind bestehende Kreditverträge bei allen Banken, Sparkassen und Volksbanken. Der Widerruf macht Mühe - bringt aber viel Geld. Die Zeit läuft jetzt schnell ab - Mandanten müssen handeln. |

1. Rechtlicher Hintergrund zum Widerruf

Bei rund 80 Prozent der von Oktober 2002 bis Juni 2010 abgeschlossenen Immobilienkreditverträge sind die Widerrufsbelehrungen mit einem oder mehreren Fehlern behaftet. Kreditnehmer können diese Kreditverträge auch heute noch widerrufen. Weil die Zinsen für Kredite stark gesunken sind, können Kreditnehmer auf diese Weise viele tausend Euro sparen. Bisheriger Rekord eigener geprüfter Immobilienkreditverträge waren 170.000 EUR.

 

Es gibt bei den Finanzzeitschriften test.de und finanztipp.de Listen mit verbraucherfreundlichen Urteilen und Vergleichen: Es geht um die hohen Vorfälligkeitsentschädigungen (10 Prozent „Vorfälligkeitskiller“). Weitere 5 Prozent p.a. Zinsen kommen noch dazu.

2. Abgewickelte Verträge

Kreditkunden können ihren Kreditvertrag auch widerrufen, wenn er schon längst abbezahlt oder abgelöst ist. Der Vertrag ist rückabzuwickeln. Das Recht zum Widerruf ist nicht durch eine Verwirkung oder durch Treu und Glauben gesperrt.

 

Wurde eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt, muss die Bank diese erstatten. Ferner muss sie herausgeben, was sie mit dem Geld in der Zwischenzeit erwirtschaftet hat.

3. Geplante Gesetzesänderung

Der Gesetzgeber arbeitet seit Monaten an einer Gesetzesänderung. Es muss die Richtlinie der EU über Wohnimmobilienkrediten umgesetzt werden. Im offiziellen Gesetzentwurf von September 2015 gab es noch keine Einschränkungen des Widerrufsrechts, wie sie die Bankenverbände seit langem fordern. Doch aktuell ist bekannt geworden: Die Bundesregierung will eine Einschränkung des aktuellen „ewigen“ Widerrufsrechts. Bundesministerien haben nach Erkenntnissen von Verbraucherschützern dem Bundestag bereits einen entsprechenden Entwurf geliefert. Danach soll das Widerrufsrecht für diese Kreditverträge am 21.5.16 erlöschen. Verbraucherschützer befürchten, dass Bundestag und Bundesrat dies auch so beschließen werden.

4. Betroffene sind jetzt unter Zeitdruck

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Ulrich Kelber (SPD) erklärte, dass Betroffene jetzt noch über ein halbes Jahr lang prüfen könnten, ob die Widerrufsbelehrung in den damaligen Verträgen fehlerhaft war und dann gegebenenfalls von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Das klingt nach einer großzügigen Regelung. Tatsächlich aber braucht der Widerruf eines Kreditvertrags einige Zeit und Vorbereitung. Die Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gehen schnell vorbei. Folgendes sollten Verbraucher, die zwischen 2002 und 2010 einen Kreditvertrag abgeschlossen haben, sofort tun:

 

Checkliste / Widerruf von Immobilienkreditverträgen: Das ist zu tun

  • Widerrufsbelehrung des Darlehens auf Fehlerhaftigkeit prüfen;

 

  • Prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig ist und welche Risikoausschlussklauseln (z.B. Neubau oder Vermietungsobjekt) bestehen;

 

  • Außergerichtliche Vertretung des Darlehensnehmers (hierbei das Vorgehen, unter Berücksichtigung einer möglichen Vergleichsbereitschaft der Bank, besprechen und die anfallenden Kosten sowie die Eintrittspflicht einer möglichen Rechtsschutzversicherung erläutern);

 

  • Widerruf des Darlehensvertrags durch den Darlehensnehmer bzw. durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt gegenüber der Bank. Bei bestimmter Sachlage reicht es auch einen Widerruf nur anzudrohen;

 

  • Weist die Bank den Widerruf als angeblich verfristet zurück, zunächst bei der Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage einholen;

 

  • nach Eingang der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung anwaltliches Schreiben an die Bank verfassen;

 

  • bei Vergleichsbereitschaft der Bank außergerichtlichen Vergleich schließen. Entweder wird ein neuer Darlehensvertrag mit Anschlusskonditionen der alten Bank oder ein neuer Darlehensvertrag zu geänderten Konditionen mit einer anderen Bank abgeschlossen;

 

  • bei Ablehnung einer außergerichtlichen Einigung der Bank kann Klage auf Rückabwicklung des bestehenden Darlehensvertrags erhoben werden.
    • Die Bank erhält den Betrag des aktuellen Darlehenssaldos.
    • Der Darlehensnehmer kann eine Verzinsung seiner gezahlten Leistungsraten in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von der Bank zurückverlangen;

 

  • bei bereits erfolgter Ablösung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung kann
    • Klage auf (Rück-)Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung erhoben werden, nebst
    • einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hinsichtlich der gezahlten Leistungsraten und der Ablösesumme.
 
Quelle: Ausgabe 11 / 2015 | Seite 194 | ID 43689277