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· Fachbeitrag · Familienrecht

Umgangsrecht der Großeltern

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht und Familienrecht, Limburg/Lahn

| Indem Personen außerhalb des Eltern-Kind-Verhältnisses ein Umgangsrecht gewährt wird, soll die Erhaltung und Förderung der persönlichen Beziehungen des Kindes zu anderen Bezugspersonen als den Eltern rechtlich gesichert werden. Entgegen der früheren Rechtslage wird dies jetzt durch § 1685 BGB ganz aus dem Blickwinkel des Kindes und seines Wohls gesehen (Jaeger, in: Johannsen/Henrich, 5. Aufl., § 1085 BGB, Rn. 1). |

1. Großeltern und Enkel

Der Gesetzgeber hat den Großeltern damit zwar eigene subjektive Rechte verliehen, aber nicht um ihrer selbst willen, sondern um des Kindes willen. Deshalb setzt das großelterliche Umgangsrecht voraus, dass damit auch das Kindeswohl gefördert wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem treuhänderischen und dienenden Recht (BVerfG FamRZ 91, 913 ff.).

  • Ausgangsfall

Die Eltern zweier Kinder trennen sich. Kurz nach der Trennung verliert der Vater durch einen Arbeitsunfall sein Leben. Seine Eltern, also die Großeltern der Kinder, haben sich mit der Schwiegertochter ohnehin nicht gut verstanden, sie führen Verhandlungen über den Verbleib der Kinder und über erbrechtliche Fragen. Zu einvernehmlichen Lösungen kommt es nicht, im Gegenteil, die Zerwürfnisse mit der Schwiegertochter verschlimmern sich bis hin zu deren Strafanzeige wegen angeblicher Körperverletzung zu ihrem und zum Nachteil der Kinder durch die Großeltern. Trotzdem bemühen sich die Großeltern in aus ihrer Sicht wohlverstandenem Interesse der Kinder/Enkel um ein Umgangsrecht.

 

2. Definition der Großeltern

Ein Umgangsrecht von Großeltern setzt voraus, dass es sich um gesetzliche Großeltern handelt. Biologische Großeltern haben kein Recht auf Umgang mit dem Kind ihres Sohns, das zusammen mit seiner Mutter und seinem rechtlichen Vater in einer sozialen Familie lebt. Bei der Bestimmung von Großeltern gilt der Verwandtenbegriff des § 1589 BGB mit der Folge, dass nur die gesetzlichen Großeltern (OLG Celle, FamRZ 05, 126) erfasst sind. Adoptivgroßeltern haben das Großelternumgangsrecht nicht, sondern äußerstenfalls das Umgangsrecht für enge Bezugspersonen nach § 1658 Abs. 2 BGB.

3. Eigenes Umgangsrecht des Kindes

Im Gesetz nicht vorgesehen ist ein eigenes subjektives Recht des Kindes auf Umgangsrecht mit den Großeltern. Das Kind kann sich nur faktisch, eventuell über das Jugendamt, mit Anregungen an das Familiengericht wenden, dieses kann dann prüfen, ob es Anlass zum Einschreiten sieht.

4. Umgangsrechtvoraussetzungen

Bei der letzten Fassung des § 1685 Abs. 1 BGB hat der Gesetzgeber versucht, das Umgangsrecht in verhältnismäßig engen Grenzen zu halten. Dabei soll das Kind hinsichtlich seiner Entwicklung unter all seinen Lebensaspekten, also seelisch, körperlich, erzieherisch und auch mit Blickwinkel auf seine Bindungen zu anderen Personen, im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

 

Hierbei ist nicht erforderlich, dass Bindungen des Kindes zu den Großeltern schon existieren müssen. Es ist auch der Langzeitaspekt des Kindeswohles zu berücksichtigen. Für das Kind kann es oft förderlich sein, den Kontakt zu nahestehenden Personen aufzubauen und zu fördern, um angesichts der Unwägbarkeiten des Lebens, beispielsweise bei unerwartetem Versterben der Eltern, Lösungen parat zu haben. Am Ende kommt es bei der Entscheidung über das Großelternumgangsrecht wie so häufig auf die Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles an (Jaeger, a.a.O., § 1685 BGB, Rn. 5).

5. Zerwürfnis Eltern/Großeltern

Familiengerichtliche Verfahren um das Umgangsrecht von Großeltern sind in der Praxis nach der Beobachtung des Verfassers und den von ihm befragten Familienrichtern selten. Sie entspringen, wenn sie gleichwohl vorkommen, zumeist Streitigkeiten und Zerwürfnissen zwischen Eltern und Großeltern. Hier wird zwar postuliert, dass die Eltern dann im Rahmen ihres Sorgerechtes verpflichtet sein sollen, ihre ablehnende Einstellung zu den eigenen Eltern oder Schwiegereltern zurückzuhalten (KG, FamRZ 09, 1229), dieses Postulat wird aber in der Regel an der Realität vorbeigehen.

 

Derartige Entwicklungen und Verhältnisse führen beim Kind zu seelischen Belastungen und/oder Loyalitätskonflikten. Die Kinder sind aber das schwächste Glied in dieser Kette. Deshalb werden in den einschlägigen Fällen Umgangsregelungsanträge ganz überwiegend zurückgewiesen. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob die Eltern oder die Großeltern die (Haupt-)Verantwortung für die Belastungssituation tragen (OLG Hamm FamRZ 05, 2012).

 

Diese Entscheidungen sind zu begrüßen. Der Schutz der Kinder muss im Vordergrund stehen. Die Erfahrung lehrt, selbst wenn es die Beteiligten noch schaffen, im Gerichtssaal ein einigermaßen friedliches, von Zurückhaltung geprägtes Bild zu zeigen, so verschwindet dieses Bild oft bereits unmittelbar nach der Verhandlung. Die Einflussmöglichkeiten der Familiengerichte auf Eltern mittleren und Großeltern fortgeschrittenen Alters sind und bleiben begrenzt.

6. Falllösung

Der Ausgangsfall ist nach der Gesetzeslage und Rechtsprechung im Sinne der Kinder dahingehend zu entscheiden, dass ein Umgangsrecht den Großeltern nicht zugesprochen werden kann. Dies mag im Einzelfall sehr bedauerlich sein. Das Recht stößt aber in diesen Fällen klar an seine Grenzen, die zu erweitern nur die betroffenen Personen in der Lage sind.

Quelle: Ausgabe 12 / 2015 | Seite 203 | ID 43722101